Ja? Nein? Vielleicht?

Viele Forscher erkunden mit großen Sorgen die Ideen des Climate Engineering – also der mutwilligen technischen Eingriffe ins Klima

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Ein Blick in den blauen Himmel, dort sieht man Kondensstreifen hinter Windrädern. Fotos und Montage: Christopher Schrader

Leuchtende Striche am Himmel, bisher sind das nur die Kondensstreifen, die Flugzeuge hinterlassen. Doch manche Wissenschaftler sehen darin auch ein Zeichen für die Zukunft der Erde, sollte der Umstieg auf erneuerbare Energieformen nicht den gewünschten Effekt erzielen. Um dem Klimawandel zu begegnen, denken sie, könnte es nötig werden, die Atmosphäre künstlich zu kühlen. Eine Idee: Drohnen steigen weit höher auf als heutige Flugzeuge und versprühen Partikel, die das Sonnenlicht abschirmen. In Fachzirkeln nennt man das Geoengineering.

Ein elektrisches Küchenmesser – das soll nun die Lösung sein? Mehrere Runden lang haben sich die Teilnehmer des Workshops in die Probleme von armen Ländern versetzt, deren Wirtschaft extrem vom Regen abhängt. Zwei konkurrierende Teams versuchen, jeweils für ihr Land möglichst viele Punkte für wirtschaftliche Entwicklung zu bekommen. Das ist das Ziel. Sie müssen also das Optimum aus ihrer Wirtschaft herausholen.

Doch das Wetter durchkreuzt immer wieder die Bemühungen, Wohlstand aufzubauen. Es kommt in Form eines Würfels daher. Eine Eins bedeutet Dürre, eine Sechs Überflutung, zwei bis fünf stehen für normale, produktive Niederschläge. Die Gruppen schaffen es kaum, sich auf das normale Wetter einzustellen, bevor sich die Situation durch den Klimawandel weiter verschärft. Aber der Würfel ist aus Schaumstoff – lässt sich der Zufall also womöglich manipulieren, indem man den Würfel zinkt? Indem man zum Beispiel mit dem Elektromesser der Sechs ein Auge abschneidet?

Pablo Suarez bringt diese Möglichkeit ins Spiel. Der Leiter des Klima-Zentrums des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds in Den Haag hat anderthalb Dutzend Experten in ein Spiel verwickelt, dessen Regeln er nur Stück um Stück verrät. Sie alle nehmen an einer Konferenz in Berlin teil, die über die Kühlung der Erde berät. Der Argentinier Suarez will den Teilnehmer seines Workshops – plastischer als mit einem Vortrag – die Probleme klarmachen, die die globale Erwärmung für Hilfsorganisationen wie seine bedeutet. Das Messer im Spiel steht dabei für das sogenannte Geoengineering. Es könnte, so zumindest die Auslegung für den Workshop, ja auch einen Einfluss auf die Verteilung von Regen, Dürre und Überflutung haben.

Mit „Geoengineering“ beschreiben Experten allerlei angedachte technische Maßnahmen, gezielt in das Klima einzugreifen, um die Folgen der globalen Erwärmung zu verhindern oder abzumildern. Die Konferenz in Berlin zum Thema machte Mitte Oktober deutlich, dass es selbst vielen ihrer Verfechter vor der potenziell erdverändernden Technologie graut. Die Veranstalter möchten darum die Diskussion über Geoengineering weit über die technischen Aspekte öffnen, die früher im Mittelpunkt standen. Unter den 300 internationalen Experten fanden sich darum Physiker, Philosophen und Politikwissenschaftler, Künstler, Juristen, Vertreter von Kirchen sowie 40 Wissenschaftler aus Entwicklungsländern.

Die Versuchung, den Würfel zu zinken

Darum war auch Pablo Suarez dabei. Seine Idee mit dem Elektromesser macht klar: Genau wie ein angeschnittener Schaumstoff-Würfel ist der Klimawandel inzwischen kaum noch zu berechnen, besonders wenn Geoengineering ins Spiel kommen sollte. Dennoch überlegt zumindest eine der Gruppen in seinem Workshop, im Spiel das Angebot zum Zinken des Würfels anzunehmen.

