„Die Bauern sind nicht an allen Umweltproblemen schuld“

Ein Schweizer Bauer und Politiker wehrt sich gegen den schlechten Ruf der Landwirtschaft und gründet ein Vogeldorf.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
15 Minuten
Andreas Aebi, Gründer des Vogeldorfes, steht in seinem Naturgarten in Alchenstorf, im Schweizer Emmental.

Es ist leicht, den Bauernhof von Andreas Aebi zu finden: immer den Schwalben nach. Dort, wo Mehl- und Rauchschwalben wie ein Mückenschwarm ums Gehöft fliegen, wartet auch schon Aebi und deutet unter den Dachfirst einer Scheune. Kürzlich hat er hier eine Reihe von künstlichen Mehlschwalbennestern angebracht.

Anders als über 150 andere Kunstnester, die Andreas Aebi auf seinem Hof zählt, sind sie noch leer. „Das wäre ein Highlight, wenn die Schwalben auch diese Nester beziehen“, sagt er: „Gleich darunter an der Scheunenwand kommt dann das Schild hin. Damit es alle sehen, die am Hof vorbeifahren.“ Auf dem Schild wird stehen: Vogeldorf.

Wir sind im ersten Vogeldorf der Schweiz, in Alchenstorf, einer 600-Seelen-Gemeinde in der hügeligen Landschaft des Emmentals im Kanton Bern, die noch immer landwirtschaftlich geprägt ist. Die Bauern betreiben vor allem Viehzucht und Milchwirtschaft. Das saftige Grün der Weiden zwischen den Dörfern und Wäldern springt einen wie auf einer nachträglich kolorierten Postkarte förmlich an. Der Dung der Kühe versorgt den Boden mehr als genügend mit Nährstoffen. Aus dieser Gegend stammt der berühmte Emmentaler-Käse: der mit den Löchern, im Ausland schlicht auch „Schweizer Käse“ genannt.

Der Bundespräsident reist ins Vogeldorf

Auch Andreas Aebi ist Bauer, neben vielem anderen: Er ist Abgeordneter im Nationalrat, der grossen Kammer des Schweizer Parlaments, er ist Präsident der Schweizerischen Rinderzüchter, Auktionator, Reiseveranstalter – und er ist der Erfinder des Vogeldorfs. Vor knapp einem Jahr lud er zum Fest und hob das Vogeldorf aus der Taufe.

Seine politischen Beziehungen liess er bis ganz nach oben spielen. Und so nahmen nicht nur viele Bäuerinnen und Bauern sowie weitere Einwohner aus Alchenstorf am Festakt teil. Aus Bern reiste ein Mitglied der Schweizer Regierung an. Bundespräsident Ueli Maurer, ein Parteifreund Aebis, hielt eine Festrede. Und auch der ehemalige Trainer des 1. FC Köln, Hanspeter Latour, war da, der sich inzwischen fast gänzlich der Naturbeobachtung verschrieben hat (das Flugbegleiter-Porträt von Latour finden Sie unter diesem Link).

Wissenschaftliche Begleitung

Das Vogeldorf ist nicht irgendeine spleenige Idee eines Hobby-Ornithologen. Andreas Aebi meint es ernst damit. Das Vogeldorf ist ein Projekt, mit dem bestimmte Vogelarten sowie die Biodiversität insgesamt in Alchenstorf gefördert werden sollen.

Die Berner Fachhochschule begleitet das Vogeldorf wissenschaftlich, Birdlife Schweiz unterstützt es. Doch zuerst wird Inventur gemacht. Bereits sind Hecken, Obst- und Einzelbäume sowie das Siedlungsgebiet einer Beurteilung unterzogen worden. Die extensiv bewirtschafteten Wiesen werden untersucht. Und ein Ornithologe streift gerade durch die Gemeinde und schaut und hört, wo welche Vogelarten brüten.

Blick auf das Dorf Alchenstorf mit Bauernhäusern im Emmental (Schweiz).
Idyllisch ist das Dorf Alchenstorf im Emmental gelegen: Hier wird vor allem Viehzucht und Milchwirtschaft betrieben.
Unter dem Dachfirst des Stalls auf dem Hof von Andreas Aebi sind viele künstliche Mehlschwalbennester angebracht.
Dutzende von Kunstnestern für Mehlschwalben hat Andreas Aebi auf seinem Hof angebracht. Und sie werden fleissig genutzt.
Ein Nistkasten für Schleiereulen ist hoch oben an einer Scheunenwand angebracht.
Neben Schwalben haben es Andreas Aebi auch die Schleiereulen angetan. In einem Nistkasten auf seinem Hof brüten regelmässig Eulenpaare.
Eine Wiese mit Hochstammobstbäumen und Kühen neben dem Bauernhof von Andreas Aebi in Alchenstorf.
Hochstammobstbäume sollen in Alchenstorf gefördert werden. Gerade für den Gartenrotschwanz sind sie wichtig.
Eine Hecke mit Nuss- und Kirschbäumen, die über eine Wiese verläuft.
Der Stolz von Andreas Aebi: eine Hecke, die er zusammen mit seiner Familie und Helfern seit Jahren pflegt.
Ein neu angelegter Tümpel oberhalb von Alchenstorf.
1000 solche Tümpel sollen in der Schweiz neu angelegt werden, geht es nach dem Willen von Andreas Aebi. Damit soll auf vergleichsweise einfache Art die Biodiversität gefördert werden.
Andreas Aebi steht im Kuhstall und schaut zur Decke, wo Rauchschwalben brüten.
Im Kuhstall brüten mehrere Rauchschwalbenpaare.