Einzelzellbiologie: Das System des Lebens verstehen und Gesundheit erhalten

Ein Besuch im Berliner Max Delbrück Center, wo Forschende beginnen, ganze Gewebe und Organe mit Hilfe gigantischer Datenmengen besser zu verstehen. Sie erhoffen sich Antworten auf einige große Fragen: Wie funktioniert das Leben? Was ist Gesundheit? Wie entstehen Krankheiten?

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Eine Zeichnung symbolisiert, wie aus Daten Informationen über lebendige Prozesse werden. Im Zentrum eine skizzierte DNA, daneben ein Gesicht im Profil.

So richtig aufgeräumt ist dieses Labor nicht. Pipetten, durchsichtige Flaschen mit Reagenzien, Magnetrührer, bunte Mikroröhrchen in grauen Plastikständern, Tropfflaschen: Alles steht durcheinander. In der Ecke liegen Handschuhe, ein Laborkittel, Plastikschachteln.

Ich betrachte in Ruhe das Bild, und bin sofort überzeugt, dass Ordnung hier keine große Rolle spielen muss. Wenn irgendjemand weiß, welche geheimen Muster einem scheinbaren Chaos zugrunde liegen und welche wesentlichen Informationen sich aus unüberschaubar komplexen Systemen herauslesen lassen, dann sind es die Leute, die hier arbeiten.

Hunderttausende Gene in hunderttausend Zellen

Emanuel Wyler ist einer von ihnen. Er wird uns noch erklären, wie es in diesem Durcheinander gelingt, die Aktivität hunderttausender Gene aus fast ebenso vielen verschiedenen Zellen zu messen – und zwar gleichzeitig und für jede Zelle einzeln. Hier, das heißt am MDC-BIMSB: dem Berliner Institut für medizinische Systembiologie. Es gehört zum Max Delbrück Center für Molekulare Medizin, einer der führenden biomedizinischen Forschungseinrichtungen, finanziert vom Bund und dem Land Berlin

Eine andere ist Janine Altmüller. In ihrem – übrigens sehr aufgeräumten – Labor entdecke ich sündhaft teure, ultramoderne Apparate. Es sind die Maschinen, die Ordnung in das Chaos bringen. Oder die – je nach Standpunkt – das Chaos erst so richtig verursachen mit den massenhaft von ihnen gesammelten Daten, die Menschen wie Altmüller schließlich ordnen, um mehr oder weniger verborgene Muster darin aufzuspüren.

Eine Hand hält ein rechteckiges durchsichtiges Plastikgefäß, das mehrere Vertiefungen hat. Der Hintergrund zeigt unscharf Laborbedarf.
In einem Labor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie erfassen Forschende mit Hilfe spezieller Apparaturen parallel die Aktivität hunderttausender Gene aus einer Probe mit fast ebenso vielen verschiedenen Zellen.
Ein junger Mann mit Brille schaut direkt in die Kamera. Mit dem linken Arm deutet er auf einen Computermonitor.
Der Molekularbiologe Emanuel Wyler erklärt, warum manche Lungenzellen anders sind als andere und was das mit dem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe zu tun hat.
Ein mittelalter Mann mit hoher Stirn blickt vom Bildrand in die Kamera. Er ist etwas unscharf. Im Zentrum des Bildes ein Monitor, auf den der Mann zeigt. Darauf ein Bild von vielen Körperzellen.
Der Systembiologe Nikolaus Rajewsky begeistert sich über die Möglichkeiten der molekularen Histologie. Sie kombiniert Bilder von Geweben mit Daten der Molekularbiologie einzelner Zellen.
Im Zentrum eines grün beleuchteten Raums steht ein schwarzer Monitor mit der Aufschrift GeoMx. Rechts davon sieht man halb von hinten eine mittelalte Frau, die auf den Monitor blickt.
Die Genomikerin Janine Altmüller steuert ein Gerät, dessen Leistung vor kurzem noch unvorstellbar war. Es misst in räumlicher Auflösung, welche Gene wo in einem Gewebe aktiv sind und welche nicht.