Der Flugbegleiter-Jahresrückblick 2018

Von Christiane Habermalz

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
Ein Amselmännchen vor gelbem Hintergrund

Das Jahr 2018 war ein sehr produktives Jahr für uns Korrespondenten aus der Vogelwelt – mit Reportagen über legale und illegale Jagd und den Hambacher Forst, Berichten von wissenschaftlichen Tagungen, Betrachtungen über die Schönheit des Vogelbeobachtens. Mit Kommentaren zum Insektensterben und zur Umweltpolitik, Streifzügen durch die Welt der Vogelromane, Filmbesprechungen und Glossen.

Mal nachdenklich, mal humoristisch, mal politisch, mal wissenschaftlich: Jeder meiner Kollegen und jede meiner Kolleginnen hat ihren ganz eigenen Schreibstil und ihren persönlichen Zugang zu den Themen.

Ich möchte an dieser Stelle einen Blick zurück auf das Flugbegleiter-Jahr werfen und Ihnen Monat für Monat jeweils meinen persönlichen Lieblingstext noch einmal ans Herz legen – für eine geruhsame Schmökerstunde auf dem Jahresendsofa.

Wir danken unseren Leserinnen und Lesern und wünschen ein gutes und gesundes Jahr 2019! Bleiben Sie uns gewogen!

JANUAR

Christian Schwägerl ist ein Großstadtbirder. In Berlin führt er regelmäßig naturinteressierte Menschen über das Tempelhofer Feld, um den staunenden Großstädtern typische Agrarvögel wie Feldlerchen und Braunkehlchen zu zeigen, die hier ein urbanes Refugium gefunden haben. So erstaunt es wenig, dass er auch mitten in London Schellenten und Eisvögel entdeckt und in einem stimmungsvollen Text nachspürt. Ein frühwinterlicher Lesegenuss.

FEBRUAR

Diese schier unglaubliche Geschichte über einen Gänsegeier, der in den Wirren des Syrienkrieges strandet – und auf wundersame Weise von Vogelliebhabern durch alle Fronten hindurch gerettet wird, kann ich gar nicht oft genug empfehlen. Weil sie so viel Hoffnung macht, dass es doch irgendwann genügend Gemeinsamkeiten für Frieden gibt, selbst unter den hasserfülltesten Kriegsgegnern. Thomas Krumenacker hat diese Story wochenlang von Israel und Deutschland aus nachrecherchiert. Ein echtes Flugbegleiter-Highlight!

MÄRZ

Wussten Sie, dass Spatzen spielen? Und dass ihr Tschilpen keineswegs monoton ist, sondern ein hochmusikalisches Potpourri ist aus den Schnäbeln unterschiedlichster individueller Sänger? Zum Weltspatzentag am 20. März hat Cord Riechelmann eine wunderbare Liebeserklärung an die kleinen braunen Allerweltsvögel geschrieben – die leider vielerorts gar nicht mehr so sehr Allerweltvögel sind.

APRIL

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben: Der Kuckuck gehört zu den Vögeln, die massiv unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden haben – weil seine Wirtsvögel immer früher zu brüten anfangen, hat er den richtigen Zeitpunkt fürs Eiereinschmuggeln oft schon verpasst, wenn er im April aus Afrika kommt. Carl-Albrecht von Treuenfels hat dem Kuckuck ein wunderbares Artenporträt gewidmet, das wir mit Bildern aus dem Kuckucksbuch von Karl Schulze-Hagen und Oldrich Mikulica illustrieren konnten.

MAI

Wenn Joachim Budde über Insekten schreibt, dann hat man das Gefühl, es handele sich um die liebenswertesten Geschöpfe der Welt. Man lernt etwa, dass Hornissenlarven Hasenzähne haben und die Larven der Gelbfiebermücken kauzigen Opas gleichen. Hier empfiehlt er ein neues Buch über Insekten so bildhaft, dass man sogar Lust verspürt, einer Schmeißfliegenlarve bei der Metamorphose zuzuschauen.

