In Flüssen und Bächen reisen auch Bodentiere

Fließgewässer verbreiten winzige Landbewohner

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
5 Minuten
Wasseroberfläche eines Baches in blau-grau-braunen Farbtönen vor grün-belaubten Bäumen im Hintergrund.

Flüsse und Bäche verbinden Lebensräume. Davon profitieren auch winzige Bodentiere, die an Land zuhause sind. Zoologïnnen aus Görlitz fanden heraus: Hornmilben und Springschwänze können in Fließgewässern neue und für ihre Verhältnisse sehr weit entfernte Lebensräume erreichen.

Sie überleben es, wenn sie ins Wasser fallen und können später neues Land besiedeln.

Hornmilben und Springschwänze leben vor allem auf und im Boden in den ersten fünf Zentimetern Tiefe. Sie füllen wichtige ökologische Planstellen aus. Viele von ihnen fressen Bakterien, Algen, Pilz- sowie abgestorbenes Pflanzenmaterial und bringen mit ihren Ausscheidungen Nährstoffe zurück in den ökologischen Kreislauf.

Weite Reisen an Land sind im Leben dieser Tiere nicht üblich.

Es zieht sie dahin, wo das Futter ist – meistens nicht weit weg. Hornmilben legen in ihrer Bodenwelt am Tag bis zu fünf Zentimeter zurück. Manche Springschwänze bringen es vielleicht auf einen halben Meter; sehr überschaubare Distanzen – selbst, wenn man in Betracht zieht, dass die meisten dieser Tiere kleiner als ein Millimeter sind. Trotzdem finden Zoologinnen und Zoologen es interessant, herauszufinden, wie diese Tierchen weite Entfernungen zurücklegen können.

Eine Sache passt nicht ins Bild von den Wandermuffeln:

„Diese winzigen Tiere haben seine sehr große räumliche, sogar weltweite Verbreitung, “ sagt Meike Schuppenhauer von Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz. Mit der sehr begrenzten Mobilität der Bodentiere aus eigener Kraft lässt sich nicht erklären, dass man sie an so vielen Orten findet. Bekannt ist, dass sie der Wind manchmal hoch empor und davon trägt in neue Lebensräume. Oder sie geraten zufällig ins Fell oder Gefieder größerer Tiere, die sie dann über weite Strecken verschleppen.

Die Rolle von Bächen und Flüssen sei bislang noch nicht untersucht worden, schreiben Meike Schuppenhauer und Ihre Co-Autorïnnen Ricarda Lehmitz und Willi Xylander vom Görlitzer Senckenberg-Museum in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Movement Ecology.

Dabei leben zum Beispiel auf und unter einem Quadratmeter Auenboden bis zu 300 000 Hornmilben und knapp 13 000 Springschwänze. Auen liegen per Definition an Bächen und Flüssen. Wenn man als Bodentier an deren Ufer lebt, kann man schon mal ins Wasser fallen oder eine Überschwemmung trägt einen davon. In Auen passiert das regelmäßig. Viele Hornmilben krabbeln auch im Moos auf Bäumen über den Gewässern herum, Absturzgefahr in den Bach oder den Fluss inklusive.

In einem Bach schwimmen fünf weiße Gefässe. Jedes ist über Fäden mit drei Stäben in der Strömung befestigt.
Zum Forschungsprojekt der Görlitzer ZoologInnen gehörten künstliche Inseln in einem Bach in der Lausitz.
Mikroskopbild eines grauen Tieres, das aussieht wir ein Ei mit Falten, aus denen Beine und Fühler ragen vor schwarzem Hintergrund, 130-fach vergrößert.
Die Art Parachipteria fanzagoi gehört unter den Hornmilben zu den guten Schwimmern. Insgesamt 14 Stunden hielten sich Tiere dieser Art im Strömungsbecken des Senckenberg-Labors auf der Wasseroberfläche.
Mikroskopaufnahme eines grauen Tieres mit rundem Hinterteil, dreieckigem Kopf und vielen regelmäßigen Vertiefungen im Panzer vor schwarzem Hintergrund, 190-fache Vergrößerung
Überlebenskünstler: Die Hornmilbe Carabodes subarcticus überlebte mindestens 365 Tage unter Wasser.