Was wäre, wenn wir tatsächlich Aliens finden würden? – Teil zwei

Wenn wir Außerirdische finden würden, wären die eher Mikroben als grüne Männchen. Aber was würde ein solcher Fund für die Menschheit bedeuten – für gläubige Menschen oder auch unser Rechtssystem?

von Yvonne Maier
11 Minuten
Milchstraße

Im ersten Teil der Serie haben wir festgestellt, dass die Chance, dass wir intelligentes Leben treffen, ziemlich gering ist. Entweder sind sie zu weit weg von uns, oder wir empfangen ihre Nachricht (noch) nicht. Denn wir sind erst seit rund hundert Jahren dazu technisch fähig. Dennoch tauschen sich Astrophysiker, Juristen, Biologen, Philosophen und Theologen schon lange darüber aus, was wäre, wenn.

Warum wir uns Außerirdische überhaupt vorstellen können

Für uns heute ist die Vorstellung, dass es da draußen Leben geben könnte, gut vorstellbar. Nur darum machen wir uns Gedanken, was passieren würde, wenn wir es wirklich finden würden. Das Literaturgenre der Science Fiction befasst sich zu einem großen Teil genau mit dieser Frage des Kontakts zwischen Erde und außerirdischen Zivilisationen. Doch warum können wir uns überhaupt vorstellen, dass es dort draußen Leben gibt?

Wenn wir jemanden vor 500 Jahren gefragt hätten, der hätte uns nur verwundert angeschaut. Iris Fry, Philosophin und Wissenschaftshistorikerin an der Technischen Universität Israel in Haifa sagt, für diesen Sinneswandel sind zwei große Wissenschaftsrevolutionen in der Vergangenheit nötig gewesen, und zwar die Kopernikanische Revolution und Darwin: „Die Kopernikanische Revolution besagt: Die Erde ist ein Planet unter vielen. Die Sonne ist ein Stern unter vielen und unsere Galaxie ist eine Galaxie unter vielen anderen. Und unsere Erde ist nicht auserwählt für Leben.“

Erde ist der Normalfall

Nur wenn die Wissenschaft davon ausgeht, dass wir kein auserwählter Ort im Universum sind, ergibt es auch Sinn, nach außerirdischem Leben zu suchen. Erst dann können wir uns vorstellen, dass es da draußen noch mehr Planeten geben könnte, die einen ähnlichen Stern wie unsere Sonne haben, die ähnliche chemische Bausteine besitzen und auf denen sich ebenfalls Leben entwickelt haben könnte. Zumindest spräche erstmal nichts dagegen.

Und diese Theorie, auf der die gesamte Astrobiologe aufbaut, wäre ohne einen anderen großen Naturwissenschaftler nicht möglich, Charles Darwin, sagt Iris Fry: „Früher sagte man: Es gibt eine Kette des Lebens und die Menschen sind die Krönung der Schöpfung. Sie sind einzigartig und anders als andere Lebewesen. Darwins Theorie sagt: Menschen sind lediglich ein Teil der Natur. Wir haben uns aus anderen Lebewesen entwickelt, sind nicht besser als andere Tiere. Und das hat die Zielrichtung nach der Suche außerirdischen Lebens verändert.“

Nur vor diesem Hintergrund ergibt es Sinn, nach Bausteinen des Lebens im Weltall zu suchen, sei es nun Wasser, Aminosäuren oder Nukleinsäuren. Bei uns auf der Erde zumindest sind sie unverzichtbar für das Leben.

Ist Biologie universell?

Das Fantastische an einer Mikrobe aus dem Weltall wäre, dass sie uns sagen könnte, ob unsere Biologie im gesamten Universum gilt. So wie wir heute davon ausgehen, dass die Physik und Chemie überall gelten. Gravitation, Zeit und Raum sind überall gleich zu erklären. Sauerstoff reagiert mit Wasserstoff überall im Universum gleich. Doch funktioniert Leben überall nur mit Kohlenstoff-Verbindungen? Mit DNA? Wir wissen es nicht. Für die Wissenschaft wäre das wohl die größte Erkenntnis überhaupt.

„Meine Angst ist, dass wenn wir Leben auf dem Mars finden, dass es dann durchaus sein könnte, dass Mars- und Erdleben miteinander verwandt sind, dadurch, dass da Meteoriten hin- und herfliegen. Und dass wir uns dann darauf versteifen, Leben so zu definieren, wie wir auf der Erde es kennen.“ Dirk Schulze-Makuch, TU Berlin

Wie kam das Leben auf die Erde?

