Was Trump mit Gamergate zu tun hat

Das Regime der demokratischen Wahrheit, Teil 4. Von Michael Seemann

von Michael Seemann
11 Minuten
Zwei lebensgroße Kämpfer aus Plastik auf einem Messegelände.

06. April 2017

Was bisher geschah: Wie kann jemand, der offensichtlich lügt, einfach so damit davonkommen (Teil 1)? Wir haben festgestellt, dass die neue Pluralität der Medien vielleicht auch ihre Schattenseiten hat (Teil 2) und dass Trump schon während des Wahlkampfes eine gewisse Antifragilität (Teil 3) gegen alle möglichen Skandale entwickelt und begonnen hat, diese Antifragilität zu analysieren.

Es ist diese Antifragilität, die nicht nur Trump, sondern auch seine Lügen schützt. Es scheint fast so, als würden die Menschen gar nicht merken, dass er lügt, als ob die Fakten viele Leute überhaupt nicht mehr erreichen. Trump-Anhänger/innen scheinen immun zu sein gegen Fakten, immun gegen die Wahrheit. Wir wollen an dieser Stelle aber alle Thesen verwerfen, die mit dem Bildungsgrad oder der Intelligenz der Trump-Supporter/innen argumentieren. Diese Immunität ist keine natürliche, sie ist eine hergestellte.

Eine populäre Erklärung dieser Immunität ist die vielzitierte Filterblase. Eli Pariser hat 2011 die Welt davor gewarnt, dass unser Social Media-Konsum dazu führt, dass wir die Welt nur noch personalisiert wahrnehmen. Filter, die vor allem aus unseren Freunden und Followings bei Facebook und Twitter bestehen, aber auch aus den Algorithmen der Plattformen, selektieren unsere Nachrichten vor und vermitteln uns so ein verzerrtes oder eingeschränktes Bild der Wirklichkeit.

Auf den ersten Blick ist diese These schlüssig. Tatsächlich nehmen wir ja immer mehr Nachrichten über unsere Social Media-Streams wahr. Da wir uns vor allem mit Leuten vernetzen, die uns soziodemografisch und politisch tendenziell ähnlich sind, erschaffen wir einen Echoraum, der uns nur noch mit Nachrichten und Perspektiven auf das Weltgeschehen versorgt, die uns genehm sind. Eine Konfrontation mit einer anderen politischen Sichtweise auf die Welt bleibt aus. Haben sich also die Trump-Anhänger/innen in ihren Filterblasen gegen jegliche Faktizität abgeschirmt? Kann Trump also lügen, da die Wahrheit sowieso nicht bei seinen Supportern ankommt, da sie ständig weggefiltert wird?

Positive und negative Filtersouveränität

An der Harvard-Universität haben Wissenschaftler/innen rund um den Netzökonomen Jochai Benkler über 1,25 Millionen Social Media-Posts ausgewertet, die während der heißen Wahlkampfphase auf Twitter und Facebook veröffentlicht wurden (1). Das Ergebnis: Während die Hillary Clinton-Unterstützer/innen vor allem die Angebote der etablierten Medien teilten und nur am Rande besonders linksalternative Angebote, teilten Trump-Unterstützer/innen zum größten Teil die eher neueren, internetbasierten, rechtsalternativen Medienangebote. Im Zentrum des rechtslastigen Netzwerkes befindet sich Breitbart News, das von Fox News, the Daily Caller, the Gateway Pundit, the Washington Examiner, Infowars, Conservative Treehouse und Truthfeed umgeben ist.

Die Ergebnisse machen stutzig. Leben also nur die Rechten in einer Filterblase, die eher Linken aber im Mainstream? Die Autor/innen der Studie machen darauf aufmerksam, dass diese Asymmetrie darauf hinweist, dass die krasse Polarisierung der Aufmerksamkeitsverteilung keine ursächlich technologische sein kann. Zwar gebe es Tendenzen zur politischen Polarisation durch Filterblasen, aber interessanterweise nutzen fast nur Trumpanhänger/innen Social Media, um den ungeliebten Gatekeeper loszuwerden. Auf Seiten Hillary Clintons sind Massenmedien nach wie vor tonangebend. Hätte die Polarisierung aber eine rein technologische Ursache, müssten sich die Muster auf beiden Seiten ähneln. Ist also die Filterblase doch nicht das Problem?

Die Verwirrung könnte daran liegen, dass die Filterblase ein etwas zu eindimensionales Konzept ist und uns eine falsche Vorstellung davon vermittelt, wie soziale Medien funktionieren. Ich habe schon vor Pariser vorgeschlagen, lieber von „Filtersouveränität“ zu reden (2). In "Das Neue Spiel" unterscheide ich positive von negativer Filtersouveränität. Positive Filtersouveränität ist die Fähigkeit, sich mittels digitaler Werkzeuge Informationsquellen selbstbestimmt zusammenstellen zu können. Negative Filtersouveränität hingegen ist, sich aktiv gegen bestimmte Informationsquellen abschirmen zu können; etwa durch Nichtfolgen von Feeds oder dem Blockieren von unliebsamen Nutzer/innen.

Eine riesige Werbetafel am Times-Square
Superbowl-Werbung von Fox (2014): Anfangs war Murdochs Konzern gegen Trump eingestellt, dann kam Breitbart.