Gibt es Leben im All?

Warum wir bislang nichts über Außerirdische wissen

von Stefan Oldenburg
6 Minuten
Ein winziger Himmelsausschnitt im Sternbild Schütze, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble. Wir sehen nur einen Bruchteil der sternenreichen Milchstraße – und stellen uns vor, wie viele dieser Sterne wohl von Planeten umkreist werden und auf wie vielen von ihnen wohl Lebensformen denkbar sind.

Blicken Neugierige erstmals durch ein astronomisches Teleskop, lässt die Frage „Sind wir allein im All?“ nicht lange auf sich warten. In diesem Artikel geht es um die Existenzwahrscheinlichkeit von Aliens – neun gute und zwei schlechte Gründe, warum wir noch nichts von Außerirdischen gehört haben.


These 1: Die Erde ist ein Einzelfall

Dass wir Erdlinge einzigartig seien, glauben immer weniger Wissenschaftler. Der Grund: Seit 1995 haben Astronomen nahezu 3800 extrasolarer Planeten in unmittelbarer kosmischer Nachbarschaft der Erde entdeckt. Viele nehmen daher an, so gut wie jeder der etwa 100 Milliarden Sterne der Milchstraße werde von Planeten umkreist. Die Zahl der Galaxien im gesamten Universum – von denen unsere Heimatgalaxie nur eine einzige ist – dürfte bei ebenfalls 100 Milliarden liegen. Die mögliche Anzahl der Planeten lässt die These, die Erde sei ein Einzelfall, folglich als unwahrscheinlich erscheinen. Gewiss ist eines: Über Leben in anderen Galaxien als der Milchstraße werden wir aufgrund der gigantischen Distanzen niemals Aussagen treffen können – es sei denn, die Grenze der Lichtgeschwindigkeit lässt sich irgendwie überwinden.

Nun stellt sich die Frage, wie viele der Planeten in der Milchstraße erdähnlich sind und wie viele von ihnen um sonnenähnliche Sterne kreisen. Als erdähnlich gelten Planeten aus Gestein, wenn sie über eine Atmosphäre verfügen und in der sogenannten habitablen Zone um einen Stern kreisen. Erik Petigura von der University of California in Berkeley glaubt nach Auswertungen von Daten der NASA-Kepler-Mission, dass die Zahl dieser erdähnlichen Planeten viel größer ist als bislang vermutet. In einer Studie aus dem Jahre 2013 schätzt er, „der nächste sonnenähnliche Stern mit einem erdgroßen Planeten in seiner bewohnbaren Zone (ist) vermutlich nur zwölf Lichtjahre entfernt“.

Die Frage, was Leben ist und welches die Bedingungen seiner Entstehung sind, ist natürlich erheblich komplexer als hier dargestellt. An dieser Stelle mag genügen, zwischen intelligentem Leben und nicht-intelligentem Leben zu differenzieren. Mit intelligentem Leben verbinden wir die Fähigkeiten zur Kommunikation und Besiedelung der kosmischen Nachbarschaft. Nicht-intelligentes Leben werden wir aufgrund der unüberwindbaren Entfernungen – falls überhaupt – nur entdecken können, wenn wir Atmosphären extrasolarer Planeten mit verfeinerten Methoden und sensibleren Instrumenten analysieren und darin verräterische Spuren finden. Das Extremely Large Telescope (ELT), das bis 2024 in der chilenischen Atacamawüste errichtet wird, dürfte Analysen dieser Art ermöglichen. Mit seiner Öffnung von 39,3 Metern wird es das weltweit größte optische Teleskop sein.


These 2: Wir übersehen die Signale der Aliens

Auch die Annahme, wir könnten Signale Außerirdischer übersehen, ist naheliegend. So ist es denkbar, dass wir auf Radio-Frequenzen suchen, auf denen Aliens gar nicht senden. Wir konzentrieren uns überwiegend auf die Frequenz der Radiowellen-Emission des Wasserstoffs. Aber vielleicht senden Außerirdische ganz andere Signale zur Erde, solche, die wir nicht als solche erkennen?


These 3: Wir haben noch nicht lange genug gesucht

Nun suchen wir erst seit den 1960er Jahren überhaupt nach Signalen extraterrestrischer Intelligenz. Daher ist es nicht abwegig zu vermuten: Dieses Zeitfenster ist erheblich zu klein für eine gute Chance, ein Signal zu entdecken. Wir müssen schlicht noch länger und intensiver suchen.


These 4: Aliens meiden den Kontakt zur Erde

Ebenfalls denkbar ist, dass wir irdische Lebewesen wie in einem Zoo hinter kosmischen Käfiggittern leben. Der erste Vertreter der These war der amerikanische Radioastronom John A. Ball. In seinem 1973 veröffentlichten Artikel „The zoo hypothesis“ präsentierte er seine Überlegung, wir Erdlinge seien zu langweilig oder zu uninteressant für außerirdische Zivilisationen. Zwar haben sie Kenntnis von uns, lassen uns aber im Glauben, wir seien allein. Die beiden Astrophysiker Carl Sagan und William I. Newman erweiterten diese These zehn Jahre später: Hoch entwickelte Zivilisationen handelten nach einem „Codex Galactica“, der junge und weniger entwickelte Spezies wie die der Menschheit vor Eingriffen schütze.


These 5: Aliens haben eine fremde Erscheinungsform

Angenommen, Aliens wären bereits auf der Erde oder zumindest im Sonnensystem: Wir suchen nur nach bekannten, erdähnlichen Erscheinungsformen von Leben und sind daher möglicherweise blind für extraterrestrische Lebensformen, die ganz anders funktionieren als unser auf Erbmolekülen der DNS basierendes Leben.