Die Regeln sind nämlich mit jeder Spielrunde komplizierter geworden. Der Klimawandel macht nach dem Zufallsprinzip inzwischen auch Vierer und Fünfer zu gefährlichen Sechsern. Die Gruppen haben kaum Zeit, ihre Strategie zu ändern; die Folgen menschgemachter Klimaveränderungen beginnen, ihre Wirtschaftsentwicklung ernsthaft zu gefährden.

Um auf Extremereignisse vorbereitet zu sein, müssen die Teams Mitglieder für mögliche Gegenmaßnahmen abstellen. Die einen halten ihre Hände wie einen Trichter, um bei einer Dürre jedes bisschen Wasser zu sammeln, die anderen formen über ihrem Kopf einen Schirm gegen Starkregen und Überflutung. Vor allem davon brauchen beide Gruppen inzwischen mehr. Jeder dieser Nothelfer kann die Gemeinschaft aber nur einmal schützen. Und er kann nicht arbeiten. So muss das Team vor jeder Runde abwägen, wie viel es in den Schutz investiert: War es am Ende zu viel, hat die Gruppe Punkte verschenkt. War es zu wenige, heißt es: null Punkte, setzen.

Das zu verhindern, dabei könnte das schon lang angekündigte elektrische Messer helfen, das Suarez nun zum Einsatz freigibt. Die Gruppen könnten damit ihren Würfel bearbeiten und so zum Beispiel die Sechs permanent zur Fünf verwandeln. Oder die Eins aus dem Spiel nehmen. Sollten Sie das Angebot annehmen? Und wenn ja, wie? Die Teilnehmer blicken ratlos, als sich im Gesicht des Spielleiters ein schon fast diabolisches Grinsen ausbreitet. Surrend lässt er die Klingen des Elektromessers durch die Luft sausen.

Wie die Erde gekühlt werden soll

Ideen, die Erde mit großtechnischen Mitteln zu kühlen und damit den Klimawandel abzumildern oder zu neutralisieren, werden in der Wissenschaft seit mehreren Jahrzehnten diskutiert. Das Spektrum der denkbaren Möglichkeiten reicht von der simplen Aufforstung über Anlagen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre saugen, bis zu Eingriffen in die Physik der Wolken. Manche Forscher schlagen sogar vor, große Mengen Schwefelsäure in der Atmosphäre zu versprühen, um das Sonnenlicht zu dimmen – so wie es die Aschewolken großer Vulkane machen, nach deren Ausbruch es schon Jahre ohne Sommer gab. Die Vorschläge fallen in zwei große Gruppen:

• Zum einen wird darüber nachgedacht, Kohlendioxid und andere Treibhausgase wieder aus der Atmosphäre zu holen. Zu diesem „Carbon Dioxide Removal“ (CDR) zählt unter anderem die Aufforstung, aber auch die Ideen, Gestein zu zermahlen, so dass die Brösel mehr CO2 aufnehmen, oder Kalk ins Meer zu schütten, um mehr von dem Treibhausgas zu binden.

• Zum anderen diskutieren die Experten, wie man den Einfall von Sonnenlicht verringern kann. Unter dem Stichwort „Solar Radiation Management“ (SRM) geht es um das Versprühen von Schwefel in der Stratosphäre oder das Aufhellen von Wolken.

Eine große Zeichnung zeigt verschiedene Methoden des Geoengineering. Man sieht einen Schnitt durch eine Küstenlandschaft. Am Himmel sind eine Drohne und fliegende Spiegel zu sehen, auf der Erde stehen Wälder und technische Anlagen, auf dem Wasser fahren Schiffe. – 
Wie ein Wimmelbild wirkt die Grafik, mit der die Mitglieder eines Schwerpunktprogramms der DFG verschiedene Ideen des Climate Engineering zusammenfassen.
Wie ein Wimmelbild wirkt die Grafik, mit der die Mitglieder eines Sonderforschungsbereichs der DFG die verschiedenen Ideen des Climate Engineering zusammenfassen.

