„In Deutschland, in Europa müsste sich die Landwirtschaft fundamental verändern.“

Der Vogelfragebogen: Heute mit Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
4 Minuten
Eine Frau hockt neben einem grobmaschigen Netz im hohen Gras.

Der Flugbegleiter-Vogelfragebogen stellt interessante Menschen aus Naturschutz und Vogelforschung vor. Für Vögel hat Katrin Böhning-Gaese, Jahrgang 1964, viel weniger Zeit als sie sich wünschen würde. Denn als Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) in Frankfurt am Main nehmen Organisation und Verwaltung sie zu sehr in Anspruch. An dem 2008 gegründeten Forschungsinstitut untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf vielfältige Weise, welchen Einfluss das Klima auf die Artenvielfalt hat. Katrin Böhning-Gaese hat Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren in zahlreichen Universitäten weltweit gehabt. Besonders interessiert sich die Biologie-Professorin für die Tiergemeinschaften Ostafrikas. Sie lehrt an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und ist Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, zu der das BiK-F gehört.

Die Forscherin mit einem Tannenhäher.
Katrin Böhning-Gaese ist Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

1. Wann, wie und wo haben Sie den Zugang zur Vogelwelt gefunden?

Bei meiner ersten Exkursion im Biologiestudium auf dem Spitzberg in Tübingen.

2. Was bedeutet Ihnen Vogelbeobachten in Ihrem Alltag?

Wissenschaftliche Entdeckungen, Freude und Spaß.

3. Teilen Sie ein besonders schönes Beobachtungserlebnis mit uns?

Meine erste große Exkursion im Biologiestudium fand in Spanien statt. Wir haben in einem Flusstal im Freien nur mit Schlafsäcken übernachtet. Jeder zog im ersten Licht los, um Vögel zu entdecken. Plötzlich saß auf einem Busch eine Samtkopfgrasmücke in der Sonne und sang; das rote Auge leuchtete.

Eine Samtkopfgrasmücke, ein hellgrauer Vogel mit schwarzem Kopf, weißem Hals und leuchtend rotem Auge.
Eine Samtkopfgrasmücke wie diese bescherte Katrin Böhning-Gaese in Spanien ein besonders schönes Beobachtungserlebnis.

4. Bei welchen Vögeln tun Sie sich bei der Bestimmung schwer?

Leider vielen.

5. Welchen Gesang hören Sie am liebsten?

Die Nachtigall, weil ich es immer wieder erstaunlich finde, wie ein so unscheinbarer Vogel so schön singen kann.

6. Gibt es eine Vogelart, die Sie nicht ausstehen können?

Selbsterklärte Spaßvögel können anstrengend sein.

7. Wenn Sie sich CO2-frei an einen beliebigen Ort der Erde zum Vogelbeobachten beamen könnten, wohin?

Nach Ecuador, an den Ostabhang der Anden.

8. Was machen Sie mit Ihren Beobachtungen?

Meist den Moment genießen. Wenn ich die Art noch nie gesehen habe, notiere ich Ort, Zeit und Art.

„Meine Heldin

ist Jane Goodall.“

9. Wenn Sie sich in einen Vogel verwandeln dürften, welcher wäre das?

Vielleicht ein Albatros; es muss unglaublich schön sein, so fliegen zu können.

10. Wenn Vögel unsere Sprache verstehen könnten, was würden Sie ihnen gerne sagen?

Dass sie gerne sitzen bleiben dürfen, bis ich mein Fernglas parat habe.

11. Wenn Sie sich einen Begleiter zum Vogelbeobachten aussuchen dürften, wer wäre das?

Mein Mann.

12. Wer ist Ihr Held, Ihre Heldin in Biologie und Naturschutz?

Jane Goodall. Wir haben in der Schule im Biologie Leistungskurs die berühmten Filme über sie gesehen. Ich fand ihre Arbeit im Freiland in Afrika unglaublich faszinierend. In Folge habe ich während meiner Doktorarbeit angefangen, selbst in Afrika im Freiland zu arbeiten, zunächst auf Madagaskar. Später kamen dann Südafrika, Kenia, Uganda und Tanzania dazu.

„Ich wünsche mir eine neue Vogelart

namens Supertramp.“

13. Was tun Sie zum Schutz der Vogelwelt?

Wir haben in unserem Garten einheimische Büsche mit Beeren angepflanzt; eine Wiese angelegt.

Katrin Böhning-Gaese schaut in die Kamera. Sie steht im Wald, einen Rucksack auf dem Rücken.
Wenn sie die Sprache der Vögel beherrschte, würde Katrin Böhning-Gaese ihnen gern zurufen: „Bleibt bitte sitzen, bis ich mein Fernglas ausgepackt habe!“

14. Was ist Ihre größte Umweltsünde? Unter welchen Umständen würden Sie darauf verzichten?

Die Größe unserer Umweltsünden ist gar nicht einfach zu ermitteln. Ich arbeite daran, meinen ökologischen Fußabdruck Schritt für Schritt zu reduzieren. In der Zwischenzeit verzichte ich auf private Flugreisen; ich esse wenig Fleisch.

15. Wenn Sie für einen Tag Regierungschefin wären und eine Maßnahme zum Schutz der Vogelwelt umsetzen könnten, was wäre das?

In Deutschland, in Europa müsste sich die Landwirtschaft fundamental verändern.

16. Was beunruhigt Sie für die Zukunft der Artenvielfalt am meisten und warum?

Für nachhaltigen Schutz und Förderung der Artenvielfalt wird eine fundamentale Veränderung des ganzen Gesellschaftssystems benötigt. Ich hoffe, dass uns das schrittweise gelingt.

17. Woher nehmen Sie Hoffnung?

Aus der Gemeinschaft; es gibt so viele Menschen, die derzeit in die gleiche, richtige Richtung marschieren.

18. Wenn Sie sich von der Evolution eine neue Vogelart wünschen dürften, wie würde sie heißen?

Supertramp.

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