Die Wiege in Uffenheim – das Grab in alpinen Höhen

Karl Arnold: Ein Mann zwischen Genie und Größenwahn.

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Postkarte von und mit Karl Arnold aus Uffenheim.

Der RadelndeReporter berichtet von seiner 2.451 Kilometer langen Fahrt durch alle Bundesländer. Ein alpinistischer Exkurs bei Kilometer 1.453.

Noch im Tod wollte er sich auf exponierter Alpenhöhe wissen, am Alpenhauptkamm zwischen Salzburger Land und Kärnten. Karl Arnold, ein Mann der ersten Stunde im Deutschen Alpenverein DAV, verschrieb sich den Idealen einer schonenden Erschließung der Berge, schlug aber, salopp gesagt, über die Stränge mit seinem alpinen Privatmausoleum. Auf die Welt kam er 1853 im mittelfränkischen Uffenheim. Dort stieß ich auf meiner Deutschlandfahrt auf die unglaubliche Geschichte dieses Professor Doktor Karl Arnold. Apotheker-Lehrling war er, als er seine Leidenschaft für den Alpinismus entdeckte. Während seines Studiums wurde er zu einem Aktivist des Alpenvereins und erarbeitet sich parallel eine Professur in Hannover. Humor soll Arnold gehabt haben, aber sein Ordensstolz (Foto ganz unten) und sein absurdes Mausoleum im Einzugsbereich des Dreitausenders namens Ankogel bezeugen seinen kauzigen Charakter.

Uffenheim liegt im Juni 2019 eher zufällig auf meiner Deutschlandroute, aber ich bin entzückt: Zum ersten und einzigen Mal unterwegs gibt es nicht nur einen öffentlichen Servicepoint für Reisende (den ersten fand ich bei Kilometer 128 im mecklenburgischen Boizenburg). Sondern mit dem Rennradsymbol fühle ich mich direkt angesprochen. Das verleiht mir eine gewisse Dreistigkeit.

Gepäck-Safe-Schild mit Symbol für Rennradfahrer.
Einzigartiges Fundstück entlang der 2.451 Kilometer langen Strecke des RadelndenReporters: Die „Rad- und Wander-Station“ im mittelfränkischen Uffenheim adressiert Rennradler ganz explizit.

Spontan begebe ich mich ins Rathaus um nachzufragen, was es mit der Huldigung meines Reportervehikels auf sich hat, mitten im wenig frequentierten Dreieck zwischen Würzburg, Rothenburg/Tauber, Neustadt/Aisch. Leider ist der Bürgermeister abkömmlich, man tröstet mich, ungebeten, mit touristischen Infos und erwähnt Persönlichkeiten. Zum Beispiel Karl Arnold, Chemie-Professor in Hannover, Alpinist.

Im Ankogelgebiet

Der Name tritt bei mir geistig in Resonanz, weil ich für August eine Bergtour plane, die die Arnoldhöhe tangiert. Auf dieser Anhöhe im Ankogelgebiet des Alpenhauptkamms ließ sich Arnold im Jahr 1925, vier Jahre vor seinem Tod, ein skurriles achteckiges Denkmal setzen. Es zeugt von einer Eigenart des vor 150 Jahren gegründeten DAV, die heute undenkbar wäre, nämlich der, einen persönlichen Größenwahn auszuleben.

Um Arnoldhöhe und Ankogelgebiet zu ergründen, hat der Autor für das Alpenvereinsmagazin alpinwelt einen Routenvorschlag erarbeitet (PDF hier).

Alpenvereinshütte mit Wegweisern
Vom gut 2.500 Meter hoch gelegenen Hannoverhaus (links) sind es 25 Minuten Gehzeit bis zum 1925 errichteten Mausoleum Karl Arnolds. Dort daneben stand von 1911 bis 2014 der Vorläufer des Haues; noch während des Abrisses schlug der Blitz ein und das alte Hannoverhaus brannte vollständig ab.

Arnolds erste, lebensentscheidende Bergerlebnisse sind gleichfalls 150 Jahre her. Der Apothekersohn unternahm von München aus Wanderungen und wurde „Zaungast der Gründung des Deutschen Alpenvereins DAV“, wie es der Chef des Historischen Archivs des ÖAV im AV-Jahrbuch Berg2019 dokumentiert. Später, als Student und Akademiker, wurde Arnold wichtiger DAV-Mann und sogar Sektionsgründer, wie es zum Beispiel Wikipedia ausführlich dokumentiert.

