Was bringt 2021 für die Natur?

Eine Vorschau auf die zehn wichtigsten Ereignisse aus Naturschutz und Naturschutzpolitik im neuen Jahr

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
19 Minuten
Ein Bartgeier vor blauem Himmel

Was bringt 2021 für die Natur?

Auf ein Neues: 2021 wird aus Sicht des Naturschutzes ein überaus spannendes und wichtiges Jahr. Auf internationaler Ebene stehen zahlreiche Konferenzen und Gipfeltreffen an, die wegen der Corona-Pandemie nicht 2020 haben stattfinden können.

In Deutschland wirft der Wahlkampf seine Schatten voraus: unter anderem wird sich sich entscheiden, ob die Koalition ihr groß angekündigtes Insektenschutzgesetz noch rechtzeitig liefern kann. Ein besonders erfreuliches Ereignis steht im frühen Sommer bevor: Nach Frankreich, der Schweiz, Italien und Österreich soll nun auch in den bayerischen Alpen der Bartgeier wieder heimisch werden. Ein Überblick über zehn der wichtigsten umweltpolitischen Themen der nächsten Monate.

1 – Das Insektenschutzgesetz – Einblicke in eine zerrüttete Regierungskoalition

Ein Tagpfauenauge
Ob aus dem groß angekündigten Insektenschutzgesetz noch etwas wird, entscheidet sich in den ersten Wochen des Jahres.

Als „Dreh- und Angelpunkt im Ökosystem“, beschreibt der Biodiversitätsforscher Josef Settele Insekten in seinem gerade erschienenen Buch Die Triple-Krise Das schien auch die Bundesregierung erkannt zu haben, jedenfalls schrieben sich SPD und Union den Insektenschutz in ihren Koalitionsvertrag.

Zu Beginn des Wahlkampfjahrs 2021 scheint klar: Das mit großer Fanfare angekündigte Insektenschutzgesetz bleibt wohl Wunschdenken. Und das, obwohl Agrarministerin Julia Klöckner zum Weltbienentag im Mai nicht versäumte, die Insekten als "systemrelevant“ zu bezeichnen. Umweltministerin Svenja Schulze nannte eine Welt ohne Insekten sogar „nicht lebenswert“.

Soll es noch etwas werden, müsste der vom Bundesumweltministerium erarbeitete Entwurf, der einige wichtige neue Elementen etwa zur Bekämpfung der Lichtverschmutzung und der Erweiterung der Liste gesetzlich geschützter Biotope enthält, noch im Januar durch das Kabinett. Nur so könnten alle parlamentarischen Hürden noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl genommen werden..

Danach sieht es indes nicht aus und selbst innerhalb der beiden beteiligten Ministerien rechnen Fachleute nicht mehr mit einer Verabschiedung.

Klöckner hat über lange Zeit die Aufgaben zum Insektenschutz, für die ihr Ressort zuständig ist, unerledigt gelassen – etwa die Vorlage einer Novelle der Pflanzenschutzverordnung, Zum Teil hat sie bestehende Schutzbestimmungen sogar aktiv konterkariert, wie durch die Freigabe von ökologischen Vorrangflächen zur Futtergewinnung und zuletzt, vor wenigen Wochen, durch die Notfallzulassung insektenschädlicher Neonicotinoide. Nun blockiert sie auch die Verabschiedung von Schulzes recht moderatem Insektenschutzgesetz im Kabinett.

Als Begründung gab sie in einem Brief an Kanzleramtsminister Helge Braun an, das Umweltministerium ignoriere komplett die Belange der Landwirtschaft und die Einwände ihres Ministeriums. In dem derart kritisierten Ministerium erinnert man sich indes ganz anders und spricht von schweigenden Vertretern des Klöckner-Ministeriums bei der internen Abstimmung und davon, dass diesen offenkundig ein „Maulkorb umgehängt“ worden sei.