Die Eingriffe ins Klimasystem werden oft als Backup für den Fall gehandelt, dass die Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen nicht ausreichen. Oft kursiert sogar die Metapher vom „Plan B“, so als würde das künstliche Kühlen der Erde auf jeden Fall funktionieren. Doch das ist alles andere als klar, die technischen Schwierigkeiten und Nebenwirkungen überblickt heute niemand. „Es ist sehr beunruhigend sich vorzustellen“, sagt Suarez, „dass wir uns eines Tages dem, magischen Schwefelpulver’ anvertrauen sollen, das in der Atmosphäre verteilt wird.“

Dieses Unbehagen ist bei den Teilnehmern der Konferenz in Berlin weit verbreitet. Bei einer Umfrage am Ende der Tagung spricht sich gerade einmal ein gutes Drittel der anwesenden Experten dafür aus, die spektakuläreren SRM-Maßnahmen zum Dimmen des Sonnenlichts eines Tages auch wirklich zu nutzen. „Wow“, staunt da der Moderator Oliver Morton, Journalist beim britischen Magazin Economist und Autor eines Buchs zum Thema, das gebe es wohl bei keiner anderen Gruppe, die eine neue Technologie erkundet. "Oder können Sie sich vorstellen, dass bei einer Konferenz über synthetische Biologie nur ein Drittel die neuen Werkzeuge auch wirklich anwenden will?“ Aber diese Sonderrolle gefällt den Geoengineering-Experten sichtlich: Viele nicken erfreut.

Zugleich wird klar: Die Ideen, um die es in Berlin geht, sind keine Spinnereien für den Elfenbeinturm mehr. „Die Beschlüsse von Paris, die Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, haben das Thema nach vorn gebracht“, sagt Mark Lawrence vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam, der die Tagung in Berlin organisiert hat. „Dieses Ziel ist zwar nicht unmöglich, aber sehr schwierig ohne Geoengineering zu erreichen.“ Das zeige sich an der bisherigen Arbeit der Wissenschaft: 90 Prozent der Klimasimulationen, die Entwicklungspfade vorausberechnen, um die Ziele des Pariser Abkommen zu erreichen, setzen massiv auf eine Form von Geoengineering. Und dem Rest zufolge müssten die globalen Emissionen der Treibhausgase bereits seit einigen Jahren deutlich fallen, was offensichtlich nicht passiert.

Widerstand gegen vermeintliche Sachzwänge

Solche vermeintlichen Sachzwänge aber will zum Beispiel Lili Fuhr von der Heinrich-Böll-Stiftung nicht gelten lassen. „Es gibt keinen Grund, über Geoengineering nachzudenken, weil wir noch viele andere Dinge nicht ausgeschöpft haben“, sagt sie. Dazu gehörten Klimaszenarien ohne die Eingriffe, die noch nicht gerechnet sind, das Kappen der üppigen Subventionen, die Kohle, Öl und Gas immer noch genießen, und ein tiefgreifender Wandel im Konsumverhalten. In jedem Fall solle die Gesellschaft in einer breiten Diskussion Regeln für mögliche Versuche zum Geoengineering festlegen, bevor diese starten dürften. „Wenn die Gruppe um David Keith von Harvard demnächst ein Freisetzungs-Experiment in der Atmosphäre macht, wird eine rote Linie überschritten“, warnt Fuhr, die in dem Punkt für eine breite Koalition von politischen Gruppen spricht.

Die Diskussion mit vielen Bereichen der Gesellschaft und die Suche nach Regeln, das steht auch für viele andere Teilnehmer der Konferenz im Vordergrund. Janos Pasztor zum Beispiel, ehemaliger stellvertretender Generalsekretär der UN und jetzt Leiter einer Gruppe am Carnegie-Council in New York, sagt: „Die Forschung geht weiter, wir brauchen Regeln, die sie steuert und in eine Richtung lenkt, die der Gesellschaft nutzt und ihren Wünschen entspricht.“ Seine Initiative C2G2 (Carnegie Climate Geoengineering Goverance) möchte vor allem Mechanismen schaffen, mit denen die internationale Gemeinschaft über den Einsatz der Technik entscheiden kann. Denn zum Beispiel auf der Ebene der Regierungen und Staaten müsse die Welt „verhindern, dass irgendjemand einfach mit einem Eingriff ins Klima anfängt“.

