Ein bisschen Optimismus

Rezension von Harald Welzers Buch „Alles könnte anders sein“

vom Recherche-Kollektiv die ZukunftsReporter:
4 Minuten
Kinder halten junge Pflanzen in den Händen.

In seinem neuen Buch beschreibt der Sozialwissenschaftler Harald Welzer eine Utopie für unsere Gesellschaft: Wir können nachhaltig leben, ohne die Natur auszubeuten. Wir müssen bloß anfangen und sollten nicht auf Politik und Wirtschaft warten. Doch am Ende werden wir für eine wirkliche Transformation der Gesellschaft alle Kräfte brauchen.

Vor einigen Tagen ist die Verkehrskommission der Bundesregierung damit gescheitert, einen Plan vorzulegen, der die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 erfüllt. Die Arbeit sei ja noch nicht abgeschlossen, tröstet die Kommission in einer Stellungnahme. Man kann darüber enttäuscht sein, dass es wieder einmal nicht gelungen ist, etwas zu vereinbaren, was praktisch alle für nötig halten. Ist es nicht eine zentrale Aufgabe der Politik, diese Probleme zu lösen? Doch Harald Welzer empfiehlt eine optimistischere Sicht auf die Dinge: Wenn man etwas erreichen will, darf man nicht dauernd klagen und den Schuldigen für die Blockade suchen. Man muss einfach anfangen – und zwar selbst. „Geschichte ereignet sich nämlich nicht, wenn man zuvor alles durchdacht hat“, schreibt der Sozialwissenschaftler und Publizist in seinem neuen Buch „Alles könnte anders sein“. „Sie wird gemacht, indem man vom Pfad abweicht.“

Ein Einwand liegt auf der Hand: Zeigt nicht das Beispiel der Verkehrskommission aufs Neue, wie schwierig die Probleme unserer Zeit sind? Seit dem Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro, auf dem der erste Weltklimavertrag unterschrieben wurde, sind die CO2-Emissionen weltweit um mehr als 60 Prozent gestiegen – und sie steigen noch immer. Ist das nicht Grund genug zum Verzweifeln? Die Chance, den Temperaturanstieg wie vereinbart auf deutlich unter zwei Grad zu halten, liegt wegen des langen Zögerns inzwischen fast bei null. Es ist also nicht mehr fünf vor, sondern längst fünf nach zwölf.

Solchen Äußerungen begegnet Harald Welzer mit der Forderung, den Propheten des Untergangs endlich die Uhr wegzunehmen. Er beschreibt stattdessen eine alternative Lebenseinstellung, die es uns erleichtern würde, den Planeten nicht zu zerstören. Sein Ziel ist zu „restaurieren, was beschädigt worden ist“. Also den Plastikmüll wieder einsammeln, begradigte Flüsse renaturieren, den abgeholzten Regenwald wieder aufforsten und CO2-Emissionen einsparen. Hier sieht Welzer keinen hoffnungslosen Fall, sondern viele engagierte Menschen auf einem guten Weg. Sie versuchen, die Wachstumslogik der Wirtschaft zu durchbrechen, weil wir dadurch über Jahrzehnte die Ressourcen der Erde ausgebeutet haben.

Cover von Harald Welzers neuem Buch „Alles könnte anders sein“
Harald Welzers neues Buch „Alles könnte anders sein“