Zum Nachtzug-Jubiläum ein Rad- und Bahn-Wagnis bis Rom: 4 Tage durch Bayern, 14 Stunden im Sitzwagen

Schlafwagen gibt es seit 125 Jahren und endlich wieder häufiger. Aber Plätze sind teuer, oft frühzeitig ausgebucht – und Sitzwagen schrecklich! Wirklich? Dass dem nicht so sein muss, erfuhr ich – inklusive viertägiges „Vorspiel“ zum Nightjet – auf meiner Reise nach Italien.

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Selbstporträt des RadelndenReporters, der, trotz verschlafenem Gesichtsausdruck und wirrem Haar vor der Bahnhofs-Aufschrift „Roma“ den rechten Daumen nach oben reckt.

Liebe Leser·innen, tagelang in Bahn oder Bus unterwegs zu sein, macht Ihnen nichts aus? Dann wundern Sie sich vielleicht darüber, dass ein Norddeutscher umständlich per Zug, Fahrrad und verteilt auf vier Tage bis Süddeutschland reist, bloß um dann eine Nacht lang still zu halten. Nicht in einem Haus oder Zelt, sondern im Nachtzug nach Rom, den sich der RadelndeReporter für ein kurioses Experiment reserviert hat. Davon und von den Tipps zum Nightjet über die Alpen wird gleich zu lesen sein. Zuvor muss das Motto dieser Tour von der Trave an den Tiber aufs Tapet: Wenn schon reisen, dann eine möglichst ausgiebige Reise machen!

Anfang April fuhr ich von Holsteins Ostsee 700 Kilometer per Bahn nach Oberfranken, im Norden Bayerns. Meinen Nachtzug nach Rom bestieg ich in Südbayern erst vier Tage später, mit knapp 400 Fahrrad-Kilometern in den Beinen.

Die frostigste Radreise meines Lebens; und trotzdem wunderschön!

Im Vordergrund zwei sonnenbeschienene, quietschbunt bemalte Eier; im Hintergrund ein Bayerisch-schwäbisches Rathaus.
Rain, unweit der Lechmündung in die Donau, kommt zu Ostern schwäbisch aufgeräumt und bayerisch protzig daher ‒ mit Schmuckeiern, deren Längsdurchmesser mehr als einen halben Meter betragen.
Der mit dicken Radklamotten und neonfarbener Leuchtweste ausgerüstete RadelndeReporter lächelt, an einem trüben Morgen auf den Lenker seiner Rennrads gestützt, skeptisch in die Kamera..
Vor dem Rathaus, auf dem Marktplatz von Lübeck, startet der Reporter mit Beginn der Karwoche zu seiner Trave-Tiber-Reise bei unangenehmen Minusgraden.
„Die ganze Welt in deiner Stadt – weil wir Hamburg sind“, lobhudelt eine futuristische Litfaßsäule vorm Ausgang Kirchenallee des Hauptbahnhofs, von dem ein stattlicher Turm mit Uhr zu sehen ist, welche etwa 7 Uhr 40 anzeigt.
„Die ganzen Baustellen der Welt in deiner Stadt“, denkt der Reporter bei seiner Umstiegspause vor dem Hamburger Hauptbahnhof.
Kartenausschnitt mit Teilen Mittel- und Südeuropas, auf denen eine von Nord nach Süd laufende Route über die Alpen markiert ist
Rund 2.200 Kilometer legte der Reporter in der Karwoche 2023 zurück, um von Lübeck nach Rom zu gelangen. Rot-grün-rote sowie rosafarbene Linien markieren Zugabschnitte; die vier kurzen mittleren Strecken liegen in Bayern und sind die Fahrradetappen des Autors.
Im Vordergund bereiten sich Menschen auf Gletscherglände für eine Hochtour vor; das Hintergrund zeigt das atemberaubende Pergpanorama des nördlichen Monte Rosa.
Wie vor zwanzig Jahren ins Valais? – Vielleicht muss der RadelndeReporter nächsten Winter für länger und ohne Velo sein Auskommen in der Westschweiz suchen. Mit dem Foto machte seinerzeit die Süddeutschen Zeitung eine ganzseitige Reportage des Autors zum Thema Höhenmedizin auf; links der Liskamm (4.527 Meter), rechts das Matterhorn (4.478 Meter).
Hinter einem Schienenstrang zeigen sich erste Frühjahrsblüher, Häuser und, auf einem Berg thronend, die Burg namens Veste Coburg.
Am Blauen Montag 2023 (= Karmontag) stehen mittags die botanischen Zeichen in Coburg auf „Frühling“ und die Signalzeichen für den ICE 93 auf „Abzweig von der Haupttrasse“.

