Weiter Ärger mit der Expansion

Rolf-Peter Kudritzki im Interview darüber, warum es ebenso schwierig wie wichtig ist, die Hubble-Konstante genau zu bestimmen

15 Minuten
Aufnahme von Galaxien.

Seit Jahren debattieren Astronomen und Kosmologen darüber, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Denn die Messungen der heutigen Expansionsrate des Universums, der so genannten Hubble-Konstanten, scheinen nicht gut mit jenen Werten übereinzustimmen, die Kosmologen aus den Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung dafür herleiten. Weltraumreporterin Felicitas Mokler hat bereits auf einer internationalen Konferenz 2014 und noch einmal ganz aktuell bei dem Astrophysikprofessor Rolf-Peter Kudritzki vom Exzellenz-Cluster Origins in München nachgefragt, was das zu bedeuten hat.

Dem Interview vorangestellt habe ich eine kleine Einführung zur Bedeutung der Hubble-Konstanten in der Kosmologie und den Grundlagen der kosmologischen Entfernungsbestimmung. – Das wissen Sie schon? Dann springen Sie doch gerne gleich zum Interview weiter unten.

Weiter Ärger mit der Expansion – Ein Interview mit dem Astrophysiker Rolf-Peter Kudritzki

Die Hubble-Konstante auf ein Prozent genau zu bestimmen, ist eine Herausforderung. Rolf-Peter Kudritzki und seine Kollegen waren auf einem Workshop 2014 in Garching zuversichtlich, dass dies innerhalb der darauffolgenden Dekade gelingen kann. Mittlerweile sind die Messungen genauer geworden, zugleich scheint sich aber die Diskrepanz zu der Herleitung der Hubble-Konstanten aus dem kosmischen Mikrowellenhintergrund immer mehr herauszukristallisieren.

Felicitas Mokler: Herr Kudritzki, Sie hatten 2014 gemeinsam mit drei Kollegen den ersten Workshop am neu gegründeten Munich Institute for Astro- and Particle Physics organisiert. Rund 50 Astronomen haben sich dort vier Wochen lang intensiv mit den verschiedenen Aspekten der extragalaktischen Entfernungsmessung und dem damit verbundenen Problem der exakten Bestimmung der Hubble-Konstanten befasst. Ein weiteres Mal sind die Forscher zu diesem Thema 2018 zusammengekommen. Was ist so besonders an dieser Art einer Tagung?

Rolf-Peter Kudritzki: Für mich ist es sehr wichtig, die Kollegen, die an den unterschiedlichen Methoden arbeiten, an einem Ort beisammen zu haben, und sich Zeit zum Austausch zu nehmen. Denn selbst, wenn man die meisten dieser Verfahren mittlerweile sehr gut kennt: Wir diskutieren auch solche Dinge, die man bei einem gewöhnlichen Vortrag oder einer Publikation eher außen vor lässt, obwohl man eigentlich weiß, dass sie existieren. Nach jedem Vortrag gibt es halbstündige Diskussionen, bei denen die Leute die Probleme, die sie bei ihren Methoden sehen, sehr offen darlegen. Darüber wird sehr intensiv und heftig diskutiert, aber ohne sich zu streiten. Das finde ich sehr fruchtbringend.

Wie steht es mit dem Dialog zwischen Theoretikern und Beobachtern? Gibt es auch da einen engen Austausch?

Es sind viele Leute dabei, die immer beides gemacht haben, mich selbst eingeschlossen oder Giuseppe Bono von der Universitá di Roma Tor Vergata, aber auch viele andere. Ein solcher Ansatz ist einfach interessanter! Was die kosmische Entfernungsskala betrifft, kommen die Ideen oft von theoretischen Überlegungen, doch der Fortschritt wird schließlich empirisch erreicht. Und zwar, weil man der Theorie da nicht so ganz traut. Und das zu recht, denn die Theorie ist nicht immer so präzise, wie man sich das wünschen würde. Deshalb gilt es, empirisch genauer zu messen. – Das ist ähnlich wie in der Physik. Aber in der Teilchenphysik zum Beispiel scheint mir die Trennung zwischen Theoretikern und Experimentalphysikern etwas stärker ausgeprägt zu sein. Doch zumindest in unserem Gebiet der Astrophysik gibt es eine starke Wechselwirkung zwischen beiden Seiten.

Rolf-Peter Kudritzki
Rolf-Peter Kudritzki war von 1982 bis 2000 Direktor der Universitäts-Sternwarte München und leitete anschließend zehn Jahre das Institute for Astronomy der University of Hawaii, er forscht auch heute noch dort und nun auch wieder an der Universitäts-Sternwarte Muenchen. Außerdem leitet er seit Sommer 2012 das Munich Institute of Astro- and Particle Physics in Garching zusammen mit den Teilchenphysikern Martin Beneke und AndreasWeiler. Er ist Mitglied des Münchener Exzellenzclusters Origins.