Ganzjährige Sommerzeit wäre der „Cloxit“

Nach dem EU-Beschluss zur Zeitumstellung: Was würde es bedeuten, wenn die Sommerzeit 12 Monate anhielte? Die Situation wäre schlimmer als jetzt, sagen Experten.

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Eine Europakarte, die in mehrere Zeitzonen eingeteilt ist. Die Zeitzonen sind unterschiedlich angefärbt.

Nach ihrer Umfrage, in der 84 Prozent von 4,6 Millionen Bürgern sich gegen die Zeitumstellung aussprachen, schlägt die EU-Kommission vor, ab dem Jahr 2019 keine Uhren mehr zu verstellen. Die Länder dürfen danach ihre Zeitzone frei wählen. In Deutschland gilt eigentlich die Mitteleuropäische Zeit, MEZ, auch Normalzeit oder, in Anlehnung an die „Sommerzeit“, „Winterzeit“ genannt. Gesundheitsminister Jens Spahn twitterte dennoch: „Das ganze Jahr Sommerzeit? 4 von 5 Menschen in Europa sind dafür. Ich auch.“ Kanzlerin Angela Merkel soll sich ähnlich geäußert haben. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier – in dessen Ressort die Wahl der Zeitzone zunächst fallen dürfte – hat sich für eine ganzjährige Sommerzeit ausgesprochen.

Doch ist den Politikern wirklich klar, worauf sie sich dabei einlassen? Ein solcher Entschluss bedeutet, dass unsere Uhren ganzjährig die Osteuropäische Zeit, OEZ, anzeigen, die eigentlich für die Ukraine oder Bulgarien gedacht ist. Da wir uns gleichzeitig aber nicht in diesen Ländern befinden, drohen vielfältige Nachteile. „Es wird riesige Probleme geben“, warnt der renommierte Münchner Chronobiologe Till Roenneberg. Er hat über die vielen Fehler, die wir Umgang mit unserer biologischen Zeitmessung machen, unlängst ein ganzes Buch geschrieben.

Tweet von Jens Spahn: Das ganze Jahr Sommerzeit? 4 von 5 Menschen in Europa sind dafür. ich auch!
Twitter 1: Gesundheitsminister Jens Spahn wusste schon kurz nach Bekanntwerden der Resultate der EU-Konsultation zur Zeitumstellung, welche Lösung ihm in Zukunft die liebste wäre. Experten bezweifeln, dass er nach ein paar Jahren in dauerhafter Sommerzeit noch immer so dächte.
Die Kommission der EU twittert, dass sie die Zeitumstellung abschaffen möchte: „We are proposing to end seasonal clock changes.“
Twitter 2: Am 14. September 2018 gibt die EU-Kommission bekannt, einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der so genannten Zeitumstellung einzureichen. Anschließend soll jedes Mitgliedsland seine Zeitzone frei wählen dürfen.
Grafik zeigt den Lauf der Sonne. Die Sonne steht am höchsten Punkt.
Morgendliches Tageslicht stellt die inneren Uhren vor, abendliches Licht stellt sie zurück. Dadurch justiert sich das System unabhängig von der Tageslänge – also auch unabhängig von der Jahreszeit oder dem Breitengrad – immer nach der Zeit, zu der die Sonne am höchsten Punkt steht. Diese Zeit ist der biologische Mittag, weshalb auch die so genannte Normalzeit so eingeteilt wird, dass es dann ungefähr 12 Uhr mittags ist. In der so genannten Sommerzeit gerät das System zwangsläufig in die Schieflage, wobei die Probleme für die Menschen umso größer sind, je weiter westlich sie in ihrer Zeitzone leben. Die Menschen in Frankreich und Spanien, die rein physikalisch ohnehin in die Zeitzone Großbritanniens gehörten, leiden deshalb besonders unter der so genannten Sommerzeit.
Ein Wecker, bei dem die Zeiger von zwei auf drei Uhr vorgestellt werden.
Seit dem Jahr 1980 stellen wir in Deutschland zwei Mal im Jahr die Uhren um. Aus der Mitteleuropäischen Zeitzone, MEZ, wechseln wir von Ende März bis Ende Oktober in die Osteuropäische Zeitzone, OEZ, die der Normalzeit in Kiew, Sofia, Tel Aviv oder Kairo entspricht. Dadurch beginnen wir sieben Monate lang eine Stunde früher mit Schule oder Arbeit. Die EU-Kommission strebt inzwischen die Abschaffung der Uhren-Umstellung an.
Eine Europakarte, die in mehrere Zeitzonen eingeteilt ist. Die Zeitzonen sind unterschiedlich angefärbt.
Idealisierte Zeitzonen über Europa. Hier steht die Sonne zwischen 11:30 h und 12:30 h am höchsten Punkt ihrer Laufbahn. Die einzelnen Zonen sind unterschiedlich eingefärbt. Frankreich und Spanien gehören eigentlich in die Westeuropäische Zeitzone, WEZ, die auch in Großbritannien gilt. Deutschland ist bis auf das Saarland in der Mitteleuropäischen Zeitzone, MEZ, gut aufgehoben. Perfekt passt die MEZ an der Grenze zwischen Deutschland und Polen. So steht die Sonne in der Stadt Görlitz exakt um 12 Uhr mittags am höchsten. Der äußerste Osten Polens gehört eigentlich in die Osteuropäische Zeitzone, OEZ.