Denn es könnte sein, dass das Leben gar nicht auf der Erde entstanden ist, sondern huckepack auf Meteoriten aus dem Weltall mitgeflogen ist. Oder auf Meteoriten vom Mars. Das ist die eine Variante.

Die andere: Leben ist auf der Erde anders als auf dem Mars und anders als auf anderen Planeten. Es gibt nur bei uns DNA und Photosynthese. Woanders wird die Erbsubstanz stattdessen vielleicht auf magnetischen Elementen in Zellen gespeichert oder es gibt Lebewesen, die auf Ammoniaklösungen basieren und nicht auf Wasser.

Wenn man sich die unterschiedlichen Möglichkeiten ansieht, wie sich allein das Leben auf der Erde ausgeprägt hat, könnte sich Dirk Schulze-Makuch von der TU Berlin eine Menge vorstellen. Ein besonders anschauliches Beispiel sind die Karibikinsel Trinidad und der Jupitermond Titan. Auf Trinidad hat er flüssige natürliche Asphaltseen untersucht: „Da gibt es diese winzigen Tröpfchen, die sind zehn bis 100 Mikrometer groß. In ihnen haben wir richtig kleine Ökosysteme gefunden, wo Bakterien leben und Kohlenwasserstoffe abbauen.“ Auf dem Titan könnte er sich Ähnliches vorstellen. Dort gibt es viel Wasser und Wasseramoniakeis, und unter dessen Oberfläche vermuten Forscherinnen und Forscher einen gigantischen Ozean. „Wenn wir dort also ein bisschen innere Aktivität, also Hitze, haben, würde sich das Wasser mit den Kohlenwasserstoffen vermischen und wir könnten ein ähnliches Szenario haben, wie wir das in Trinidad sehen.“

Leben auf anderen Planeten könnte also extrem, aber ähnlich dem unseren sein, oder völlig anders. Beide Varianten wären spannend, doch die zweite ließe einen weitreichenden Schluss zu: „Wenn wir wirklich mit dem Leben auf dem Mars beweisen könnten, dass es ein unabhängiger Ursprung des Lebens war, das hätte dann schon Folgen. Weil wir dann sagen könnten, das Leben ist wahrscheinlich sehr häufig im Universum.“

Vielleicht sind wir doch einzigartig im Weltall

Man könnte dann behaupten, dass sich überall, wo sich die Möglichkeit ergibt, Leben entwickeln kann. Es würde den Forscherinnen und Forschern auch helfen, zu ergründen, wie Leben ursprünglich entstanden ist. Denn das weiß bisher keiner. Niemand hat die Entstehung von Leben bisher im Labor nachahmen können, so Dirk Schulte-Makuch: "Die Bedingungen, unter denen das Leben entstanden ist, sind wahrscheinlich sehr, sehr viel eingeschränkter, als die Bedingungen, unter denen Leben weiter überleben kann.“

Das spricht also eher dafür, dass wir allein im Weltall sein könnten. Denn obwohl es so viele Planetensysteme gibt, braucht es schon spezielle Bedingungen, damit Leben entsteht. Ganz zu schweigen von intelligentem Leben.

Wie würde die Menschheit auf Aliens reagieren?

Doch spekulieren wir weiter – und jeder von uns hat es ja schon im Fernsehen oder Kino gesehen: Intelligente Aliens landen auf der Erde; ein Signal einer intelligenten Zivilisation erreicht uns. Wie würde die Menschheit reagieren? Ähnliche Situationen gab es in der Geschichte schon ein paar Mal. Ein Vergleich am Beispiel der Entdeckung Amerikas durch die Europäer: „Zum Beispiel die Entdeckung Amerikas durch die Europäer. Das war nicht sehr schön, weder für die Azteken noch die Inkas. Beide Zivilisationen sind zerstört worden, zum Teil durch die Soldaten, aber auch durch Krankheitserreger, die die Europäer mitgebracht haben, gegen die die frühen Amerikaner nicht immun waren", sagt der Astronom und Historiker Steven Dick.