These 6: Aliens fehlt die Fähigkeit zur Kommunikation

Ein prominenter Vertreter dieser These ist der Astrophysiker Carl Sagan: Aliens könnten nicht – oder noch nicht – in der Lage sein, sich für uns Erdbewohner bemerkbar zu machen, weil sie vom Universum gar nichts wissen. Vielleicht sind sie Meeresbewohner oder leben unter einer dichten Wolkenschicht? Vielleicht haben sie noch keine Hochkultur entwickelt, die Voraussetzung zur Kommunikation?


These 7: Aliens sind zu weit weg – die Distanzen sind zu groß

Aus einem ganz anderen Grund kann es sein, dass die Bewohner der Erde allein sind und allein bleiben werden: Selbst wenn es intelligente Zivilisationen in unserer Galaxis gäbe, so sind die Distanzen womöglich zu groß, als dass sie jemals voneinander erfahren, geschweige denn in Kontakt miteinander treten könnten.


These 8: Aliens sind ausgestorben – das Zeitfenster ist zu klein

Unter der Annahme, dass intelligente Zivilisationen nur eine begrenzte „Lebensdauer“ haben, ist es wahrscheinlich, einander verpasst zu haben beziehungsweise einander in Zukunft zu verpassen.

Der Kosmos ist ein grundsätzlich lebensfeindlicher Ort. Die Gründe, weshalb die Lebensdauer ferner Zivilisationen endlich ist, und Leben längst erloschen sein kann, sind vielfältig. Denkbar sind etwa Supernovae in kosmischer Nachbarschaft, Gammastrahlenausbrüche, vagabundierende Sterne, die ein Planetensystem durcheinander würfeln, Asteroideneinschläge oder geologische Ereignisse wie irdische Supervulkanausbrüche. Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit der Selbstvernichtung. Denkbar ist auch, dass eine Zivilisation vor dem Ende ihres Zentralgestirns nicht rechtzeitig einen alternativen Planeten gefunden hat.


These 9: Der Homo sapiens als Nachfahre von Aliens

Spannend, nicht völlig abwegig – und im Streifen „Kampfstern Galactica 3“ von 1981 eindrucksvoll verfilmt – ist die Idee, der Homo sapiens stamme von Außerirdischen ab. Die Wissenschaftler Fred Hoyle, Chandra Wickramasinghe und John Watkins legten 1986 ihre Hypothese vor, Lebenskeime seien durch Asteroiden und Meteoriten auf die Erde gelangt: „Viruses from space and related matters.“ Die Biologen Francis Crick und Leslie Orgel argumentieren mit der bei allen irdischen Lebensformen verbreiteten Eigenschaft, dass zur Speicherung genetischer Informationen Nukleinsäuren dienen. Und da wir heute wissen, dass bestimmte Bakterien durchaus in der Lage sind, außerhalb der Schutzhülle unserer Erdatmosphäre zu überleben, ist diese These zumindest bedenkenswert.


Zwei Thesen ohne Relevanz, die viel über ihre Urheber preisgeben

Zu erwähnen ist die pseudowissenschaftliche „Prä-Astronautik“. Autoren wie den Schweizer Erich von Däniken, der 63 Millionen Bücher in den Umlauf brachte, kann man als frühe Verschwörungstheoretiker bezeichnen. Keine einzige These dieser Vertreter einer „fantastischen Wissenschaft“, die in Bauwerken früher Hochkulturen Werke Außerirdischer sehen, hat sich als haltbar erwiesen. Zumindest einen Beweis haben von Däniken und seine Kollegen zweifelsfrei erbracht: Auch mit Unfug lässt sich sehr viel Geld verdienen.

Als gleichermaßen unhaltbar haben sich sämtliche Thesen erwiesen, die in UFOs („Unidentified Flying Objects“) die Fahrzeuge Außerirdischer sehen, mit denen sie die Erde besuchen. Der Begriff „UFO“ selbst ist erst in den 1950er Jahren populär geworden. Diese Wortschöpfung hat der Air Technical Intelligence Center der US-Luftwaffe eingeführt, um von geheimen Neuentwicklungen militärischer Fluggeräte abzulenken. Stets spielt die Fantasie der Beobachter bei der Ausgestaltung von Sichtungsberichten eine entscheidende Rolle: UFOs entstehen erst im Hirn ihrer irdischen Entdecker. Auffällig ist, dass UFOs in den allermeisten Fällen als „fliegende Untertassen“ daherkommen. Man würde Aliens vermutlich Unrecht tun, wenn man ihnen unterstellt, sie hätten die lange Reise zur Erde in derart fantasielosen Konstruktionen angetreten. Wir dürfen vermuten, dass es sich eher um die beschränkte Fantasie erdgebundener Beobachter handelt.


Ausblick: Simulationen und Wurmlöcher

Freilich gibt es viele weitere Thesen, die zu ergründen versuchen, weshalb ein Kontakt mit Aliens bislang ausblieb. Eine interessante Idee präsentiert etwa der Film „Matrix“ von 1999: Wir seien Teil einer gigantischen Simulation. Auch die Vorstellung, Schwarze Löcher seien Eintrittspforten in Paralleluniversen, ist spannend. Zu beweisen oder zu widerlegen sind auch diese Thesen nicht, sie zeigen aber, wie sehr Gedanken über Außerirdische unsere Phantasie beflügeln.

Mit jeder neuen Entdeckung können sich unsere Annahmen grundlegend wandeln und es lüftet sich ein Schleier, so wie es das Beispiel der Exoplaneten zeigt: Noch in den 1980er Jahren gingen viele Astronomen von der Einzigartigkeit unseres Sonnensystems aus – heute wissen wir, dass Planeten in anderen Sternensystemen eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Wir dürfen auf die Erkenntnisse der kommenden Jahrzehnte gespannt sein.

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