Pasztor spricht damit zwei Sorgen an, die viele Wissenschaftler haben. Zum einen, dass bisherige Studien, die noch nicht alle Details berücksichtigen, ein womöglich viel zu positives Bild der neuen Technologien zeichnen, so dass Menschen und ihre Regierungen sich auf sie verlassen. Ben Kravitz vom Pacific Northwest Laboratory sagt: „Wenn es irgendwas gibt, was Geoengineering am Ende unmöglich oder unbrauchbar macht, dann müssen wir das jetzt wissen.“ Es dürfe einfach nicht passieren, dass die Menschheit 2040 oder noch später erkenne, dass die Werkzeuge, auf die sie sich für den Notfall verlassen hat, doch nicht funktionieren.

Damit hängt das zweite, vermutlich größere Problem zusammen: dass die Staaten im Vertrauen auf vermeintlich hilfreiche Eingriffe ins Klima ihre Bemühungen vernachlässigen, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken. „Das ist nach dem Motto: Lasst uns einfach so weiterwurzeln wie bisher und irgendwann kommt ein verrückter Erfinder und erfindet uns den Klimawandel weg“, sagte Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der frühere Klimaberater der Bundeskanzlerin, während der Konferenz den „Tagesthemen“. Vor diesem Denken warnen selbst Forscher wie David Keith, die in Geoengineering ein potenziell nützliches Werkzeug sehen: „Manche Leute werden übertreiben, wie effektiv die Technik sein kann und dann argumentieren, dass wir nicht mehr so viel für die Reduzierung der Emissionen tun müssen. Richtig ist aber: Wir müssen die Emissionen irgendwann bald auf Null reduzieren, ganz egal, ob wir SRM machen oder nicht.“

Solche Bedenken kennen auch die Mitspieler bei Suarez’ Workshop. Etliche der Experten zeigen sich skeptisch, obwohl sie hier mit seiner Methode von Geoengineering – dem Elektromesser, das den Würfel beschneidet – einfach ein bisschen Spaß haben könnten. So lange sich niemand damit verletzt, natürlich. Das genau scheinen die Bedenken der einen Gruppe zu sein, die dem Eingriff ansonsten positiv gegenübersteht. Die andere aber entscheidet sich nach einiger Diskussion, nicht einmal im Spiel auf die Möglichkeit einzugehen, ihre Chancen im Wechselspiel von Wetter und Klimawandel zu manipulieren.

Dazu mag weiteres Spezialwissen beigetragen haben. Es gibt nämlich große Zweifel, ob die Pläne, die Erde zu kühlen, auch wirklich umsetzbar sind. Zum Beispiel wird das sogenannte BECCS-Verfahren, das in vielen Klimasimulationen vorkommt, wohl kaum so einfach funktionieren wie gedacht. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das Konzept, auf großen neuen Plantagen gewonnene Biomasse zur Stromerzeugung zu nutzen, aber beim Verbrennen die entstehenden Treibhausgase aufzufangen und unter der Erde zu verpressen. Damit wird im Effekt das Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt, das Bäume und Pflanzen vorher bei der Photosynthese aufgenommen haben.

Der CCS-Anteil des Verfahrens aber, also das Verpressen von CO2 unter der Erde, ist in Deutschland und vielen anderen Ländern vorerst am massiven Widerstand von Bürgern gescheitert. „Ohne CCS gibt es aber auch kein BECCS“, warnt Naomi Vaughan von der University of East Anglia. Zudem zeigen Modellrechnungen inzwischen, dass es kaum möglich sein wird, so viele Energiepflanzen anzubauen, wie die Klimamodelle angenommen haben.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie …

Ein weiteres Problem sind die Nebenwirkungen. Wenn zum Beispiel große Mengen von Schwefelsäure oder anderen Partikeln in der Atmosphäre versprüht werden, fallen die Teilchen irgendwann auch wieder runter. Sie können dann zu Saurem Regen wie in den 1970er-Jahren führen – nicht so intensiv wie damals in Deutschland, aber viel großflächiger. Außerdem dürften die Fremdkörper in der Stratosphäre die Ozonschicht angreifen, so dass mehr schädliche UV-Strahlung zur Erde gelangt und die Hautkrebsraten ansteigen. Andererseits, das zeigen Rechnungen von Sebastian Eastham vom Massachusetts Institute of Technology, könnte der Ozon-Smog auf der Oberfläche zurückgehen, genau wie die Luftverschmutzung – wenigstens im Durchschnitt. Für Metropolen und Ballungsräume, wo es die größten Probleme gibt, liegen noch keine zuverlässigen Daten vor.