Das heißt – alles endet in Vernichtung und Tod? Nicht unbedingt. Denn mit solchen historischen Vergleichen muss man sehr vorsichtig sein, sagt Steven Dick. Es könnte auch ganz anders kommen: „Wenn man sich in der Weltgeschichte umsieht, findet man auch andere Beispiele. Zum Beispiel die chinesischen Handelsflotten aus dem 15. Jahrhundert, also noch vor Kolumbus. Sie waren mit tausenden Seeleuten an Bord unterwegs und haben die Zivilisationen in der Region in Asien nicht zerstört. Die chinesischen Neuankömmlinge haben zwar ihren eigenen Machtbereich vergrößert, aber ihnen ging es um den Handel.“

Man kann also nicht genau sagen, wie wir Menschen handeln würden, wenn wir außerirdisches Leben entdecken. Es hängt wahrscheinlich ganz von der Kultur und den sozioökonomischen Zusammenhängen ab, die dann herrschen, wenn wir den Kontakt aufbauen.

Glauben und Außerirdische

Eine Gruppe Menschen wird durch Außerirdische sicher besonders betroffen sein: gläubige Menschen. Wie kann der Gott, der uns nach seinem Bild geformt hat, auch der Gott von ET sein? Der Jesuitenpater Peter Mueller, Vizedirektor des Observatoriums des Vatikan, macht sich darüber überraschenderweise keine Sorgen: „Wenn wir nach dem Bild Gottes erschaffen wurden, dann heißt das nicht, dass wir gleich aussehen, sondern dass wir in uns etwas Ähnliches tragen. Und dann könnte es Lebewesen geben, die Gott ebenso ähnlich sind.“

Der Jesuitenpater will die Bibel in diesem und auch anderen Punkten nicht so wörtlich verstanden wissen. Es handele sich eher um eine philosophische Frage: Was bedeute es, im Zentrum der Aufmerksamkeit des christlichen Gottes zu sein? Über viele Jahrhunderte hinweg wurde das in der kirchlichen Kunst ganz wörtlich und damit symbolhaft übernommen. Und das wurde zum Beispiel Galileo Galilei zum Verhängnis, sagt Peter Mueller: „Er bekam Ärger, weil die Menschen glaubten, dass die Erde unbeweglich im Zentrum des Universums schwebe. Über die Jahrhunderte hinweg war das für Christen ein handfestes Symbol dafür geworden, dass wir im Mittelpunkt von Gottes Liebe und Aufmerksamkeit stehen.“

Und als Galileo sagte, wir sind nicht das Zentrum, sondern die Sonne – dann sei das als Angriff auf ein ganzes theologisches Weltbild verstanden worden. Ähnlich könnten christliche Menschen reagieren, wenn man Außerirdische findet. Sind die auch nach dem Bildnis von Gott geschaffen? Und ist der Gott von Paul Mueller auch deren Gott?

„Wenn Gott der Schöpfer des Universums ist, dann hat Gott alles erschaffen, auch die Außerirdischen. Es gibt die Bibel, Gottes Wort, und das Buch der Natur. Gott offenbart sich in beidem – die Natur ist sein Werk, wie wir Menschen auch. Wenn wir also außerirdisches Leben finden, offenbart sich Gott auch in ihnen. Es ist also eine Gelegenheit, noch mehr von Gottes Werk kennenzulernen. Es ist also meiner Ansicht nach keine Bedrohung für Gott, sondern nur eine weitere Offenbarung Gottes.“ Peter Mueller, Vizedirektor Observatorium des Vatikan

So eine Sichtweise kann natürlich nur der entwickeln, der aufgehört hat, die Bibel wörtlich zu nehmen. In einem theologischen Konzept, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und keine Interpretation der heiligen Schriften zulässt, lassen sich Außerirdische, vor allem, wenn sie intelligent sind, sicherlich nur schwer einbinden.

Gehört der Mars den Marsmännchen?

Doch es gibt nicht nur theologisch-philosophische Konzepte, die durch Außerirdische strapaziert werden könnten. Es gibt auch rechtliche Aspekte, die beachtet werden müssen. Einer ist besonders überraschend, sagt Margaret Race vom SETI-Institut. Und der betrifft wieder einmal die Mikroben: „Wir können nicht immer nur von uns Menschen ausgehen. Wir machen uns wenig Gedanken über Mikroben. Aber wenn wir Marsmikroben entdecken, verleihen wir ihnen dann Rechte? Wie definieren wir Leben in unseren Gesetzen?“

Für irdische Mikroben gelten momentan keine Lebensrechte. Jeden Tag schrubben wir hunderttausende von Ihnen allein mit der Zahnbürste in den Tod und denken uns nichts dabei. Doch Marsmikroben, die müssten doch sicherlich ein anderes Recht auf Leben haben, als Kariesbakterien, oder? Und mehr noch:

Gehört der Mars den Marsmännchen? Der Astrophysiker Carl Sagan hat mal gefragt: Wenn es Marsmännchen gibt, und seien es nur Mikroben, gehört der Mars dann ihnen? Das verändert alles.“ Margaret Race, SETI-Institut

Man muss sich ja nur mal vorstellen, ob es uns heute geben würde, hätte eine hoch entwickelte Zivilisation vor ein paar Milliarden Jahren gesagt: „Putzige Erd-Mikroben gibt es hier. Denen nehmen wir den Planeten einfach weg.“ Klingt nach Science Fiction, aber eine rechtliche Frage ist das schon, die zu klären wäre, sagt Margaret Race.