Zerwürfnis bis zur Handlungsunfähigkeit zwischen den Ministerien

Das Schreiben Klöckners und ein Antwortbrief von Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth legen das tiefe Zerwürfnis und die De-facto-Handlungsunfähigkeit innerhalb der Bundesregierung offen, was ressortübergreifende Umweltfragen betrifft. In ihrem Brief an Braun. den engsten Mitarbeiter von Kanzlerin Angela Merkel, wirft Klöckner ihrer Kabinettskollegin Schulze vor, ihr Insektenschutzgesetz „übereilt“ in das Kabinett eingebracht zu haben. Dabei sind zwischen der Verabschiedung erster Eckpunkte durch das Kabinett und der Vorlage des Gesetzes durch Schulze zweieinhalb Jahre vergangen.

„Weder wahr noch wahrhaftig“ – Umweltstaatssekretär Flasbarth über Klöckners Anschuldigungen

Klöckners Darstellungen seien „weder wahr noch wahrhaftig“, kontert Schulzes Staatssekretär Flasbarth erbost in einem internen Schreiben. Klöckner betreibe eine Totalblockade gegen jedweden Fortschritt beim gesetzlichen Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen Pflanzenschutzmitteln.“ (Wie Klöckner die von der Koalition vereinbarte Reduzierung des Glyphosat-Einsatzes bremst, lesen Sie hier.

Flasbarths Fazit: „Frau Klöckner hat es in zweieinhalb Jahren seit ihrem Amtsantritt vermocht, alle relevanten Regelungen in diesem Bereich mit einer vollständigen Umsetzungsverweigerung des Koalitionsvertrages auszusitzen.“ Zur Umsetzung des Kabinettbeschluss zum Insektenschutz habe Klöckner „bislang folgendes geliefert“, schreibt der SPD-Mann: „Nichts.“

Wahlkampf unter dem Ministerinnensiegel?

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Klöckner hat möglicherweise bereits die Bundestagswahl im September im Blick: Die Verabschiedung des aus ihrer Sicht zu weitreichenden Gesetzentwurfs Klöckners zum Insektenschutz sei „nicht im Interesse meines Ressorts und der Union“, heißt es in ihrem Brief an Braun. Zufall, dass der Brief bereits kurze Zeit später in der Agrarpresse kursierte?

2 – Die europäischen Agrarpolitik – die wichtigste Weichenstellung für das Leben auf Europas Äckern und Feldern

Ein Maisfeld
Auch die neue GAP setzt ganz auf Intensivlandwirtschaft
Ein Schreiadler fliegt vor der Kulisse von Windkraftwerken.
Viele Vogelarten – hier ein Schreiadler – sind durch den ungebremsten Ausbau der Windenergie gefährdet.
Ein Moor mit tief im Wasser stehenden Birken und herbstlichem Laub auf der Wasseroberfläche
Die EU-Biodiversitätsstrategie ist der bislang ambitionierteste Versuch, die zerstörte Natur in Europa wiederherzustellen.
Ein Bartgeier im Vorbeiflug
Der schönste unter den Geiern, der Bartgeier, soll in diesem Jahr wieder heimisch in Deutschland werden – mehr als 100 Jahre nach seiner Ausrottung.
Ein Regenwald auf La Reunion im Indischen Ozean
Tropische Wälder sind Hotspots der globalen Biodiversität
Ein Jungwolf läuft im Schnee auf den Betrachter zu.
Seit 20 Jahrensind Wölfe wieder in Deutschland heimisch.
Ein Rehbock blickt auf den Betrachter. Im Hintergrund äst ein weiteres Reh.
Die Jagd auf Rehe soll mit dem neue Bundesjagdgesetz zum Schutz des Waldes forciert werden.
eine Silhouette einer Person, die eine Waffe hält [AI]
Ein Bauer bei der Mahd seiner Wiese.
Deutschland könnte sich wegen unzureichenden Schutzes von Mähwiesen bald vor dem Europäischen Gerichtshof wiederfinden.