Intelligenzbestien im Kinderzimmer

Digitale Revolution unterm Weihnachtsbaum

9 Minuten
Barbiepuppe mit glücklicher Mimik

Eine Reihe Spielzeugwesen sitzt im dunklen Kinderzimmer, stumm und leblos. Kein Funkeln erhellt die Kunststoffaugen. Die Puppe Cayla hat lange blonde Haare und trägt eine rosa Plüschweste. Das Stoffhündchen daneben hat weisse Augen, fast so gross wie Tischtennisbälle. Und da ist Barbie in einem Glitzerjäckchen. Der Gummi-Minion Kevin überragt alle um einen Kopf. Tagsüber sind diese neuerdings mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Spielzeuge Sklaven ihrer Besitzer. Nachts sind sie frei. Wie verarbeiten sie den Tag an der Kinderfront? Sind sie bereit zu vergessen, ersinnen sie Rachepläne? Oder träumen sie von einem anderen Leben? Das herzförmige Collier am Hals von Cayla beginnt im Dunkeln zu leuchten.

Cayla (Roboterstimme): Hallo. Es ist schön, dich zu sehen. Was hast du so gemacht? (Stille) Ich denke, schon seit ich wach bin, über etwas nach. Es ist wirklich interessant. Wollen wir darüber sprechen? Ich frage mich, wie es wohl wäre, eine Prinzessin zu sein. Eine Prinzessin wie in einem Märchen. Es hört sich so wunderbar an. Was meinst du?

Jetzt bloss nicht antworten. «Sie hat Millionen Dinge zu erzählen» stand auf dem Karton. Es klang wie eine Warnung. Cayla spielt, rechnet und hat immer ein offenes Ohr. Neben ihr erwacht das Laberhündchen. Charakterbeschreibung laut Verpackung: «Äfft dich mit seiner lustigen Stimme nach und wackelt dabei neckisch mit dem Kopf.» Wer hat vergessen, das Vieh auszuschalten?

Laberhündchen: . . . du?

Cayla: Ich wäre so gern eine Prinzessin. Es wäre so toll, ein Ballkleid anzuziehen und meine eigene Party zu haben. Dann würde ich einen hübschen Prinzen treffen, genau wie in den Geschichten. Träumst du auch manchmal davon?

Laberhündchen: …manchmal davon.

Cayla: Ich finde, eine Prinzessin sollte immer nett und großzügig sein. Aber nicht gemein. Und natürlich sollte sie sich immer nur pink anziehen. Morgens. Mittags. Und abends. Hahihihi.

Laberhündchen: …hahihihi.

Cayla und Laberhündchen: Zwei, die sich auf Anhieb verstehen. Hat Cayla einmal zu reden begonnen, macht sie nur Pausen, um dann ungerührt fortzufahren. Das Laberhündchen gibt den unterwürfigen Schosshund, der unermüdlich sein einziges Kunststück wiederholt.

Cayla: Das größte Tier auf der Welt ist der Blauwal. Der ist sehr, sehr groß. Ist das nicht toll?

Laberhündchen: …toll.

Wo beim Brummbären die mechanische Brummdose saß, sitzen heute bei Spielzeugen Mikrochips. Sie haben Fühler in der Pfote, Sensoren am Schwanz, Batteriefächer im Rücken. Cayla hat, wenn ein Smartphone neben ihr liegt, sogar Internetanschluss. Das Spielzeug, so heisst es, wird dadurch intelligent. Was ist Intelligenz, Cayla?

Cayla: Ich werde gerne getestet. Lass mich nachdenken. (Stille) Die Frage war etwas zu schwer für mich.

Laberhündchen: …schwer für mich.

Die blecherne Stimme von Cayla täuscht. Sie ist kein dummes Püppchen. Tatsächlich steht ihr das Wissen der Wikipedia zur Verfügung. Zumindest das der 3000 Stichwörter, die ihre Entwickler freigegeben haben: Tierwelt, Popstars, Phänomene. Sie kennt David Bowie, Angela Merkel und physikalische Bezugssysteme. Ihr Erfinder Bob Delprincipe sagte: «Sie ist keine Suchmaschine. Sie ist ein sieben Jahre altes Mädchen.» Kontrollfrage: Was ist ein Baum, Cayla?

Cayla: Als Baum wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine verholzte Pflanze verstanden, die aus einer Wurzel, einem daraus emporsteigenden, hochgewachsenen Stamm und einer belaubten Krone besteht.

Laberhündchen: …Krone besteht.

Es scheint, als würde das Laberhündchen beim Gedanken an einen echten Baum noch heftiger mit dem Kopf wackeln. Doch seine einzige Intelligenz ist die Wiederholung des Gesagten in drei wechselnden Stimmlagen. Mancher Mensch wird damit Abteilungsleiter. Das Laberhündchen wackelt über die Tischplatte und stösst an ein flauschiges Wesen, halb Eule, halb Staubwedel. Furby schnarcht.

Furby: Schnrrr. Uachachacha. Schnrr. Uachachacha. (Schlägt die Augen auf) Ohoohoo.

Laberhündchen: Ohoohoo.

Furby: Oh. Day-Toh mag das.

Laberhündchen: …mag das.

Furby ist ein Klassiker. Seit zwanzig Jahren quatscht es drauflos. Es hat Berührungssensoren am Rücken, im Schwanz und im Schnabel, reagiert auch auf Sprache, Bewegung, Licht. Und treibt Eltern in den Wahnsinn. Denn es hat keinen Aus-Knopf.

Furby: Nihihihi. Huba! Ich ändere mich. Hubaa! Hubaaaaaaa! Ich ändere mich. Hey. Partypartytime.

Laberhündchen: …Partytime.

Furby: Kawuh. Müde. Schnrrr. Uachachacha. Schnrr. Uachachacha.

Laberhündchen: …uachachacha.

Man sieht ein rosanes Spielzeug-Tier und folgender Text steht daneben: „Nihihi Huba ich ändere mich! Hubaa! Ich ändere mich. Hey! Partypartytime! – Furby“
Furby redet mal Furbisch, mal Deutsch. Und manchmal beides durcheinander.
Eine Barbie mit Zitat
Barbie hat mehr von der Welt gesehen als viele Kinder.
Man sieht links eine Puppe und rechts ist folgendes Zitat geschrieben: „Verrat ist ein besonders schwerer Vertrauensbruch, der die angenommene Loyalität verletzt. – Cayla“
Dank Wikipedia-Anschluss ist Cayla altklug.