Gibt es auf dem Land mehr defekte als intakte Fahrradwege?
Bereits nach wenigen Tagen auf meiner Fahrt durch alle Bundesländer verzweifle ich an der Radwegebenutzungspflicht. Deutschland-Reportage Kapitel 5.
Rückblick 2019: Für meine Rad-Recherchen durch alle Bundesländer habe ich mir ein enges Zeitkorsett verpasst: Rund hundert Kilometer pro Tag, zuzüglich etlicher Interviewstopps. Dass ich mich am vierten Reisetag nach nur 400 der 2.451 Kilometer bereits zermürbt fühle, liegt auch an schlechten Radwegen. Denn es gibt ja die Radwegebenutzungspflicht.
Muss ich mich dieser Pflicht ergeben, selbst wenn sich asphaltgetarnte Wurzelwülste anstellen, die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule zu katapultartigen Geschossen mutieren zu lassen? Nachdem ich meine Fahrt von Bremen bis an die Grenze zu Nordrhein-Westfalen noch übermütig begann, gehe ich in Melle:
Zur Polizei!
Welche Antwort mir der Diensthabende mit auf die weiteren Radwege gibt, habe ich hier aufgeschrieben. Es ist ein Auszug aus Kapitel 5 meines Deutschlandbuchs
Zwei Räder, ein Land
(Kap. 1 – Kap. 2 – Kap. 3 – Kap. 4)
Und den original Gesprächsmitschnitt aus dem Dienstgebäude gibt’s unten, unter dem „Wachsamen Hahn“.
Düste, DeepHolz, Dümmer
Frühmorgens habe ich Bremen hinter mir gelassen, um schnurstracks in den Süden Niedersachsens vorzustoßen. Wetter und Temperatur passen, die Straßen auch. Bis ich nach Havekost komme. Dort muss ich auf die B213 – auf die „Büßerspur“. So nenne ich den B213-Radweg, weil mich dort nur eine Fahrbahnmarkierung von den Kraftfahrzeugen trennt, ich aber deren reifengeschleuderten Split und den weggeworfenen Müll der Insassen zu befahren habe. Auch nach zwanzig weiteren Fahrtagen, am Ende meiner Deutschlandfahrt, werde ich keinen heikleren Radweg befahren.
Mittags passiere ich Düste, und Dreeke, dann Diepholz. Mehrmals entbinde ich mich von der Pflicht, Radweg zu benutzen. Weil sie zu schlecht sind oder gefährlich. Oder beides.
Weiterfahren! AllesPrimaMechanismen aktivieren! Sing doch was, wie wär‘s mit Mireille Mathieu: Es geht mir gut merci chérie – nein, besser die flache Jukebox am Lenker anschmeißen: DeepHolz, Tech-House-Mix, made in Rosenheim, Schlag-mir-den-Takt-zum-Tritt!
Fühlen sich die Schenkel nach vier Tagen allemal schon drall an: Im Tech-Takt fangen sie an zu brennen; ich will schnell durch das am dünnsten besiedelte Gebiet im westlichen Deutschland.
Übermütig posiere ich am Dümmer für einen Schnapsschuss zur Feier vierhundert gefahrener Kilometer. Ein Einfall beflügelt mich: Sollte mich die Polizei anhalten, weil ich statt einen hoppligen Radweg die aalglatte Landstraße befahre, berufe ich mich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf meinen Bandscheibenschaden.
Hinter Stemshorn schneide ich ein Stückchen NRW an, dann kommt Bohmte, gelegen an der Deutschen Fachwerkstraße . Ich bewundere das Baudenkmal Hof Wellner und grinse über die Erklärtafel, verfasst im besten Loriot-Stil:
Verputzte Gefache, Giebel dreimal flach vorkragend über profiliertem Balkenstummel und Schwellbalkenüberstand.
Weiter, weiterfahren, aufs Wiehengebirge, meine ersten Hüglein seit Holstein. Nurmehr der Mittellandkanal ist zu queren, dann kann ich hinter Bad Essen die Berge stürmen. Obwohl: Viel Saft ist nicht mehr drin in den Muskeln. Bevor die Serpentinen beginnen, kaufe ich mir in Notfallmanier ein koffeinhaltiges Zuckerwasser an einer Bratwurstbude. Sie ahmt Fachwerk mit Kunststoff nach und ist umlagert von Auto- und Motorradfahrern.
Ich bin jetzt im südlichsten Zipfel des einstigen Kurfürstentums Hannover, versuche mich im hitzeschlaffen Zustand am Wahlspruch des Fürstentums aufzubauen:
Nec aspera terrent, auch Widrigkeiten schrecken nicht.
Wenn ich angesichts schlapper 28 Grad Celsius bereits wüsste, was mich auf gleichem Breitengrad in Brandenburgs Luckenwalde bald an Hitze droht, ich würde wohl nur müde lächeln, hier an der Steilstrecke zwischen Bad Essen und Essenerberg.
Erste Radwegschmäh-Vergeltungshupe – immerhin erst nach 440 Deutschlandkilometern
Bescheidene 180 Meter über dem Meeresspiegel habe ich auf dem Berg. Und danach eine steile Abfahrt hinunter nach Oldendorf. Dort bekomm’ ich sie dann doch noch: die Radwegschmäh-Vergeltungshupe. Weil ich auf der Hauptstraße fahre, nicht nebendran, auf der unwegsamen Radspur. In Sachen Huper oder Huperin tippe ich auf Mann mit Hut und Klorollen-Häkelüberzug. Doch es ist ein Motorradrocker in Lederkluft, Osnabrücker Kennzeichen.
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Weiter, in meinen fünften Fahrtag hinein, trägt mich die Frage, wie ich einem motorisierten Wutbürger so ein polizeiliches Plazet klarmachen würde.
Als ich mich hinter Melle ertappe, trotz eines guten, aber engen und an Pfützen reichen Radwegs auf die Straße auszuscheren, geht die Fantasie mit mir durch: Ich stelle mir vor, Melles Wachtmeister erwischt mich, und ich muss, mein Rad an der Hand, zu Fuß bis zur Landesgrenze laufen. Wie im Film ›25 km/h‹, wo die beiden Deutschlandquerer, eskortiert von der Polizei, ihre Mofas zu schieben haben, bis der Streifenwagen kehrt macht. Darauf Lars Eidinger, außer sich:
›Scheiß Niedersachsen, Du bist ein hässliches Land!‹ Erwidert sein Widerpart, verkörpert durch Bjarne Mädel: ›Das war Nordrhein-Westfalen.‹
Meine Richtung ist umgekehrt wie im Film, NRW wird nächstes Länderziel. Die verbleibenden 30 Niedersachsenkilometer bringe ich genussvoll hinter mich, durchs Hinterland. Nach Gesmold nimmt mich eine Art Spazierweg auf, ich gelange in eine morgenfeuchte Tiefebene, die ich mit Hase und Else teile. Die Stelle, wo die beiden Bäche sich aus einem Flüsschen aufspalten, heißt offiziell Bifurkationspunkt.
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