Feuer frei – auf geschützte Vögel

Vogeljagd 1: Überall in Europa werden geschützte Arten illegal getötet – auch in Deutschland.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
10 Minuten
eine Herde Vögel, die am Himmel fliegt [AI]

Zu Abermillionen werden Vögel jedes Jahr gefangen und getötet, legal wie illegal. Das geschieht nicht nur auf dem Zugweg und nicht allein in südlichen Ländern. Erstmals versucht eine neue Untersuchung von BirdLife International – der weltweiten Dachorganisation nationaler Vogelschutzverbände – das Ausmaß der illegalen Verfolgung von Vögeln auch in Zentral- und Nordeuropa zu erkunden. Ein gleichermaßen verdienstvolles wie schwieriges Unterfangen, denn es fehlen oft grundlegende Daten.

In Deutschland hat die Veröffentlichung der Untersuchung nun zu einem Konflikt zwischen den maßgeblichen Vogel- und Naturschutzverbänden geführt. Im Zentrum der Kritik steht der NABU, der den Deutschland-Teil der Studie verfasst hat. Andere Verbände halten dessen Aussagen zum Ausmaß der illegalen Tötung einiger Wasservogelarten für stark überzogen und wissenschaftlich nicht haltbar. Es wird befürchtet, die Behauptungen des NABU könnten instrumentalisiert werden, um die Position des Vogelschutzes in der Auseinandersetzung mit der Jagd zu diskreditieren und vom eigentlichen Problem, der massenhaften Vogelverfolgung auch in Deutschland, abzulenken.

„Die Flugbegleiter“ veröffentlichen deshalb heute gleich zwei Beiträge von Thomas Krumenacker. In diesem Beitrag geht es um das Ausmaß der illegalen Vogeljagd. Zusätzlich erscheint der Beitrag „Jägerlatein und eine Ente“ über die Debatte zur NABU-Analyse.

Feuer frei

DER VOGELZUG GEHÖRT zu den letzten großen Schauspielen der Natur in unserer hoch technisierten Welt. Wie schon vor zehntausenden Jahren machen sich in jedem Herbst hunderte Millionen Vögel aus ihren Brutgebieten auf, um in wärmeren Gefilden den Winter zu verbringen. Altvögel haben zu diesem Zeitpunkt eine aufopferungsvolle Zeit des Brütens und der Jungenaufzucht hinter sich. Für die Jungvögel wird es die erste große Reise ihres Lebens. Doch das Naturwunder Vogelzug hat eine blutige Schattenseite.

Kaum unterwegs, werden Millionen Vögel vom gequälten Gesang eingekerkerter Artgenossen in tödliche Netze gelockt oder von Steinfallen zerquetscht. Sie fallen im Kugelhagel zu Dutzenden zugleich vom Himmel, oder sie kleben an mit Leim präparierten Ästen und Zweigen fest, von denen ihre Peiniger sie oft in Stücken abreißen. Sie sterben aber auch zuhauf unbemerkt und qualvoll irgendwo entlang ihres Weges an den Verletzungen, die sie erlitten haben, als sie ihren Häschern noch einmal entkommen sind.

Habichte – hier ein Jungvogel mit der typischen Längszeichnung der Brust – gehören zu den am häufigsten illegal getöteten Greifvögeln.
Auch die europäische Habicht-Population ist wegen der anhaltenden Verwendung von Bleimunition kleiner als sie sein sollte.
Jede fünfte Steppenweihe wird in der EU nach einer Schätzung von BirdLife International abgeschossen.
Jede fünfte Steppenweihe wird in der EU nach einer Schätzung von BirdLife International abgeschossen.
ein Vogel sitzt auf einem Ast [AI]
Obwohl sie überall dramatisch im Bestand abgenommen hat, ist die Turteltaube weiterhin auch in zahlreichen europäischen Ländern zum Abschuss freigegeben.
Ein Schwarzstorch füttert seine Jungvögel in einem Horst in einer Buche.
Weil um ihre Horste Mindestabstände zur nächsten Windkraftanlage gelten, werden die Nester von Großvögeln wie dem Schwarzstorch immer wieder zerstört.
Moorente
Bei seltenen Vogelarten wie der Moorente fallen illegale Abschüsse besonders ins Gewicht.
eine Gruppe von Vögeln in einem Nest [AI]
Auch in Deutschland werden Graureiher immer noch als Konkurrenten um Fisch angesehen und ihre Nester zerstört