Der Jazz kehrt zurück

Nach Hurrikan Katrina folgte in New Orleans die wirtschaftliche Katastrophe: Urlauber blieben weg oder interessierten sich hauptsächlich für das Elend. Heute zeigt sich: Der Voyeurismus hatte auch Vorteile.

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Ein Park mit einer Kirche, im Vordergrund eine Straße, auf der eine Pferdekutsche und ein Auto fahren.

Die Leichen waren noch nicht geborgen, da fuhren schon die ersten Tour-Busse durch die Lower Ninth Ward. „Schrecklich“, sagt Bruce Nolan und legt das Mikrofon kurz zur Seite. „Die Leute haben die Sofas aus ihren zerstörten Häusern geschleppt, während die Touristen sie dabei fotografierten. Stellen Sie sich vor, wie sich das angefühlt haben muss.“

Zwei Dinge sollte man wissen, um diese Szene richtig einzuordnen:

Nummer eins: Die Lower Ninth Ward ist das Viertel in New Orleans, das von Hurrikan Katrina im Jahre 2005 am stärksten verwüstet wurde.

Nummer zwei: Bruce Nolan war damals als Zeitungsreporter selbst vor Ort. Heute ist er im Ruhestand, verdient sich aber als Tour-Guide ein kleines Zubrot – in genau der Branche, die er selbst kritisiert.

Um glaubwürdig zu bleiben, fährt Nolan deshalb nicht in die Lower Ninth Ward. Stattdessen geht es ins Lakeview-Distrikt, eine Insel des Wohlstands, die kurz nach dem Sturm wieder aufgebaut wurde. Manche Häuser stehen nun auf Säulen, vor einem anderen parkt ein Lkw in Militärfarben. „Der Besitzer will kein Risiko mehr eingehen“, erklärt Nolan. „Unter der Plane lagert er Wasser und Lebensmittel.“

Je näher der Bus der Lower Ninth Ward kommt, desto stärker wandelt sich das Bild. Von Unkraut überwucherte Brachflächen stehen neben frisch sanierten Häusern. Immer noch sieht man Ruinen mit eingefallenen Dächern.

„Wer keine Versicherung hatte, konnte sich die Reparaturen nicht leisten“, erzählt Nolan. „Viele haben die Stadt verlassen und sind nie wieder gekommen.“ Die Einwohnerzahl sei nach Katrina um 15 Prozent geschrumpft.

Ein Steg mit Wasser im Hintergrund.
New Orleans liegt direkt am Wasser – und ist dementsprechend sturmflutgefährdet.
Ein aufgebocktes Auto steht auf einer Wiese.
Nach Katrina wurden die meisten Ruinen abgerissen. Viele Einwohner konnten sich einen Neubau aber nicht leisten und kamen nie zurück.
Ein überladener Wagen eines Obdachlosen an einer Hauswand.
Wagen eines Obdachlosen in New Orleans.
Blick auf Häuser aus einem anderen Haus. Im Vordergrund sind Blumen und bunte Deko zu sehen.
Die wohlhabenden Viertel wurden nach dem Unwetter schnell wieder aufgebaut…
Ein Haus, dessen Fenster mit Holzplanken vernagelt sind.
Die eine Seite der Lower Ninth Ward: verlassene, verfallene Häuser.
An einem Grundstück steht ein Schild mit der Aufschrift „Musicians Village Park“
Die andere Seite: Neubauten, die mit Spenden errichtet wurden.
Touristen in New Orleans an einer Straßenecke
Im Touristenviertel, dem French Quarter, ging das Leben schnell weiter…
Ein Schild mit einer durchgestrichenen Pistole.
Anderswo folgte der wirtschaftliche und soziale Niedergang.
Hochhäuser im Gegenlicht der untergehenden Sonne.
Viele ärmere, schwarze Einwohner haben nach Katrina die Stadt verlassen.
Ein Friedhof mit Mausoleen.
Auch viele Friedhöfe wurden überschwemmt. Die Leichen trieben zum Glück nicht durch die Straßen – der Mausoleen sei Dank.
Ein Mann mit kurzen Haaren schaut in die Kamera
Das „Living Museum“ beschäftigt sich mit der Geschichte des Viertels. Und kritisiert: Statt ihr Geld für Flüge und Hotels auszugeben, hätten die Helfer es lieber spenden sollen.
Ein Mann sitzt auf einem Stuhl und hält Bücher in die Höhe.
Ronald Lewis ist ein Urgestein in der Lower Ninth Ward. Heute betreibt er eine Folklore-Ausstellung.
Neubauhäuser an einer Straße.
Neu gebaute Häuser in der Lower Ninth Ward – dank Spenden.
Ein schwarzer Gedenkstein mit weißer Schrift.
Gedenkstein für die Opfer von Hurrikan Katrina.