„Wir müssen Themen finden, die den Menschen Spaß machen und ihnen etwas bedeuten“

Ein Gespräch über Bürgerbeteiligung und die Probleme, eine gute Idee vor Ort umzusetzen.

10 Minuten
Diese  Strichzeichnung zeigt viele unterschiedliche Menschen

KlimaSocial – vom Wissen zum Handeln

Wie motiviert man die Menschen, ihr Leben zu verändern und ein umweltbewusstes Verhalten zu lernen? Jochen Stiebel hat dafür eine einfache Antwort: Man muss mit ihnen sprechen und ihre Sorgen einbeziehen. Im Interview erzählt er, wie Bürgerbeteiligung im bergischen Land in der Region Wuppertal funktioniert und warum es manchmal so schwer ist, gute Ideen im Alltag zu nutzen.

Wuppertal, im Dezember 2018

Neue Aktionen wie der Climathon sollen die Bürger an der Gestaltung von Veränderungen in ihrer Stadt beteiligen. „Wir wollen mit den Menschen darüber sprechen, was sie stört", erklärt Jochen Stiebel. 24 Stunden diskutieren die Teilnehmer dann über Probleme und entwickeln Lösungen für ihre Region. „Wir müssen Themen finden, die den Menschen Spaß machen und ihnen etwas bedeuten", sagt Stiebel.
Stiebel fordert mehr Kompetenz für Kommunen: Viele Initiativen, die am Anfang extrem belächelt wurden, bewegen etwas. Ein regulatorischer Rahmen auf Landesebene muss lokal unterschiedlich angewendet werden können.

Klimasocial: Beim Climathon geht es darum, jede Menge neue Ideen zu entwickeln. Es scheint nicht dran zu liegen, dass es nicht genügend Ideen gibt, wie man die Probleme, die hier auf dem Climathon besprochen werden, lösen könnte. Es liegt eher daran, dass sie nicht umgesetzt werden. Warum?

Stiebel: Das stimmt. Für viele Fragestellung gibt es bereits technische oder sonstige Lösungen, als Produkte oder als Dienstleistungen. Die meisten Menschen nutzen die Angebote nicht, weil sie nicht in ihren Alltag passen. Wir alle neigen dazu, alles was uns stört, was ungewöhnlich ist, möglichst zu vermeiden. Unser Gehirn verlässt sich gern auf bestimmte Routinen, sonst würde unser kompliziertes Leben nicht funktionieren. Alles was sich verändert, erfordert neue Energie. Das ist aus meiner Sicht der Kernpunkt, warum wir uns mit innovativen Lösungen oft sehr schwertun.

Wir haben also Schwierigkeiten, unser Verhalten zu verändern, obwohl wir wissen, dass eine Veränderung sinnvoll wäre?

Wir wissen alle, wie wenig Ressourcen wir auf unserem Planeten haben. Trotzdem bekämpfen wir häufig nur Symptome und weichen den Ursachen aus. Wenn wir sagen, wir wollen weniger Energie verbrauchen für die Mobilität, dann rufen wir nach sparsamen Motoren. Wir gehen davon aus, dass wir unseren Beitrag schon geleistet haben, wenn Autos effizienter geworden sind. Dabei gehen wir die eigentliche Fragestellung nicht an: Nämlich, ob wir diese Mobilität in der Form brauchen, in der wir sie gerade nutzen? Oder ob es nicht auch anders geht.

Ihr Arbeitsfeld ist das bergische Land, die Region um Städte Wuppertal, Solingen und Remscheid. Sind Entscheidungen auf regionaler Ebene komplizierter? Dort ist häufig der Handlungsspielraum kleiner. Zudem gibt es das gängige Vorurteil, dass die handelnden Personen nicht den Überblick über die Technik haben und sie nicht verstehen.

Naja. Auch auf Bundesebene fehlt vielen Leuten der nötige Überblick über die Themen. Im Ernst: Nach meiner Erfahrung sind Entscheidungen zugunsten des Klimaschutzes auf regionaler und lokaler Ebene oft einfacher. Weil wir dort mit allen Beteiligten relativ leicht sprechen können und den Dialog über ein Thema vorantreiben können.

Jochen Stiebel, Geschäftsführer der Gesellschaft „Neue Effizienz“
Jochen Stiebel ist Geschäftsführer der Gesellschaft „Neue Effizienz“, die vor sechs Jahren durch eine Initiative der Wuppertaler Stadtwerke gegründet wurde und Partner in der Region sammelt. Anteilseigner sind die Stadtwerke und Wirtschaftsförderungen der Städte Wuppertal, Remscheid und Solingen sowie die Bergische Universität Wuppertal. Zudem halten auch Unternehmen aus der Region Gesellschafterteile. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ist enger Kooperationspartner. Die Hauptaufgabe ist der Wissenstransfer in der Region zwischen Forschung, Unternehmern und Bürgern. Die Gesellschaft finanziert sich hauptsächlich durch Forschungsprojekte und hat etwa ein Dutzend Mitarbeiter.
Junge Menschen treffen sich in Wuppertal und arbeiten in Kleingruppen zusammen. Beim Climathon entwickeln sie Lösungen für regionale Probleme.
Climathon in Wuppertal: Arbeitsgruppen diskutieren 24 Stunden lang die Themen Müllvermeidung, Parkplätze und Schutz gegen Starkregen.
Der Überleitungsbus in Solingen mit Stromabnehmer.
Der Überleitungsbus in Solingen mit Stromabnehmer.