Warum die Strategie von Google, Facebook, Twitter gegen Klima-Fakenews noch nicht reicht

Internetkonzerne wollen gegen Falschinfos zur Klimakrise vorgehen, doch ihr Kerngeschäft rühren sie noch nicht an.

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Klimaaktivisten bringen Anfang November 2021 einen 5000 Pfund schweren Eisberg vor dem Kapitol in Washington D.C. zum Schmelzen, um gegen die Rolle von Facebook bei der Verbreitung von Klima-Fehlinformationen zu protestieren. Foto: picture alliance / Anadolu Agency | Yasin Ozturk

Klimawandelleugner verbreiten häufig Falschinfos in sozialen Netzen und auf Youtube, doch die Internetkonzerne wollen jetzt stärker dagegen vorgehen.

Twitter hat anlässlich des UN-Klimagipfels in Glasgow, der COP26, eine neue Strategie aufgesetzt, um irreführende oder falsche Behauptungen über den Klimawandel zu bekämpfen: Mit sogenannten Prebunks – also aufklärenden Texten zu einem Sachverhalt, bevor dieser verfälscht dargestellt wird – will der Social-Media-Riese „verlässliche, maßgebliche Informationsknotenpunkte“ schaffen, um Klimalügen zuvorzukommen.

Dabei spielt das Umfeld, in dem die Tweets ausgespielt werden, eine entscheidende Rolle: Inhaltlich richtige Beiträge von autorisierten Quellen werden hervorgehoben und zu Informationshubs zusammengezogen. Während der Weltklimakonferenz COP 26 in Glasgow, so erklärte Twitter in einem Blogpost, erschienen ausgesuchte Informationsquellen auf eigenen Event-Seiten zur COP26 in englischer, spanischer, arabischer, portugiesischer und japanischer Sprache.

Die Prebunks standen über die „Explore“-Tabs der Nutzer, über die Twitter-Suche unter dem Punkt „Was gibt’s Neues?“ und in den Trend-Listen zur Verfügung. Die Informationen bezogen sich auf Schlüsselthemen wie etwa die „wissenschaftlich begründeten Realitäten des Klimawandels und der Erderwärmung“. Zuvor hatte Twitter bereits einen eigenen Topic zum Klimawandel eingerichtet.

Das Bild zeigt mehrere Begriffe hintereinander, die das Interesse von Internetnutzern beschreiben sollen. Diese Etiketten wurden in Googles Werbenetzwerk einzelnen Nutzern und Nutzerinnen zugeordnet. Sie stammen aus einer Datei, die im Rahmen einer Massenbeschwerde europäischer Bürgerrechtsorganisationen bei mehreren europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden als Beleg eingereicht wurde.
Diese sogenannten Etiketten wurden in Googles Werbenetzwerk einzelnen Nutzern und Nutzerinnen zugeordnet und sollen deren Interessen beschreiben. Sie werden genutzt, um Werbeanzeigen gezielt ausspielen zu können. Die Daten stammen aus einer Datei, die im Rahmen einer Massenbeschwerde europäischer Bürgerrechtsorganisationen bei mehreren europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden als Beleg eingereicht wurde.

Facebook, Google und Youtube werden auch aktiv

Wie Twitter geht seit kurzem auch Facebook, jetzt auch bekannt unter dem Namen Meta, vor: Ende September startete das Unternehmen eine Videokampagne, die Informationen von Klimaaktivisten verbreitete. Außerdem versieht es seither manche Nutzerbeiträge mit Hinweisen auf ein unternehmenseigenes „Climate Science Center“, das Klima-Themen aufbereitet. Doch das funktioniert nicht so richtig: Eine Studie der Organisation Stop Funding Heat stellte kürzlich fest, dass 85 Prozent der falschen Beiträge keinen Hinweis auf das Climate Science Center bzw. keine Faktenprüfung-Kennzeichnung erhalten.

