Mit dem Bienenfresser geht es aufwärts

Bunter geht es kaum: Warum die tropisch anmutende Art es bei uns mag

von Carl-Albrecht von Treuenfels
6 Minuten
Bienenfresser auf einem Ast.

Carl-Albrecht von Treuenfels gehört zu den Doyens des Natur- und Vogeljournalismus in Deutschland. Bei „Die Flugbegleiter“ präsentiert er eine Retrospektive seiner Artikel. Auf das zehn Jahre altes Portrait des Bienenfressers blickt er so zurück:

„Erst vor kurzem hat die Bundesregierung in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen einräumen müssen, dass die Zahl der Vögel in der Agrarlandschaft zwischen 1980 und 2010 um mehr als die Hälfte abgenommen hat, einige Arten bis heute sogar um fast 90 Prozent. Genauso schlecht steht es um die Insektenwelt: Die Verluste gehen gebietsweise über 90 Prozent hinaus. Viele Vögel finden zur Brutzeit keine Nahrung mehr für ihre Jungen. Die Imker beklagen den Tod vieler ihrer Bienenvölker. Die Zahl der an den Rapsfeldern stehenden Körbe und Kästen hat drastisch abgenommen. Angesichts dieser verheerenden Situation mag man es kaum glauben, dass eine exotisch farbige Vogelart dem allgemeinen Trend trotzt. Als ich vor zehn Jahren die Bienenfresser vorstellte, gab es rund 500 Brutpaare in Deutschland. Nach einzelnen Ansiedlungsversuchen in den 1960er Jahren gab es etwa seit 1970 regelmäßige Bruten zunächst in kleiner Zahl. 20 Jahre später verzeichneten die Ornithologen wachsende Brutkolonien am Kaiserstuhl und im Saaletal. Der Atlas Deutscher Brutvogelarten weist zwischen 2005 und 2009 einen Bestand von 750 bis 800 Brutpaaren aus, inzwischen sind nach jüngsten Schätzungen die 1000 überschritten. Aufgrund des Klimawandels setzt sich die Ausbreitung aus Südeuropa nach Norden fort, und wenn es so weitergeht, könnte der Tag kommen, an dem bei uns mehr Bienenfresser als Feldlerchen brüten. Wenn sich bis dahin die Fluginsekten dank einer verbesserten Agrarpolitik wieder erholt haben. Bei aller Freude über die bunten Vögel bleibt zu hoffen, dass die Lerchen und die vielen anderen Feldarten dennoch in der Überzahl bleiben.“

Portrait-Aufnahme von Carl-Albrecht von Treuenfels. Er steht lächelnd mit einem Fernglas um den Hals vor Büschen.
Carl-Albrecht von Treuenfels ist seit Jahrzehnten leidenschaftlicher Naturschützer, Vogelbeobachter und auch Journalist.

TROTZ INSEKTENFLAUTE: DER BIENENFRESSER BREITET SICH AUS (2007)

Die Bienenfresser wirken in ihrem braun, gelb, grün, blau, weiß und schwarz gefärbten Gefieder dermaßen exotisch, dass der Beobachter der heimischen Vogelfauna glaubt, er habe es mit geflohenen Gefangenen zu tun, wenn er sie zum ersten Mal in mitteleuropäischen Breiten sieht. Dabei ist der bunt gefiederte Vogel, der mit Eisvögeln, Blauracken und Wiedehopfen zur Ordnung der Rackenvögel zählt, nur eine erfreuliche Ausnahme auf der langen Liste der in ihrem Bestand gefährdeten Brutvogelarten. Während die Naturschutzbehörden und die zahlreichen ehrenamtlich tätigen Ornithologen viele Arten bedroht sehen, geht es bei wenigen Arten aufwärts. Und neben den vielgeschmähten Rabenvögeln, denen die jagdliche Verschonung gut bekommt, gehört dazu seit mehr als einem Jahrzehnt eben auch der Bienenfresser, der bislang überwiegend aus Südeuropa, Vorderasien und Nordafrika bekannt war.

Die mindestens 500 Bienenfresserpaare, die nach Angaben der Naturschutzorganisation Nabu in diesem Sommer in Deutschland brüten, sind weder aus Volieren geflüchtet noch haben sie sich verflogen. Sie haben vielmehr als Folge der steigenden Durchschnittstemperaturen ihr Brutareal nach Norden ausgeweitet. Auch in den Niederlanden, auf den Britischen Inseln, in Dänemark und in Schweden sind sie schon gesichtet worden. Zwar hat es schon früher immer wieder einmal Bruten der Insektenjäger in Deutschland gegeben. Aufregung in Ornithologenkreisen riefen etwa zwei Paare hervor, die 1964 einige Junge bei Hamburg aufzogen. Und in Baden-Württemberg gibt es schon seit längerem einige kleinere Brutkolonien. Aber in jüngster Vergangenheit sind die Zahlen rasch gestiegen. Neben weiteren Ansiedlungen im Südwesten, in Bayern und in Nordrhein-Westfalen scheint das südliche Sachsen-Anhalt die Vögel besonders anzuziehen. Gut 200 Paare haben im vergangenen Jahr dort gebrütet.

