Von amerikanischem Boden

Zum ersten Mal seit neun Jahren startet Amerika seine Astronauten wieder selbst. Es bleibt eine kleine Zeitenwende, denn die neuen Ziele der Raumfahrt liegen weit hinter der ISS.

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
18 Minuten
Zwei Astronauten, deren Helme man sieht, blicken auf blau schimmernde Touchscreens im Cockpit der Kapsel Dragon-2

Es wird anders als bei den Starts der letzten neun Jahre sein: Es wird kein Baum gepflanzt in der Allee, deren erster Baum von Juri Gagarin stammt. Kein russisch-orthodoxer Priester weiht die Rakete, die auch nicht tief aus der kasachischen Steppe emporsteigen wird. Doch Symbole wird es dennoch zu Hauf geben: Zwei Veteranen des Space Shuttle-Programms werden mit zwei elektrogetriebenen Tesla X-Sportwagen zum Startkomplex 39A des Kennedy Space Center gebracht, von dem vor fünf Jahrzehnten die ersten Menschen zur Oberfläche des Mondes aufbrachen. Douglas Hurley und Robert Behnken werden in nagelneuen, eng anliegenden Druckanzügen die neue Gangway entlang schreiten und in einer windschnittigen, geräumigen Kapsel Platz nehmen. Und sie werden zur Internationalen Raumstation fliegen, am 30. Mai 2020 um 21:33 Uhr (MESZ), und zwar, wie US-Politiker vollmundig betonen, from American soil once again.

Kaum etwas hat die US-Raumfahrt so sehr herbeigesehnt wie die Wiederaufnahme von eigenen Raumflügen mit Frauen und Männern an Bord. Seit 2011 mit der Atlantis das letzte Space Shuttle auf eben jenem amerikanischen Boden aufsetzte, waren US-Astronauten und mit ihnen die Kollegen von der ESA, aus Kanada und Japan auf russische Sojus-Raketen und -Kapseln angewiesen, die ihre Arbeit vorzüglich erledigten: Seit 2011 brachten sie 98 Raumfahrer sicher zur Station, nur zwei erlebten 2018 einen Fehlstart, den sie aber dank des Startabbruchsystems der Sojus-Rakete leicht verletzt überlebten.

Jetzt ist SpaceX am Zug: Zwar soll auch Konkurrent Boeing mit dem CST-100 Starliner Menschen zur ISS bringen, wegen diverser Fehler beim unbemannten Testflug aber wohl kaum noch in diesem Jahr. Schon die nun startende Kapsel Dragon 2 ändert den Betrieb: Die Station wird voller, wissenschaftlicher und internationaler.

Was passiert bei Demonstration Mission-2?

Es handelt sich um den ersten Start der neuen Kapsel Dragon-2 mit Menschen an Bord. Für Dragon-2 hat Hersteller SpaceX den gut erprobten unbemannten Frachter Dragon weiterentwickelt, der schon seit 2010 regelmäßig Nachschub zur ISS liefert. Die neue Kapsel ist von SpaceX für bis zu sieben Insassen ausgelegt, allerdings wird die NASA damit höchstens vier Raumfahrer starten lassen. Im März 2019 flog die Kapsel zum ersten Mal unbemannt.

Die Astronauten an Bord, Douglas Hurley und Robert Behnken, sind Urgesteine des Space Shuttle-Programms und waren bereits zweimal im All; Hurley steuerte den finalen Flug des Space Shuttles als Pilot. Beide fliegen nun innerhalb von 24 Stunden zur Raumstation und werden das automatische Andocken überwachen.

Im Zentrum der kurzen Mission DM-2 sollte hauptsächlich das neue Raumschiff selbst stehen, hieß es ursprünglich. Weil die ISS derzeit mit drei Raumfahrern recht unterbesetzt sind, sollen Hurley und Behnken laut NASA aber zwei bis drei Monate bleiben. Sie sollen die ISS-Crew bei ihrer Arbeit unterstützen. Diese erste Dragon-2 ist für 110 Tage im All ausgelegt, später fliegende Modelle sogar für 180 Tage. Die Dragon-Kapsel soll im Juli oder August im Atlantischen Ozean landen.

Astronauten Douglas Hurley und Robert Behnken im Raumanzug vor einem NASA-Schriftzug
NASA-Astronauten Douglas Hurley (rechts) und Robert Behnken (links)
Der Horizont, die untergegangene Sonne ist nicht mehr sichtbar, im blauen Licht die Dragon-Kapsel mit der Gangway, über die Astronauten sie betreten werden.
Kapsel Dragon-2

Lesen Sie auch: