Black Birders Week – wenn Vogelbeobachter gegen Rassismus kämpfen

Nach einem Zwischenfall im Central Park und dem Tod von George Floyd werben schwarze Naturfreunde in den USA um Anerkennung

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
7 Minuten
Zu sehen ist die junge Ornithologin Corina Newsome, die mit einem Fernglas in der Hand in einem Sumpf bis zur Hüfte im Wasser steht.

Am selben Tag, an dem der inzwischen auf tragische Weise weltweitbekannte George Floyd in Minneapolis durch den Kniedruck eines Polizeibeamten einen grausamen Erstickungstod starb, hätte dem Vogelbeobachter Christian Cooper im New Yorker Central Park ähnliches passieren können. Cooper, ein hochgewachsener schwarzer Mann, war wieder einmal unterwegs, um die Vogelwelt in den „Rambles", einem eher naturwüchsigen Teil des Parks, zu genießen.

Dabei fiel ihm eine Frau auf, die ihren Hund frei laufen ließ. Cooper, engagierter Vogelbeobachter und Naturschützer (in diesem Video ab Minute 2:20), Comic-Autor und Redakteur für biomedizinische Schriften, wies die Frau auf die Leinenpflicht in diesem Teil des Parks hin. Er bat sie, für einen freien Auslauf in einen speziellen Teil des Parks zu gehen, was die – weiße – Frau ablehnte.

Der anschließende Streit ist auf einem Video dokumentiert, das in den darauffolgenden Tagen um die Welt ging und in großen Medien wie CNN und New York Times zu sehen war. Es zeigt, wie die Frau zunächst damit droht, Cooper bei der Polizei falsch zu beschuldigen und dann tatsächlich ihr Telefon zückt, die Polizei anruft und den Beamten sagt, dass sie und ihr Hund von einem „afro-amerikanischen Mann bedroht" würden.

Der Vogelbeobachter und Landschaftsfotograf Ricky L. Jones fasst das Problem von Rassismus in der Natur in einem bitteren Rat an Weiße zusammen: „Wenn Du draußen in der Natur einen schwarzen Vogelbeobachter siehst, sag‘ Hallo, statt umzudrehen und in eine andere Richtung zu gehen – ich verspreche, dass wir nicht beißen.“

"Viele Menschen gehen davon aus, dass man die Natur nicht mag, wenn man Schwarzer ist“, sagte der Biologe Alex Troutman zu CNN – und das obwohl zum Beispiel zum Schutz der ersten US-Nationalparks schwarze Soldaten, die sogenannten buffalo soldiers, eingesetzt worden seien. Als er selbst für den US Fish and Wildlife Service gearbeitet und dabei eine Uniform getragen habe, hätten ihm viele Menschen seine Rolle nicht abgenommen: „Sie fragten, warum ich hier sei und wollten meinen Ausweis sehen.“

Dargestellt ist der schwarze Vogelexperte David Lindo mit ausgebreiteten Armen und einem Fernglas um den Hals.
David Lindo ist „urban birder“ und erzählt von seinen Erlebnissen in einem gleichnamigen Buch. Im April 2018 war er in Berlin zu Gast, wo er Interessierte durch den Volkspark Friedrichshain führte.
Zu sehen ist Corina Newsome mit einem Fernglas um den Hals in der Natur, vor einem Gewässer.
Es reicht nicht, sich nicht rassistisch zu verhalten, jeder müsse vielmehr aktiv gegen Rassismus eintreten, fordert Corina Newsome.

Zu den Initiatorinnen gehört Corina Newsome, eine 27 Jahre alte Frau, die an der Georgia Southern University gerade einen Master-Studiengang in Biologie absolviert und dabei Bedrohung und Schutz einer Unterart der Strandammer (Ammospiza maritima macgillivraii) erforscht. Als „Hood Naturalist“ hat Newsome weit über 50.000 Twitter-Follower, die sie über Vogel- und Naturschutzthemen informiert. Und über Rassismus.

Den Vögeln ist die Hautfarbe egal

Zwei Tage nach dem Vorfall im Central Park und dem Tod von George Floyd veröffentlichte sie ein Video auf Twitter, in dem sie Menschen dazu auffordert, mehr als nur „nicht rassistisch“ zu sein, sondern eben aktiv anti-rassistisch. Nur wenn man sich dem Rassismus entgegenstelle, verändere sich etwas zum Guten.

Die „Black Birders Week“ – offenbar die erste ihrer Art – trifft auf große Resonanz, die großen Naturschutzorganisationen wie Audobun geben den schwarzen Birdern eine Bühne – wohl wissend, dass sie selbst allzu lange auch Teil des Problems waren. „Viel zu lange wurde Schwarzen in den Vereinigten Staaten gesagt, dass Aktivitäten in der Natur nichts für sie sind“, kritisiert Newsome in ihrem Videoaufruf zur Aktionswoche.

Diese Zeiten sollen nun vorbei sein. Vielen Tweets im Rahmen der Kampagne bringen eine große Erleichterung zum Ausdruck, endlich als schwarze Birderin oder als schwarzer Birder öffentlich in Erscheinung zu treten, stolz darauf zu sein und Anerkennung dafür zu bekommen.

Es sind Geschichten von jungen Menschen aus Großstädten, die nie geglaubt hätten, mal in freier Natur zu übernachten, von schwarzen Frauen, denen gesagt wurde, dass Camping einfach nichts für sie sei – und vor allem auch von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die im Naturschutz, der Ökologie und der Ornithologie ihre Berufung gefunden haben.

Inmitten der landesweiten Proteste gegen Rassismus schicken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Black Birders Week und alle, die sie unabhängig von ihrer eigenen Hautfarbe unterstützen, ein klares Signal: Die Natur ist für alle da. Dass so eine Aktion überhaupt nötig ist, erscheint natürlich traurig. Umso wichtiger ist es aber, dass sie stattfindet.

Christian Cooper, der mit seiner riskanten Konfrontation im Central Park die ganze Sache ins Rollen gebracht hat, ist längst zurück in den „Rambles“ – mit dem Fernglas um den Hals. „Wir sollen hier draußen sein“, sagte er der New York Times, „die Vögel gehören zu uns allen. Den Vögeln ist es egal, welche Hautfarbe jemand hat.“

Eine Auswahl von Tweets aus der „Black Birders Week“

Am 4. Juni läuft die Aktion unter dem Hashtag #BirdingWhileBlack und am 5. Juni unter dem Hashtag #BlackWomenWhoBird.

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