Ruhe jetzt!

Kein Internet, kein Radio, keine Handys: In West Virginia befindet sich das größte Funkloch der USA. Die staatlich verordnete „stille Zone“ entwickelt sich zu einem Zufluchtsort für alle, die abschalten wollen. Oder müssen.

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Eine große Satellitenschüssel, daneben eine Scheune.

Irgendwo im Wald, auf der State Route 28, endet die Zivilisation. Das Handy-Display blinkt warnend auf, weil kein Netz mehr verfügbar ist. Im Radio nur noch Rauschen. Im Tal thront eine mächtige Ranch: zwei Korbsessel auf der Veranda, daneben die Hollywoodschaukel. Auf Rasenmähern, die so groß wie Traktoren sind, sitzen Männer im Rentenalter. Sie tragen Schirmmützen, Holzfällerhemden, Jeans und Turnschuhe. Die Bärte lang, die Haut ledern vom rauen Klima. Hillbillies nennen sie solche Menschen in Amerika. Hinterwäldler. Landeier.

In den Hügeln von West Virginia leben besonders viele hillbillies. Schon ihre Väter haben versucht, die Natur zu bezwingen. Und vor ihnen ihre Großväter. Die Wälder, die heute so urzeitlich wirken, wurden im 19. Jahrhundert fast komplett abgeholzt. Später kam der Bergbau hinzu, dann die Eisenbahn. Doch die Natur ist stark, sie kämpft sich schnell an die Oberfläche zurück. Wie bei den Autowracks, die am Straßenrand stehen, rostig und überwuchert von Enzian. Bedeckt mit Laub, das im gleichen Gelb schimmert wie der Mittelstreifen des Highways.

Die Zeit scheint still zu stehen in diesem einsamen Landstrich. West Virginia, einst der Stolz der amerikanischen Kohleindustrie, ist heute einer der ärmsten Bundesstaaten des Landes. Vor allem junge Leute hält hier nichts. Wer es sich leisten kann, geht aufs College. Die anderen suchen sich Jobs an der Ostküste. So droht eine ganze Gegend auszubluten. Straßen bröckeln, Fabriken schließen, Häuser vergammeln.

Diejenigen, die bleiben, sind oft frustriert, kochen Crystal Meth oder moonshine (selbst gebrannten Schnaps) in ihren Waldhütten. „Keine Lust mehr, Fünfzigster zu sein?“, fragt ein Wahlplakat am Straßenrand. Eine Anspielung auf West Virginias Rang unter den 50 Bundesstaaten. Im Gras daneben steckt ein Schild mit nur zwei Worten: Vote Trump. Wählt Trump.

Eine Straße, die zu einer Scheune führt. Im Hintergrund eine große Satellitenschüssel.
Das Green Bank Observatory ist so empfindlich, dass in der näheren Umgebung keine Funkstrahlen zugelassen sind.
Eine Satellitenschüssel inmitten einer Landschaft.
Das Teleskop in Green Bank würde durch Radiowellen gestört werden. Daher gilt in dem riesigen Landstrich striktes WLAN-Verbot.
Porträtaufnahme einer älteren Frau.
Diane Schou ist nach Green Bank gezogen, um elektromagnetischer Strahlung zu entkommen.
Ein öffentliches Münztelefon am Rande einer Straße.
Von wegen Handy! In Green Bank muss es das Münztelefon tun.
Eine Straße, am linken Straßenrand ein Geschäft.
In Trent's General Store gibt es alles, was die Einwohner brauchen – inklusive Dorf-Tratsch.
Ein junger Mann zwischen zwei Benzin-Zapfsäulen.
Autor Steve Przybilla vor Trent's General Store.
Ein Techniker sitzt in einem Auto, das mit Geräten vollgestopft ist.
Jonah Bausermann sucht illegale WLAN-Netze in Green Bank.