Das Ganze ist zurzeit tatsächlich so vage, wie es klingt, aber hinter jedem von diesen Posten könnten Hunderte, Tausende oder Zehntausende Menschenleben stehen, die verloren oder gerettet werden. Wer den Forschern beim Aufrechnen zuhört, dem wird fast schwindelig, bis er sich klar macht, dass zurzeit nach Berechnungen eines Teams um Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz jährlich drei Millionen Menschen vorzeitig an Luftverschmutzung sterben. Der Klimawandel könnte diese Zahl noch deutlich erhöhen und es ist durchaus möglich, dass sich die Folgen des Geoengineerings dagegen klein ausnehmen. Genau wissen wird man das allerdings nie. Auch wenn sich die Modellstudien verbessern und klarere Aussagen erlauben, in der Realität werden sich die Zahlen vermutlich nie nachweisen lassen, weil die statistische Aussagekraft nicht ausreicht.

Vor diesem Hintergrund erkennen viele Forscher, dass sie mit Naturwissenschaft allein nicht weiterkommen – und suchen aktiv den Kontakt zu anderen Disziplinen und gesellschaftlichen Gruppen. Naomi Vaughan zum Beispiel hat in Berlin eine Sitzung organisiert, in der zwei Modellstudien über den Einsatz von BECCS flankiert waren von drei Vorträgen über Kommunikation, Politik und Moralphilosophie. Auf anderen Kongressen wäre das ein Rezept für zähe 90 Minuten gewesen, hier musste Vaughan die Diskussion zur Kaffeepause praktisch abwürgen.

Auch David Keith von der Harvard-Universität, der manchen als Prototyp des technokratischen Forschers gilt, sucht in Berlin Rat. Er plant ein Experiment zur Freisetzung von Partikeln in der Stratosphäre, möchte aber zuvor ein Beratungsgremium einsetzen, das seinen Plan durchdenkt. Zu den Kritikern wie Lili Fuhr von der Böll-Stiftung, die eine generelle Regelung für solche Experimente verlangt, sagt Keith: „Es ist gut möglich, dass sie sich am Ende einer gesellschaftlichen Diskussion durchsetzen. Dass es den Beschluss gibt, Forschung wie meine zu stoppen. Aber das jetzt schon an einem kleinen Experiment aufzuhängen, verleiht ihm zu viel Gewicht.“

Keith bestätigt aber auch, dass sich die Menschheit in eine Abhängigkeit begibt, wenn sie einmal begonnen hat, zum Beispiel das Sonnenlicht zu dimmen. „Wenn man ein Programm größeren Ausmaßes plötzlich stoppt, gibt es das Risiko einer plötzlichen Aufheizung.“ Die Temperaturen könnten dann binnen kurzer Zeit auf die Werte steigen, die sie ohne Geoengineering gehabt hätten – und ob die Menschheit in der Zukunft wirklich die Chance hätte, ihre vermeintlich hilfreichen Eingriffe in das Klimasystem über Jahrzehnte langsam zu beenden, kann heute oder in Zukunft niemand garantieren.

Kein gutes Omen ist, wie das Spiel mit dem Elektromesser auf der Tagung weiter verläuft. Eine der Gruppen hat sich entschlossen, das Angebot zum Zinken des Würfels einfach abzulehnen. Darauf sagt der Spielleiter Pablo Suarez vom Roten Kreuz, um die Sache anzuheizen: „Dann mache ich es eben bei meinem Würfel und das beeinflusst dann Eure Entscheidung.“ Spricht’s und erhebt surrend das Messer. Zwei Frauen aus der Gruppe stürzen vor und versuchen den Würfel mit ihren Händen zu schützen, die vibrierenden Klingen bewegen sich auf die Finger zu – bis einer der Teilnehmer der Gruppe in die Ecke kriecht, und den Stecker aus der Dose zieht.

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