Wie soll ich bei dieser Saukälte den Tag auf dem Sattel überleben, wenn ich solche Bedingungen an der Ostsee nur zwei Trainings-Stunden durchhalte?

Mit Radhelm und Kälteschutz vermummter Reporter grinst im Dunkeln in die Kamera und zeigt mit der Rechten auf den Vollmond im Firmament.
Wenn man sich schon nicht über gefühlte minus 9 Grad Celsius Anfang April freuen kann, dann zumindest über den Vollmond.
Sonnenaufgang über der Fränkischen Schweit, hinter dem Main-Donau-Kanal, an dem, den Lenker gen Norden berichtet, das Rennrad des Reporters steht.
Ein warm machender Anblick bei –5 Grad Celsius. Aber lassen Sie sich nicht in die Irre führen, liebe Leser·innen: Der Reporter lehnte sein Rad entgegen der Tourrichtung an einen Pfahl; zurück in den noch kälteren Norden wollte er auf seiner Radreise Anfang April keineswegs.
„Nein zur Stromtrasse P53“ heißt es auf einem großen Plakat auf einer Wiese vor Häusern des Dorfes Obermainbach.
Bayern hat teils phänomenale Rad-, aber zu wenig Strom-Trassen.
Das Rennrad des Reporters lehnt in der Sonne an einem noch unbelaubten Baum, am Rande eines Asphaltwegs; durch die Bäume schimmert Flusswasser.
Aus Sicht Ende April laublos öde, zu Monatsbeginn, bei Minusgraden, pures Radfahridyll: Aalglatte „Piste“ zwischen Ronwaldsiedlung (Fürth) und Regnitz (blaue „Fluss-Flecken“) – einer der schönsten Abschnitte auf der gesamten Bayerntour.
Heller Steinmensch steht neben Eisenfahrrad auf einer Wiese vor Feld und Wald
Inspirierend für einsam Reisende in weiter Flur: Der vor Georgensgmünd zwischen Feldern stehend Radfahrer der 2020 verstorbenen Steinbildhauerin Verena Reimann.
Ansicht von der Straße schräg nach oben zur ockerfarbenen Kirche mit den Renaissance-Kuppeln.
Inspiriert von Sant'Andrea della Valle in Rom: Die Theatinerkirche in München.

In der Nacht gut auf die Wertgegenstände aufpassen!

Zugbegleiter des Nightjet 295 nach Rom

Dass „die Italiener“ im Apennin eine knappe Stunde Verspätung eingefahren haben, ist mir nur recht. Denn seit Florenz, wo der Nightjet gegen 6.45 Uhr Station macht, habe ich auf dem Regenradar heftige Niederschläge im Blick, die sich anschicken, Rom gründlich zu duschen.

Als ich Punkt 10 Uhr im Endbahnhof Roma Termini den Zug verlasse, stapfe ich beseelt vorbei an Bahnsteigpfützen, in denen sich bereits wieder die Sonne spiegelt. Mein Sattelpack geschultert, marschiere ich erst zum hellgleißenden Trevi-Brunnen, dann zur Garibaldi-Brücke. Dort kann ich, vor fünf Tagen an der Trave gestartet, mein Reiseglück kaum fassen.

Tiber, Trevi, Termini, ich komme zurück – gerne wieder im Sitzwagen!

RadelnderReporter

Unter dramatischem, rot-sonnig-beleuchtetem Wolkenhimmel ragen die altehrwürdigen, prachtvollen Gemäuer am noch menschenleeren Forum Romanum auf.
Triumphale Szenerie: Sonnenaufgang nach regenreicher Nacht am Forum Romanum: Vor dem Kolosseum fotografisch angeschnitten ist der Triumphbogen, errichtet zu Ehren Kaiser Konstantins für dessen Sieg bei der Milvischen Brücke (im Jahre 312) über Widersacher Maxentius.
In gleißendes Morgenlicht gehüllter Barock-Brunnen aus hellweißem Marmor.
„Trevialer“ Schauplatz: Bereits am frühen Vormittag ist der von den Massen geliebte Trevi-Brunnen von Gaffern und Geld-Werfenden umlagert. Einschlägige Reiseführer schätzen die täglich aus dem Brunnen geklaubten Münzsummen auf um die 3.000 Euro pro Tag.
Im Hintergrund die Kuppel des Petersdoms, im Vordergrund ein in Purpurfarben blühender Baum, der hinter einer Mauer einer Palastruine steht.
Kardinaler Gruß vom Palatin: Der kilometerweit entfernte Petersdom scheint direkt hinterm Mons Palatinus aufzuragen, an dessen Nordrand ein Bäumchen in kardinalstypischen Farben blüht.