Massive Kritik an Kleinkraftwerk am Lesachbach

„Öffentliches Interesse“ wichtiger als Naturschutz

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
10 Minuten
Kleiner Gebirgsbach mit Schotterbänken und Büschen.

Der Lesachbach in Osttirol ist ein natürlicher Gebirgsbach von hoher Bedeutung. Jetzt wird dort ein Kleinkraftwerk für die Alpe gebaut.

Der Lesachbach ist ein etwa acht Kilometer langer Gebirgsbach in Kals am Großglockner in Osttirol, der laut Naturschutzplan der Fließgewässerräume Tirols in Abschnitten als „sehr erhaltenswürdig/sehr hohe Bedeutung“ bewertet wird. Von diesem Gewässertyp gibt es nur noch drei in ganz Tirol und nur diesen einen in Osttirol, warnt die Umwelt- und Naturschutzorganisation WWF. Trotzdem wurde am 10. Juli 2018 die naturschutzrechtliche Bewilligung für ein Kleinwasserkraftwerk am Lesachbach erteilt – „im übergeordneten langfristigen öffentlichen Interesse“. Das „Netzwerk Wasser Osttirol“ hat im Jahr 2015 kritisiert, dass „mehr als die Hälfte aller Wasserkraftprojekte in Österreich nach dieser Ausnahmeregelung bewilligt“ wird. Die Ausnahme werde zur Regel.

Lesachbachtal mit hohe Bergen im Hintergrund
Das Lesachbachtal Richtung Osten. Links der Rote Knopf, wo der Lesachbach entspringt.

Der Lesachbach in Kals entspringt in der Schobergruppe auf etwa 2500 Metern Seehöhe in den steilen Hängen westlich des Roten Knopf und damit in der streng geschützten Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern. Nach etwa dreieinhalb Kilometern fließt der sprudelnde Gebirgsbach an den Hütten der Lesachalm, die außerhalb der Nationalpark-Außenzone auf etwa 1850 Metern Seehöhe liegt, vorbei und dann durch ein enges, bewaldetes Kerbtal Richtung Westen. Kurz vor seiner Mündung in den Kalser Bach, der seinerseits in die Isel fließt, passiert der Lesachbach den bäuerlich geprägten Ortsteil Lesach. Dort wohnt auch Anton Huter, Obmann der Agrargemeinschaft Lesacher Alpe.

Anton Huter ist ein umtriebiger Mensch. Er leitet die „Großglocknerkapelle Kals“ und war im Februar bei der „Jodlermesse" im Vatikan. Im Dezember wird die Großglocknerkapelle dort bei der Feier zu „200 Jahre Stille Nacht" musizieren. Neben der Musik verbringt er derzeit viel Zeit auf der Lesachalm und am Bach, um seine Baustellen zu beaufsichtigen. Sein „Glödis Refugium“, eine neue Schutzhütte auf der Alpe, ist ihm offenbar ein besonderes Anliegen, denn Mitte August hing vor der dortigen Baustelle ein Plakat, das sinngemäß darauf hinwies, dass das Refugium ohne öffentliche Förderungen gebaut würde, aber allerlei Steuern leisten werde. Ein paar Tage später war das Plakat überdeckt. Dazwischen sorgten Zeitungsberichte für ungewollte Öffentlichkeit: Der WWF erhebe Einspruch gegen das Kleinkraftwerk am Lesachbach, titelten die Tiroler Tageszeitung, die Kleine Zeitung, der Osttiroler Bote und das Magazin Dolomitenstadt.

Anton Huter versteht das nicht. Das Kraftwerk, das die Lesacher Alpe mit Strom versorgen soll, werde doch uneinsehbar in einer Klamm gebaut, wo sich gegenüber bereits das Gebäude für die Wasserfassung des Kraftwerks Kals befindet, das am Unterlauf des Lesachbachs liegt. Wanderer, die am Bach entlang gehen, hätten sich noch nie beschwert, dass im Bach zu wenig Wasser fließen würde, sagt Huter.

Gebirgsbach, Gebäude, Wasserfassung für Kraftwerk
Wasserfassung für das Kraftwerk Kals. Gegenüber wird das Krafthaus der Agrargemeinschaft Lesacher Alpe gebaut.
Baustelle für eine Wandererunterkunft, Fundament aus Beton.
Baustelle des „Glödis Refugiums“ auf der Lesachalm in Kals.
Gebirgsbach, Steine, sprudelndes Wasser.
Ein Drittel des Wassers des Lesachbachs soll auf einer Strecke von 1,6 km in ein Druckrohr abgeleitet werden.
Sträucher und Bäume, dazwischen sprudelnder Gebirgsbach
Der Lesachbach ist im Oberlauf ein natürlicher Gebirgsbach und Lebensraum für seltene Arten.
Steiles Gebirgstal vom Hang weit oben fotografiert.
Lesachbachtal talauswärts.