Weniger bekannt sind die kuriosen Fakten, die ÖAV-Archivar Martin Achrainer zusammengetragen hat: „Seit das Tempelchen“, so die Ironie Achrainers, „errichtet wurde, rief es vielfach Befremden aus, das aber – wohl aus Respekt vor seinem Erbauer – kaum öffentlich geäußert wurde. Eine anonyme Zuschrift an mehrere DAV-Sektionen war mit der Bitte verbunden,

solchen Auswüchsen der Selbstverherrlichung eines eitlen Greises gegenzusteuern."
Mausoleum des Karl Arnold.
Die Aufnahme aus dem Jahr 2008 zeigt das Mausoleum auf der Arnoldhöhe aus der Perspektive des damals benachbarten Hannoverhauses: mit dem Ankogel-Vor- und Hauptgipfel im Hintergrund.
verschiedenfarbige Glaseinsätze zwischen weißen Kalkwänden.
Detail eines der Fenster im Mausoleum, Aufnahme 2019.

Achrainer fand heraus, lediglich in der Zeitschrift „Bergkamerad“ trat Kritik offen und ehrlich zutage: Der Bau störe

inmitten der Herrlichkeit einer weiten Gipfelwelt mit ihren Gletschern und Felsriffen den andachtsvoll Schauenden."
Postkarte von und mit Karl Arnold aus Uffenheim.
Chemie-Professor in Hannover, Geheimrat, Mitgründer der DAV-Sektion Hannover und in Uffenheim als Apothekersohn aufgewachsen: Karl Arnold, der an sich als bescheiden galt, aber nicht nur seine 18 Orden gern zur Schau stellte, wie auf einer seiner selbst verbreiteten Postkarten (Foto), sondern sich neben dem damaligen Hannoverhaus am Alpenhauptkamm auf 2.721 Meter Seehöhe ein Mausoleum errichten ließ, wo bis heute seine Asche ruht.

Als ich nach meiner Deutschlandfahrt in Sachen Rennradschild noch einmal im Rathaus in Uffenheim anklingle, kommentiert man die Mausoleumsgeschichte mit dem Bedauern des Umstands, dass Karl Arnolds Persönlichkeit viel zu stark im Schatten der eigentlichen DAV-Gründer liege, zum Beispiel dem des Arnold-Landsmanns Karl Hofmann. Dessen Grab erscheint dafür nicht so abgehoben wie das des Uffenheimers, es befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München, Mauer Links, Platz 212, bei Gräberfeld 7.

Karl Arnold als Mittvierziger in Bergsteigerausrüstung.
Karl Arnold als Mittvierziger in Bergsteigerausrüstung. Laut Recherchen des ÖAV-Archivars Martin Achrainer blickte er gegen Ende seines Lebens auf herausragende bergsteigerische Leistungen zurück. Zus seinen alpinen Abenteuern gehörte laut ÖAV, dreimal vom Blitz getroffen und einmal von einer Lawine verschüttet worden zu sein. In Italien wurde er dreimal als vermeintlicher Spion verhaftet.

Infos für alpinwelt-Leser

Ausgabe 1/2020 der „alpinwelt“ besitzt den Schwerpunkt „Bedrohte Alpen“. Außer den einführenden Beitrag zum Thema des Magazins, das in einer Auflage von 111.000 Druckexemplaren erschienen ist (21.2.2020), habe ich einen Tourentipp verfasst – eine Art Tauernquerung. Nachfolgend die ergänzenden Hinweise:

  • Eine anspruchsvolle Alternative für den Routenvorschlag in der alpinwelt (für Kinder allerdings eher ungeeignet) findet sich in BERG2019, Beitrag „Der Sonne entgegen“.
  • Einer der dortigen Etappenstützpunkte, die Kattowitzer Hütte (2.319 m), ist, aus dem Großarltal kommend, ebenfalls ansteuerbar, allerdings ist ausgerechnet die erste Etappe dann sehr lang und der Anteil des am zweiten Tag zu „wiederholenden“ Routenabschnitts wächst. Dafür besteht die Möglichkeit, von der Kattowitzer die Extratour auf einen Dreitausender zu machen, auf den Hafner (3.076 m).
  • Fachliche Informationen zur Römer-Handelsroute hinüber über den Korntauern, entstanden vermutlich um 170 nach Christus, finden sich unter http://www.zobodat.at/pdf/WissMittHoheTauern_5_0205–0227.pdf.

Ebenfalls mit Alpenbezug erschienen:

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