Meisen warnen, wenn Gefahr naht. Wer auf sie hört, lebt sicherer

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
13 Minuten
Ein kleiner grauer Vogel von der Seite mit ausgebreitetem Flügel.

Gainesville, Florida, an einem sonnigen Herbstmorgen. Katie Sieving hat den Kragen ihrer dunklen Daunenjacke bis unters Kinn zugezogen. Die Temperatur ist über Nacht abgestürzt; der Wind lässt die fünf Grad Celsius kalte Luft eisig erscheinen. „All die kleinen Vögel suchen jetzt wie verrückt Nahrung, um ihren Stoffwechsel am Laufen zu halten“, sagt die Ornithologin. „Für sie ist die Kälte brutal, weil sie nicht wie die Vögel in nördlichen Klimazonen Fett ansetzen.“ Darum müssen sie bei plötzlichen Kälteeinbrüchen fressen, um am Leben zu bleiben.

Die Professorin der University of Florida in Gainesville will den Vögeln jedoch nicht beim Futtern zusehen – sie möchte mir zeigen, wie sie miteinander kommunizieren. Wir stehen am Rand der Sweetwater Wetlands, einem Feuchtgebiet von gut 50 Hektar am Rande des Payne’s Prairie State Preserve im Norden von Florida. Das Areal ist Naturschutz- und Naherholungsgebiet für Paddler, Radler, Jogger und Wanderer. Ein langer Holzsteg reicht in einen kleinen See voller Seerosen hinein. Ein Unterstand bietet Birdern auch bei widrigen Verhältnissen ein wenig Schutz. „Hier zwischen dem Wald und dem Wasser kriegt man alle möglichen Durchzügler zu sehen – kleine, große, Wasservögel, Waldvögel“, sagt Katie Sieving. Sie hat vor allem eine kleine Vogelart im Blick, die hier wie in der gesamten Osthälfte der Vereinigten Staaten als Wächterin des Waldes gilt: die Indianermeise Baeolophus bicolor.

Auf einem Holzsteg steht ein Mann und zielt mit seinem Teleobjektiv auf Vögel, die von einem Teich aufsteigen. Im Hintergrund ein Unterstand, Wald, blauer Himmel.
Holzstege reichen weit auf die Teiche hinaus. So kommen Besucher den Vögeln nahe.
Eine Frau mit Sonnenbrille, schulterlangem braunen Haar und einer Daunenjacke steht lächelnd in der Sonne. In der Hand hält sie einen kleinen schwarzen Lautsprecher.
Katie Sieving hat einen Bluetooth-Lautsprecher in die Sweetwater Wetlands mitgebracht, um zu zeigen, wie die Vögel auf die Alarmrufe der Indianermeisen reagieren.
Ein Reiher steht mit eingezogenem Hals in einem Teich, am Rand Wasserpflanzen und gelbe Blüten. Auf dem Deich im Hintergrund spazieren zwei Menschen.
Refugium für Mensch und Tier – die Sweetwater Wetlands liegen am Rand eines ausgedehnten Naturparks. Hier treffen Teiche und große Feuchtgebiete und Wälder aufeinander. Entsprechend vielfältig ist die Vogelwelt.
Ein grauer Greifvogel mit orangefarbenen Wangen sitzt auf einem Ast und schaut mit leuchtend orangefarbenen Augen herab.
Ein Sperber beim Ansitz auf Kohlmeisen und andere Besucher eines Futterhäuschens in einem Garten in Berlin.
Ein kleiner Vogel mit gelber Brust, schwarzen Kopf und weißen Wangen sitzt auf einem Tisch und schaut direkt in die Kamera.
Auch Kohlmeisen haben ein ganz differenziertes System von Warnrufen. Sie können ihren Artgenossen mitteillen, wie groß die Gefahr ist, die sich nähert.
Ein Vogel sitzt zwischen den schwarz behaarten Ohren eines Nashorns.
„Nashornwächter“ heißen die Rotschnabel-Madenhacker (Buphagus erythrorhynchus) auf Swahili. Nashörner können Wilderern besser aus dem Weg gehen, wenn die Vögel bei ihnen sind. Denn die Madenhacker warnen.
Zwei kleine graue Vögel sitzen auf und vor einem roten Vogelhäuschen. Einer hält einen Kern im Schnabel.
Die Herren des Futterhäuschens: Indianermeisen wissen, welchen Einfluss sie auf andere Vögel haben. Und benutzten ihre Warnrufe gelegentlich, um Platz an der Futterstelle zu schaffen.