Ein Bienenfresser sitzt auf einem Ast und frißt eine Libelle.
Ohne Insektennahrung kann der Bienenfresser nicht überleben.

Vielleicht ist die Zahl sogar noch höher. Nicht jeder Besitzer eines Steinbruchs oder einer Kiesgrube gibt darüber Auskunft, ob sich bei ihm die knapp dreißig Zentimeter großen und zwischen fünfzig und sechzig Gramm schweren Vögel angesiedelt haben. Sei es, um die als „ornithologische Kostbarkeiten“ geltenden Tiere und damit auch den eigenen Arbeitsbetrieb vor zu vielen Beobachtern zu schützen, sei es, um zu verhindern, dass die Behörden die Kies- und Sandwände, in denen die Höhlenbrüter ihre Niströhren anlegen, unter Schutz stellen – wie es laut Bundesartenschutzverordnung die Folge wäre.

Steilwände aus Lehm und Sand, die von der Sonne möglichst lange beschienen werden, an Prallwänden von Flussufern etwa, in Braunkohletagebaugruben oder an Baggerseen, sind bevorzugte Plätze, an denen sich Bienenfresser nach der Rückkehr aus dem afrikanischen Winterquartier im Mai oder gar erst im Juni zur Brut niederlassen. Mit Vorliebe siedeln sich die Vögel gleich zu mehreren Paaren an. Ungestört wollen sie ihre bis zu zwei Meter langen Brutröhren, die in einem Nistkessel enden, mit dem Schnabel und den Füßen in die Wand meißeln und scharren. Das Nahrungsangebot muss stimmen: Neben Bienen erbeuten Bienenfresser Wespen, Käfer, Libellen und andere Fluginsekten. Ist es windstill und warm, so dass viele Insekten in der Luft sind, schwärmen die „Heuvögel“ mit schnellem Flügelschlag, den sie ab und zu unterbrechen, unter freiem Himmel aus. Dabei lassen sie gerne ihr weit klingendes „brrütt, brrütt“ oder „rüpp, rüpp“ erklingen, mit dem sie untereinander Kontakt halten. Ist das Wetter nicht so gut, verlegen sie sich auf die Ansitzjagd. Sobald sie ein Insekt erspähen, starten sie blitzschnell von einem Ast, schnappen sich ihre Beute nach kurzem Verfolgungsflug mit dem Schnabel und kehren zu ihrer Sitzwarte zurück. Größere Insekten werden so lange gegen den Ast oder auf einen Stein geschlagen, bis sie tot sind. Ist die Beute giftig, entfernen sie den Stachel und drücken das Gift aus dem Körper.

Drei Binenfresser sitzen auf verschiedenen Ästen und haben Insekten im Schnabel.
Eine gesellige Art: die Vögel unterstützen sich auch gegenseitig bei der Brut.

Insekten gibt es in der Nähe von Wasser oder über Flächen, die nicht oder nur extensiv von Menschen genutzt werden, besonders reichlich. Deshalb wird man Bienenfresser nie in der Nähe bestellter Felder antreffen, selbst wenn sich in der Nähe eine geeignete Nistwand anböte. Die bis zu sieben Jungen schlüpfen nach dreiwöchiger Brutdauer aus den weißen Eiern nackt und blind im Abstand weniger Tage. Bei ihrer Aufzucht erhält das Elternpaar mitunter Hilfe von unverpaarten Vögeln aus dem Sozialverband oder von Vögeln, die ihre Brut in der Kolonie (in der bis zu mehrere Dutzend Paare zusammenleben können) verloren haben. Das hilft vor allem bei Schlechtwetterperioden, wenn Insekten rar sind.

Die Jungen können dann einige Tage mit wenig oder gar ohne Nahrung auskommen, indem sie – ähnlich wie Mauersegler – in eine Art Körperstarre verfallen. Wenn sie nach einer Nestlingszeit von 31 bis 33 Tagen ausfliegen, lässt ihr Gefieder, das während des Heranwachsens zwischendurch mehr einem Stachelpanzer glich, noch wenig von der späteren Farbenpracht ahnen. Auch die beiden mittleren Steuerfedern am Schwanz haben noch nicht ihre spätere herausragende Länge erreicht. Erst nach einer weiteren Mauser werden die Jungen zum gelbkehligen „Immenwolf“, dessen bernsteinfarbene Iris einen reizvollen Kontrast zum schwarzen Augenstreif, der weißblauen Stirn und der kastanienbraunen Kopfplatte bildet.

Aus der großen Familie der Bienenfresser (Meropidae) mit 25 Arten hat sich Merops apiaster am weitesten nach Norden ausgebreitet. Falls sich die Klimaerwärmung fortsetzt und der Mensch nicht die großen Fluginsekten ausrottet, ist es durchaus möglich, dass die Bienenfresser eines Tages bis zum Polarkreis vordringen. Als standorttreue Vögel, denen ein Lebensalter von mindestens neun Jahren nachgewiesen wurde, kehren sie gerne an den Ort ihrer Geburt zurück – wenn sie denn die Winter in Afrika und die weiten Zugwege gut überstehen.