Was ist Leben? Und ab wann hat es welche Rechte? Und ab wann ist Leben „intelligent“? Solche Fragen sind schwierig zu beantworten, und das schon hier auf der Erde. Sind Delfine intelligent? Menschenaffen? Haben sie darum andere Rechte als Mikroben auf der Erde? Haben sie dieselben Rechte wie Menschen? Wie sollen wir den rechtlichen Status von außerirdischem Leben feststellen, wenn wir es nicht einmal auf unserem eigenen Planeten schaffen, Regeln zu finden, die nachvollziehbar sind?

Auf den Erstkontakt kann man sich nicht vorbereiten

Seit einigen Jahren nun sprechen Astrobiologen, Astronomen, Philosophen, Juristen und Theologen darüber, was es für die Menschheit bedeuten würde, wenn wir Außerirdische finden. Das sei eine gute Entwicklung, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Linda Billings von der NASA. Zwar haben die Naturwissenschaftler immer noch den Hut auf in solchen Gesprächen, aber dass sie diese Fragen nicht allein beantworten können, da sind sich mittlerweile alle einig.

Die Auswirkungen solch eines Kontakts sind einfach größer, als nur die Antwort auf die Fragen: „Sind wir allein da draußen?“ und „Ist auch die Biologie allgemeingültig?“. Doch dass wir uns auf den Erstkontakt vorbereiten könnten, hält Linda Billings für unmöglich: "Wir wissen nicht, wie die Welt aussehen würde, wenn wir außerirdisches Leben finden. Wer ist der Präsident der Vereinigten Staaten? Von Russland? Wie sieht die Regierung in China aus? Wir können natürlich spekulieren, aber wir können nicht vorhersagen, wie die kulturelle Umwelt aussehen wird, auf der ganzen Welt, aber auch lokal. Es fällt mir schwer zu glauben, dass wir uns auf so eine Entdeckung wirklich vorbereiten könnten.“

Wann wird es so weit sein?

Je nachdem, wen man fragt, bekommt man sehr unterschiedliche Aussagen darüber, wann dieser Moment eintritt. Die SETI-Forscher rechnen mit 20–30 Jahren, bis klar ist, ob auf dem Mars Mikroben leben und manche rechnen in diesem Zeitrahmen auch mit dem ersten Signal einer intelligenten Zivilisation aus dem All.

Andere sagen: Der extrastellare Funkkontakt ist so unwahrscheinlich, weil Leben so besondere Bedingungen braucht, um entstehen zu können, dass wir es in unserer Lebenszeit und auch lange danach nicht schaffen werden, außerirdisches Leben zu finden. Die Zeiträume des Universums und die Entfernungen sind nach ihrer Ansicht einfach zu gigantisch, als dass wir sie überwinden könnten. Zur Erinnerung: Die Menschheit hat erst vor 100 Jahren begonnen, mit Radiowellen zu arbeiten. Wir sind technisch dermaßen am Anfang, dass wir entscheidende Signale einfach verpasst haben könnten.

Außerirdische kann man nicht geheim halten

Eines ist aber sicher – wenn wir außerirdisches Leben finden, dann werden wir es wissen. Und zwar alle, sagt Astronom Steven Dick:

Es gibt die sogenanten SETI-Protokolle, die folgendes besagen: Zunächst bestätigst du deine Entdeckung, damit du keine falschen Gerüchte verbreitest und dann erzählst du jedem davon. Ich glaube sogar, dass man schon während die Bestätigung läuft, etwas davon mitbekommt, dass außerirdisches Leben gefunden wurde. Ich glaube nicht, dass man das geheim halten kann. Das würde auch kein Wissenschaftler wollen. Immerhin wären dann ein paar Nobelpreise fällig!“

Und die lässt sich so schnell keiner entgehen. Vor allem nicht mit der wahrscheinlich größten Entdeckung der Menschheitsgeschichte.

Das war der zweite Teil des Beitrags: „Was wäre, wenn wir Außerirdische finden würden?“ Den ersten Teil findet ihr hier.

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