Facebook will überdies eine Million Dollar in ein neues Förderprogramm investieren, das vom International Fact-Checking Network betrieben wird. Damit sollen Organisationen unterstützt werden, die gezielt gegen Fehlinformationen zum Klimawandel vorgehen. Dies findet vor dem Hintergrund von Anschuldigungen statt, Facebook verheimliche die über seine Plattform angerichteten gesellschaftlichen Schäden.

Google entschied im Rahmen seiner aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie, die Ergebnisseite für Informationen zum Klimawandel im englisch-, französisch- und spanischsprachigen Raum neu zu gestalten. So werden seit Oktober Informationen aus seriösen Quellen wie den Vereinten Nationen eingebunden.

Google zeigt seit Oktober 2021 über verschiedene Reiter wie  „Overview“, „News“ oder „Take Action“ Aspekte des Klimawandels in seiner Suche.
Google zeigt seit Oktober 2021 über verschiedene Reiter wie „Overview“, „News“ oder „Take Action“ Aspekte des Klimawandels in seiner Suche.

Neue Reiter zeigen tiefergehende Informationen zu Ursachen und Effekten des Klimawandels sowie Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung an. Nachrichten und Videos lassen sich zielgerichtet auswählen. Zeitgleich führte die Google-Tochter Youtube eine neue Regel ein, die verhindern soll, dass Leute mit Videoinhalten Geld verdienen, die die Existenz des Klimawandels leugnen. Bekannt gewordene Klimaleugner werden aus dem Monetarisierungsprogramm ausgeschlossen.

Warum die Strategie gegen Klimaleugner noch nicht richtig greift

Rund 70 Prozent der Klimaleugner-Inhalte werden von gerade einmal zehn Akteuren verbreitet, stellte das Center for Countering Digital Hate in einer eigenen Untersuchung fest. Diese „Propagandamaschine der Klimaleugnung“ finanziere sich teils aus Google-Werbeanzeigen, um sich dann auch auf Facebook über weitere Anzeigen zu verbreiten. Google und Youtube verbieten allerdings seit kurzem nicht nur Anzeigen, die Schusswaffen bewerben und Mord verherrlichen, sondern auch den Klimawandel leugnen. Twitter hingegen hat noch nichts an seinen Werberegeln geändert. Facebook will ebenfalls an seinem Anzeigengeschäft nicht drehen, obwohl darüber nachweislich viele Falschinformationen verbreitet werden.

Immerhin sind Regeländerungen von europäischer Seite zu erwarten: Die EU-Mitgliedstaaten haben sich Anfang November auf ein Gesetz über digitale Dienste (Digital Markets Act) geeinigt, das auf große Plattformen wie Facebook abzielt. Es wird demnächst im EU-Parlament beraten. Begleitend dazu bringt die EU-Kommission auch einen Regulierungsvorschlag für mehr Transparenz bei zielgerichteter politischer Werbung ein. Dabei geht es darum, die Verbreitung von Falschinformationen und Hetze einzudämmen – die auf den Sozialen Plattformen oftmals über Werbeanzeigen angetrieben wird.

Allerdings verlagern sich gerade die Auseinandersetzungen um die Klimakrise: So geht es längst nicht mehr um die Frage, ob der Klimawandel überhaupt stattfindet, sondern wie man mit ihm umgeht, wie man konkreten Klimaschutz betreiben oder Anpassungen an den Klimawandel vornehmen will. Dann geht es um Themen wie Divestment von fossilen Industrien, den Aufbau Erneuerbarer Energien, Umgestaltung von Mobilität oder eine andere Art der Land- und Forstwirtschaft. In all diesen Bereichen steckt noch gewaltiger gesellschaftlicher Sprengstoff.

Darauf wird vermutlich nur schwer mit einfachen Werbeverboten zu reagieren sein. Denn die Strategien sind anders: Bezweifelt wird etwa die Notwendigkeit, selbst Verantwortung übernehmen zu müssen, lokal und schnell zu handeln. Stattdessen werden fernliegende Alternativen propagiert, falls es nicht zum Handeln eh schon zu spät sei.

Der Beitrag erschien Mitte November bei Golem und wurde deutlich aktualisiert.

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