Christian Drosten: „Die Wissenschaft muss frei sprechen können“

Der Corona-Forscher im Pandemia-Gespräch über die Rolle der Medien, die Tücken der Wissenschaftskommunikation und Mängel in der Politik

16 Minuten
Der Virologe Christian Drosten

Wie sprechen Wissenschaft und Medien eigentlich über Corona? Und mit wem? Warum erreichen sie so viele Menschen nicht mit den Fakten? Was ist schief gelaufen in den vergangenen zwei Jahren Pandemie-Berichterstattung?

In der neuen Folge des Pandemia-Podcasts wollten Nicolas Semak, Laura Salm-Reifferscheidt und ich einen kritischen Blick auf unser eigenes Tun werfen. Wir haben dafür auch zwei Menschen, die in den vergangenen zwei Jahren sehr viel und sehr erfolgreich kommuniziert haben, zu ihren Erfahrungen befragt: Mai Thi Nguyen-Kim und Christian Drosten.

In der Pandemia-Folge spielen wir Ausschnitte aus den beiden Gesprächen. Die Langfassung gibt es als Bonus-Episoden – und hier für alle als Transkript nachzulesen. Wir haben das Gespräch zur besseren Lesbarkeit ein wenig gekürzt und sprachlich geglättet. 

Ich habe mit so etwas wie Omikron nicht jetzt schon gerechnet.

Pandemia: Sie haben in der 99. Folge des Coronavirus-Updates gesagt, die Wissenschaft habe „geliefert“ und die großen Linien seien jetzt im Grunde klar. Das klang so ein bisschen nach: „Meine Arbeit ist getan.“ Jetzt ist Omikron da und jetzt gibt es wieder sehr viel Bedarf, die Neuigkeiten einzuordnen. Kommen jetzt doch noch mal 100 Folgen?

Drosten: Das würde ich so nicht sagen, aber es ist schon eine interessante Frage. Ich habe einfach mit so etwas wie Omikron nicht jetzt schon gerechnet. Ich habe eigentlich gedacht, das ist etwas für den nächsten Winter. Das ändert schon ein bisschen die Situation.

Pandemia: Jetzt haben die Menschen ein wahnsinniges Informationsbedürfnis und es wird ja auch stundenlang über Omikron geredet. Aber vieles ist schon hundertmal gesagt worden, vor allem, dass wir mehr impfen müssen. Verzetteln wir uns manchmal im Detail, statt die einfachen Botschaften rüberzubringen?

Drosten: Ich glaube, man verzettelt sich vor allem in der Umsetzung. Das ist ja das große Problem in der ganzen Pandemie und das haben wir hier natürlich auch. Wir wissen jetzt, nachdem die neuesten Immunitäts-Daten da sind, dass sich eigentlich nichts geändert hat an den Empfehlungen. Man muss alle Impf-Lücken schließen und man muss boostern. Die Frage ist: Gibt es genug Impfstoff? Wie bringt man das an die Leute? Und da ist die Langsamkeit.

Pandemia: Ich finde es so erstaunlich, dass wir jetzt eine Bevölkerung haben, die irgendwie über Inzidenzen und Impfstoffe und Virus-Varianten diskutieren kann, auch dank des Podcast, wir aber gleichzeitig in der Bewältigung der Pandemie, zumindest hat man manchmal das Gefühl, nicht so viel besser dastehen als 1918 – und wir haben diese riesige Impflücke. Woran liegt das?