Fahrradbürgermeister: „Köln kann bis 2030 Fahrradhauptstadt Deutschlands werden“

Vor 30 Jahren bretterte Reinhold Goss noch mit 70 km/h über die Kölner Rheinuferstraße. Inzwischen ist er der erste ehrenamtliche Fahrradbürgermeister der Stadt, wirbt für Tempo 30 und Radspuren in Fahrspurbreite

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
6 Minuten
Ein Mann steht mit seinem Fahrrad auf einer Brücke. Im Hintergrund ist der Kölner Dom zu sehen.

Reinhold Goss, ist Deutschlands erster Fahrradbürgermeister. Die Amsterdamer Nichtregierungsorganisation BYCS hat das globale Fahrrad-Bürgermeister-Programm im Jahr 2016 gestartet. Mittlerweile gibt es mindestens einen ehrenamtlichen Bürgermeister auf jedem Kontinent. Goss hat sich bei BYCS beworben und den Posten bekommen. Ein Gespräch über den Umbau der Städte, Engagement aus der Zivilgesellschaft und der Macht und Grenzen des Ehrenamts.

Busy Streets: Herr Goss, Sie sind nicht nur der erste Fahrradbürgermeister Kölns, sondern auch der erste einer deutschen Großstadt. Warum wollten Sie Fahrradbürgermeister werden?

Reinhold Goss: Ich hatte bereits 2015 das Projekt #RingFrei angestoßen. Unsere Initiative forderte, dass der Autoverkehr auf der sieben Kilometer langen Strecke zwischen Ebertplatz und Ubierring eine Spur an den Radverkehr abgibt. Das war ein langer und sehr mühsamer Prozess, aber wir haben das geschafft. Jetzt gilt dort Tempo 30, und wo die Radspur bereits markiert ist, ist das Radfahren sicher und komfortabel. Aber für mich war auch klar: Da geht noch mehr, da muss mehr gehen! Insbesondere finde ich es wichtig, dass Kinder und ältere Menschen gut und sicher in Köln Rad fahren können.

Busy Streets: Was haben Sie in den vergangenen zwei Jahren für Kinder und Ältere erreicht?

Reinhold Goss: Ehrlich gesagt, hat mich Corona stark ausgebremst. Ich wollte mit verschiedenen politischen und städtischen Vertreterïnnen in ihrem Veedel Fahrrad fahren, damit wir gemeinsam „erfahren“, wo sie gerne Radfahren und wo dringend etwas passieren sollte. Diesen Plan verhinderte das Virus. Aber mit der Linken-Verkehrspolitikerin Gunda Wienke habe ich eine Initiative des Fuß e.V (Fachverband für Fußverkehr) an zwei Kölner Schulen zu sicheren Schulwegen und kindgerechter Verkehrsführung angestoßen. Während der Workshops haben die Kinder sehr detailliert beschrieben, wo sie sich auf ihrem Schulweg unwohl fühlen und wie es für sie besser funktionieren könnte.

Auf der #RingFrei-Strecke zwischen Ubierring zum Ebertplatz, muss man an fast jeder Ampel halten

Reinhold Goss

Busy Streets: BYCS erklärtes Ziel ist es, bis 2030 einen Fahrradanteil von 50 Prozent in Städten mit Fahrradbürgermeisterïnnen zu erreichen. Ist das überhaupt zu schaffen?

Reinhold Goss: Meine Forderung lautet, dass Köln bis dahin die Fahrradhauptstadt Deutschlands wird. Wenn Politik und Verwaltung das wirklich wollen, ist das realistisch. Wir wissen, wie eine Radinfrastruktur aussehen muss, die möglichst alle Menschen aufs Fahrrad lockt. Wir sehen es sogar bereits heute an verschiedenen Stellen in der Stadt. Am Ring haben wir teilweise Kopenhagen-Feeling, obwohl der Umbau dort immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Strecke ist sieben Kilometer lang. Es brauchte sieben Jahre bis zur weitgehenden Umsetzung. Das ist zu viel zu lange. Wir müssen schneller werden.

Baustellenbaken stehen auf dem frisch markierten Radweg
Radspur im Bau. Der Fahrradbürgermeister rechnet damit, dass der Radweg am Ring 2023 fertig wird
Menschen fahren auf Fahrrädern auf einem Radstreifen in Kfz-Spurbreite
#Ringfrei ist eine Initiative des Fahrradbürgermeisters. Das Ergebnis: Radspuren in Fahrzeugbreite und Tempo 30