Zukunft des Waldes: „Im Klimawandel gibt es keine Gewinner“

Interview mit Forstwissenschaftler Dr. Ralf Petercord zum massenhaften Auftreten von Borkenkäfern, Schmetterlingsraupen & Co. sowie der Bedeutung von Pflanzenschutz im Wald

von Adriane Lochner
16 Minuten
Raupen des Eichenprozessionsspinners

WaldReporter – Journalismus für Menschen, die dem Wald verbunden sind

Zahlreiche Organismen, die lebende Bäume als Nahrungsquelle nutzen – am bekanntesten sind Borkenkäfer und Schmetterlingsraupen – richten zunehmend verheerende Schäden in den Wäldern an. Waldschutzexperte Dr. Ralf Petercord erklärt im Interview, wie sich diese Organismen den wandelnden Klimabedingungen anpassen und warum der Mensch gegen sie vorgehen sollte.

Was genau bedeutet „Waldschutz“?

Oft wird der Begriff missverständlich genutzt. Waldschutz meint nicht Walderhalt im Hinblick auf die Waldfläche. Wenn also vom Erhalt des Tropischen Regenwaldes gesprochen wird, dann ist dies nicht Waldschutz, sondern dann geht es um Waldflächenerhalt. Waldschutz meint den Pflanzenschutz im Wald und ist auf den aktuellen Waldbestand ausgerichtet. Der Waldschutz ist den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes verpflichtet und besteht zunächst aus biologischen, biotechnischen und physikalische Maßnahmen. Das heißt, es wird versucht, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß zu beschränken. Ihr Einsatz ist damit nicht ausgeschlossen, wird aber als Ultima ratio angesehen. Dieser Ansatz ist ein ganzheitlicher Ansatz, es gibt also strenggenommen keine verschiedenen Arten von Waldschutzmaßnahmen, sondern vielmehr ein Maßnahmenpaket, dessen Bestandteile aufeinander aufbauen.

Was macht einen Organismus zum Waldschädling?

Ein Organismus wird zum Waldschädling, wenn er dazu fähig ist, lebende Bäume oder frisches Holz zu besiedeln, als Nahrungsquelle zu nutzen und sich übermäßig zu vermehren. Die Bewertung geschieht aus Perspektive des Menschen und ist kein Begriff aus der Biologie. Beispielsweise gibt es in Deutschland gut 125 Borkenkäferarten, aber der Begriff „Borkenkäfer“ ist in der Gesellschaft ein gängiges Synonym für den Buchdrucker, diejenige Borkenkäferart, die große Schäden in Fichtenbeständen anrichtet. Hier wird die anthropozentrische Sichtweise deutlich. Der Biologe Prof. Dr. Josef Reichholf beschreibt dieses Verhältnis so: „Wenn man’s aus der Sicht der Forstwirtschaft betrachtet, ist er natürlich ein Schädling, und zwar einer der schlimmsten für die Forste. Betrachtet man den Borkenkäfer (…) aus der Sicht des Waldes und der übrigen Waldbewohner, dann ist er Teil der Lebensgemeinschaft des Waldes.“ Der Begriff Waldschädling passt eigentlich gar nicht, denn es geht um die Waldschutzsituation, die von bestimmten Arten in Folge Ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel verschärft wird. Den Begriff Schädling sollte man vermeiden, er ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Besser wäre „Schaden verursachende Organismen“. Ihre Frage müsste also lauten: Wann verursacht ein Organismus einen Schaden, der Waldschutzmaßnahmen erfordert?

Raupen des Eichenprozessionsspinners
Der Eichenprozessionsspinner kann sich nun in Regionen massenhaft vermehren, wo er es vorher nicht konnte.
Schneebedeckter Fichtenwald
Auch vor den natürlichen Fichtenwäldern des Fichtelgebirges macht den Klimawandel nicht Halt.
Porträtfoto Petercord
Forstwissenschaftler und Waldschutzexperte Dr. Ralf Petercord