JUNI

Was haben Vögel mit dem All zu tun? Seit dem 6. Juni 2018 sehr viel. Da hat nämlich Alexander Gerst, der vielumjubelte deutsche Astronaut, bei einem Weltraumspaziergang auf der ISS auch die Empfangsantennen des Icarus-Projektes montiert – ein Moment, der von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Ornithologie mit Hochspannung erwartet wurde. Claudia Ruby beschreibt in ihrem Text, wie die Wissenschaftler auf den großen Moment hin fiebern – bis sie endlich per Satellit die Wanderung der Zugvögel auf der Erde verfolgen können – und damit die Vogelforschung revolutionieren werden. 2019 ist es hoffentlich so weit – wir bleiben dran.

JULI

Dass Vogelfedern bei manchen Menschen solche Begehrlichkeiten auslösen können, dass sie dafür sogar kriminell werden – wer hätte sich das vorstellen können? Unser Schweizer Flugbegleiter-Autor Markus Hofmann hat diesen besonderen Verbrechen aus Leidenschaft nachgespürt: Ein Text wie ein Krimi. Sehr lesenswert!

AUGUST

Die Deutschen sind die Müll-Trenn-Weltmeister, essen Bio und lieben die Natur? Schön wärs. Vom Öko-Musterknaben, auch wenn wir dieses Klischee selber gerne pflegen, sind wir Deutschen weit entfernt. In zehn Punkten hat Christian Schwägerl recherchiert, wie es wirklich um unser Umweltbewusstsein steht. Gnadenlos faktenreich – und pünktlich zum Earth-Overshoot-Day am 1. August – dem Tag, an dem die Menschheit weltweit ihre natürlichen Ressourcen für das Jahr aufgebraucht hat. Was glauben Sie, wann wir Deutschen 2018 unseren Earth-Overshoot-Day erreicht hatten?

SEPTEMBER

Dass Schriftsteller auch Ornithologen sein können, wissen wir spätestens seit Jonathan Franzen. Doch es kommt selten vor, dass gleich drei vogelbegeisterte Literaten auf einem Podium sitzen und darüber sprechen, welche Rolle Vögel für ihr Schreiben haben. Doch genauso war es beim Literaturfestival im September in Berlin – klar, dass Petra Ahne, unsere Flugbegleiter-Fachfrau für Literatur, dabei war. Entstanden ist ein schöner Text darüber, wie unterschiedlich Vögel Menschen und Autoren inspirieren können.

OKTOBER

Dieser Text von mir liegt mir sehr am Herzen, weil er ein persönliches Bekenntnis ist: Ein trotziges Aufbegehren, dass ich mich nicht abfinden will mit dem allgegenwärtigen Verlust von Natur und Artenvielfalt. Auch wenn mein Guerilla-Kampf gegen das Insektensterben zweifellos etwas Quichottehaftes hat: Viva la Revolución!

NOVEMBER

Johanna Romberg war in diesem Jahr für uns an spannenden Schauplätzen unterwegs. Sie hat ein wegweisendes Projekt zur Versöhnung von Landwirtschaft und Naturschutz untersucht, war auf nächtlicher Falter-Exkursion, besuchte den Dümmer See – und nahm an den Zugvogeltagen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer für uns teil. Ihr Bericht von dort verbindet wie alle ihre Artikel Feinsinn und Klarheit.

DEZEMBER

Die seltenen Schreiadler werden in Deutschland mit großem Aufwand geschützt – doch auf dem Weg in den Süden zu Tausenden abgeschossen: An einem Engpass der Zugroute im Libanon, an dem der gesamte Weltbestand der Vögel vorbeimuss, brauchen die Trophäenjäger nur „draufzuhalten“. Thomas Krumenacker, selber engagierter Schreiadler-Schützer in Brandenburg, hat diese traurige Geschichte detailliert nachrecherchiert.

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