Was soll aus Deutschlands Flussauen werden?

Interview mit Experten des Bundesamtes für Naturschutz

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
9 Minuten
Bäume ohne Laub stehen auf einer überschwemmten Wiese und spiegeln sich im bräunlichen Wasser.

Auen bieten in Mitteleuropa Lebensräume für 12000 Arten von Tieren und Pflanzen Plätze zum Leben; Auen können Dürren mildern, Wasser reinigen und Hochwässer abschwächen. Nach der Definition der Gewässerkunde ist die Aue „das Hochwasserbett des Flusses.“ Es gibt viele Orte und Landschaftsabschnitte, die „-au“ oder „-aue“ im Namen tragen. Aber Aue heißen und Aue sein ist nicht das Gleiche.

Zwei Drittel der einstigen Auenflächen in Deutschland sind keine Auen mehr.

Diese Flächen können nicht mehr regelmäßig überflutet werden. Das kam vor zehn Jahren bei einer Studie an 79 Flüssen heraus, dem ersten Auenzustandsbericht des deutschen Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz. In den Ex-Auen der erfassten Flüsse liegen Agrarflächen, stehen Siedlungen, Gewerbe- und Industriebetriebe, verlaufen Straßen und Schienenwege. Dort kommt das Hochwasser – außer bei einer Katastrophe – nicht mehr hin.

Mehr Flächen für überflutbare Auen

Und das übrige Drittel? Wie steht es um die so genannten rezenten Auen, in die sich Hochwasser noch ausbreiten können? Nur die Hälfte davon hat noch den Charakter von Auen. Als ökologisch intakt gelten noch 10 Prozent dieser Flächen. Dabei soll es nicht bleiben. Die rezente Aue soll um zehn Prozent erweitert werden. Flächen, die keine ökologischen Spitzenwerte erreichen können, sollen wenigstens aufgebessert werden. Bis zu 450 Millionen Euro sind dafür bis 2050 allein für die Auen entlang der Bundeswasserstraßen erforderlich. Das ist ein Bruchteil der Mittel, die in den alten deutschen Bundesländern zwischen 1954 und 1989 für Entwässerung, Gewässerausbau und Gewässerunterhaltung ausgegeben wurden – wobei viele Auen zerstört wurden. Umgerechnet auf Preise von 2010 haben diese Aktivitäten mehr als 37 Milliarden Euro gekostet.

Heute werden Auen nicht mehr nur als Flächenreserven für Landwirtschaft, Bauvorhaben und Verkehrsprojekte angesehen. Sie sind ökologisch wertvoll und erbringen Leistungen, die sich in Geld berechnen lassen. Was Auen bedeuten und wie sie sich in Deutschland aus Sicht des Naturschutzes entwickeln sollen, das haben Dr. Alfred Herberg und Bernd Neukirchen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn im Gespräch mit Flussreporter Rainer B. Langen erläutert.

Portraitaufnahme eines Mannes
Dr. Alfred Herberg leitet im Bundesamt für Naturschutz in Bonn den Fachbereich II „Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft“
Portraitbild eines Mannes.
Bernd Neukirchen ist beim Bundesamt für Naturschutz für Binnengewässer, Auenökosysteme und Wasserhaushalt zuständig.