Stare im Tempurateig, Wacholderdrosseln mit Selleriepüree
Wie ein Gourmetkoch Rezepte für geschützte Vögel präsentierte – und wie sie später still und heimlich verschwanden. Von Christian Schwägerl
Flugbegleiter – Ihre Korrespondenten aus der Vogelwelt
Anfang Oktober 2018 erreichte uns eine Email, die „mit empörten Grüßen“ unterzeichnet war. Eine aufmerksame Leserin hatte im Feinschmecker-Magazin Falstaff, das in Düsseldorf erscheint und nach eigenen Angaben „mit einer Gesamtauflage von rund 150.000 Stück das größte Wein- und Gourmetmagazin im gesamten deutschsprachigen Raum“ ist, ein Kochrezept entdeckt, das bei ihr Entsetzen auslöste:

Der Vogel ist in Deutschland wie alle anderen Singvögel nach nationalem wie nach EU-Recht geschützt. Zudem haben der NABU und der bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) den Star 2018 zum „Vogel des Jahres“ auserkoren – auch aufgrund seiner rückläufigen Bestände.
Für den Magazinbeitrag war ein entsprechend frittierter Vogel aufwändig zubereitet worden – als Inszenierung für die Leser. Der Vogel lag mit abgespreizten Flügeln und nach vorne gerichteten Beinen, die Krallen gut sichtbar, auf einer Serviette.
Der Anblick des Vogels, an dem kaum Fleisch war, veranlasste uns zu einem Tweet:
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Unsere Twitterfollower schauten sich daraufhin das Magazin Falstaff genauer an – und entdeckten ein ähnlich fragwürdiges Rezept, ebenfalls aufwändig fotografisch inszeniert: Wacholderdrossel mit Selleriepüree und Wildkräuter-Salat. „Das Wildgeflügel brät Max Stiegl vom Gut Purbach im Ganzen“, stand dabei.
Stare im Tempurateig, Wacholderdrosseln an Wildsalat? Dass am Mittelmeer noch immer illegal Singvögel gefangen werden und viele europäische Länder die Jagd auf gefährdete Vogelarten sogar erlauben, wie vor kurzem bei „Flugbegleiter“ Thomas Krumenacker berichtet hat, ist das eine. Geschützte Wildvögel auf die Speisekarte zu heben und das öffentlich anzupreisen, ist aber noch etwas anderes – es behandelt den Vorgang als normal, macht ihn salonfähig, regt vor allem durch die Bebilderung, die es als ganz normales Gericht erscheinen lässt, vielleicht sogar zur Nachahmung an. Die Publikation stellte dar: Diese Vögel sind auf einem realen Esstisch gelandet.
Was beide Rezepte verbindet, ist das Restaurant „Gut Purbach“ im österreichischen Burgenland, das auch auf anderen Gourmetseiten für seine „Innereien- und Raritätenküche“ gerühmt wird. Unsere Neugierde war geweckt. Vielleicht lagen wir ganz falsch, und es gibt in Deutschland oder Österreich gesetzliche Ausnahmen dafür, etwa Stare und Wacholderdrosseln anzubieten? Was bewegt den Restaurantbesitzer Max Stiegl dazu, die Tiere auf seine Speisekarte zu setzen? Und was würden staatliche Stellen dazu sagen?
Ein um Nachhaltigkeit besorgter Restaurantchef
Wir schickten Anfragen ab. An das Magazin Falstaff, an Max Stiegl, an das deutsche Bundesamt für Naturschutz. Max Stiegl antwortete innerhalb weniger Minuten: „Guten Tag, bin gerade unterwegs, können Sie mich bitte anrufen.“ Bevor wir zum Hörer griffen, fanden wir im Magazin Falstaff einen Artikel über den Restaurantbesitzer, der sein Konzept erläutert.
Herr Stiegl, so lernten wir, tut vieles, was sich umweltbewusste Menschen wünschen: Er verwertet Tiere ganz, kocht saisonal und baut einen Teil des Gemüses, das er seinen Gäste serviert, selbst an. Und er gehört mit seinem Restaurant am Neusiedler See zu den Stars der authentischen und naturnahen Küche. Auf seiner Webseite beschreibt Stiegl das Gut Purbach als einen „gastronomischen Leitbetrieb des Burgenlandes“. Neben der herausragenden, national wie international gefeierten Küche und dem umfangreichen Weinkeller sei es vor allem „die innovative Verbindung aus traditioneller Landwirtschaft und zeitgemäßer Küche, die den Charme dieses Betriebs ausmacht“.
Max Stiegl klang an diesem Nachmittag etwas gehetzt, er hatte auf jeden Fall alle Hände voll zu tun. Aber er wollte die Sache sofort klären – und versichern, dass er aus seiner Sicht nichts falsch macht.
Lesen Sie, was Max Stiegl zum Kochen mit Wildvögeln sagt, wie Naturschützer das bewerten – und wie sich die Rezepte wenig später in Luft auflösen.




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