Baggern im Biotop

Warum renaturieren wehtut, und was es bringt

von Gerhard Richter
6 Minuten
Vor einer Reihe ausgerissener Wurzelstrünke von Schwarzerlen sitzt field writer Gerhard Richter an seinem Klappschreibtisch. Die Wurzeln zeigen rote Stellen, wo ihre Rinde verletzt ist.

Jeden Morgen auf dem Weg zur Kita fahren wir mit dem Lastenrad am Ufer der Dosse entlang. In den Erlen, den Weiden und oder im Schilf entdecken wir Meisen, Spechte und Eichelhäher. Sogar Rehe standen einmal auf einer Wiese und starrten uns durch den Frühnebel an. Mit meinen Kindern durch dieses kleine Biotop mitten in der Stadt zu radeln, ist wie ein Kurzurlaub.

Doch Anfang Oktober bekam ich Bauchschmerzen. Was passierte da? Laster brachten Sand, Raupen schoben ihn über eine ausgerollte Plane, Walzen drückten ihn platt. Auf dieser Baustraße schoben sich Bagger durchs Dickicht bis zum Ufer und hoben lange Eisenrohre in den Fluß. Die Rohre hatten schon seit Jahren auf der Brachwiese nebenan gelegen. Und wieder kam ein Laster und kippte Sand über die Rohre. Das Wasser der Dosse strömte nun durch die Rohre. Über den Sand rollte der Bagger auf seinen Ketten hinüber ans andere Ufer, in den unberührten Auwald hinein.

Eine Brücke in unberührte Natur

Am anderen Ufer wird die Dosse von einem schmalen Streifen Auwald begleitet. Nicht breiter als 50 Meter, und voller Leben. Von einer uralten Pappel mit einem Stamm so dick wie ein Dixie-Klo hingen angebrochene Äste. Die Astspitzen versanken modernd im weichen Boden. Ein Traum von einem Lebensraum für Insekten, Vögel und alle Arten von Bodenlebewesen. In ehrfürchtigem Abstand rund um die alte Pappel balancierten junge Schwarzerlen auf ihren Herzwurzeln im morastigen Grund.

Zwischen den Rillen der Kette eines Raupenbaggers wird lockere Auwalderde zu dichten Klumpen
Zwischen den Rillen der Kette eines Raupenbaggers wird lockere Auwalderde zu dichten Klumpen
Zwei Bagger arbeiten am Ufer der Dosse und beräumen Gestrüpp. Hier sollen zugeschüttete Altarme des Flusses wieder ausgehoben werden.
Zwei Bagger arbeiten am Ufer der Dosse und räumen den Auwald für neue Altarme
Die Dosse verzweigt sich in zwei neue Flussarme, Inseln sind entstehen. Der Boden ist direkt nach den Bauarbeiten noch aufgewühlt und beinahe ohne Pflanzen
Neue Altarme und Inseln in der Dosse
Ein paar enten schwimmen am neuen Ufer der Dosse entlang und prüfen die seichten Stellen. Im Vordergrund von Baumaschinen zerdrücktes Schilf
Enten erkunden den neuen Flusslauf
Eine Reihe Holzpfähle sind quer zum Fluß in das Bachbett eingeschlagen. Dahinter eine Aufschüttung aus Kies als Laichraum für Fische, zum Beispiel für Neunaugen.
Eine künstliche Sohlschwelle aus Kies als Laichraum für Neunaugen