Fristlose Kündigung: Bekannter Max-Planck-Klinikdirektor muss gehen
Seit 2016 ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft, jetzt teilt die Max-Planck-Gesellschaft mit, sie habe sich von Martin Keck getrennt. Von Jan-Martin Wiarda

DER KLINIKDIREKTOR DES Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, Martin Keck, muss gehen. Ihm wurde dem Vernehmen nach fristlos gekündigt. Wie die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mir auf Anfrage bestätigte, habe sie sich am vergangenen Freitag von Keck "getrennt". Die Staatsanwaltschaft sei informiert. "Zu weiteren Umständen können wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht äußern."
Damit erreicht die Affäre um Keck ihren bisherigen Höhepunkt. Seit 2016 schon ermittelt die Staatsanwaltschaft München I am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, ausgelöst durch eine anonyme Anzeige. Ende Februar 2017 beschlagnahmten die Beamten bei einer Hausdurchsuchung Dokumente und Daten, weil sich, so formulierte damals eine Sprecherin, während der Ermittlungen "ein konkreter Anfangsverdacht" ergeben habe, dass "Verantwortliche des Max-Planck-Instituts möglicherweise Abrechnungsbetrug begangen haben". Es liege eine Strafanzeige gegen mehrere Personen vor.
Ob, und wenn ja, welcher Zusammenhang zu den aktuellen Ermittlungen besteht, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft bestätigte heute Nachmittag auf meine Anfrage, dass die MPG sie von der Kündigung informiert habe. Die Ermittlungen gegen Keck dauerten an und seien inzwischen "ziemlich weit fortgeschritten", sprich: kurz vor dem Abschluss. "Wir warten jetzt aber erstmal ab, was die MPG uns weiter mitteilt", sagte eine Sprecherin.
Keck kam 2014 von einer Schweizer Klinik
ans Max-Planck-Institut
Der 51 Jahre alte Keck war seit 2014 Direktor und Chefarzt der dem Institut angeschlossenen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie. Er kam von der Schweizer Klinik Clienia Schlössli in Oetwil am See, wo er zuletzt als Ärztlicher Direktor fungierte. Von der Website der Klinik wurden Kecks Kontaktinformationen bereits entfernt.
Als die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft 2017 durch die Hausdurchsuchungen öffentlich wurden, hatte das Münchner Max-Planck-Institut in Abstimmung mit der MPG-Generalverwaltung zunächst betont, es habe seit geraumer Zeit "immer wieder anonyme Anschuldigungen" gegen das Institut gegeben. "Den Vorwürfen, die die Abrechnungspraxis in unserem Hause betreffen, geht die Staatsanwaltschaft nun nach und prüft sie auch zur Entlastung der Betroffenen, was wir ausdrücklich begrüßen." Parallel hatte das Institut seinerseits Anzeige gegen Unbekannt eingereicht – "wegen übler Nachrede, Verleumdung und Strafvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes". Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte dieses Verfahren jedoch Ende 2018 ein.
Die Max-Planck Gesellschaft verwies damals in ihrer eigenen Stellungnahme auf das Gutachten einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom Juli 2016. "Der anonyme Vorwurf eines systematischen Fehlverhaltens bei der Pool-Abrechnung wurde durch die Prüfung widerlegt." Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) kommentierte nach den Durchsuchungen, es nehme zur Kenntnis, dass die Staatsanwaltschaft trotz des entlastenden Gutachtens entschieden habe, "die Vorwürfe zu untersuchen". Das Ministerium begrüße, "dass die MPG ihrerseits volle Kooperationsbereitschaft zugesagt hat."
Die Vorwürfe, auf der Grundlage die Staatsanwaltschaft bis heute ermittelt, seien der MPG nicht im Detail bekannt, sagte deren Sprecherin Christina Beck heute. "Sie können sich auf ganz andere Sachverhalte beziehen als jene, die damals Gegenstand des Gutachtens waren." Welche Sachverhalte jetzt zur fristlosen Kündigung Kecks führten, wollte die Sprecherin aktuell nicht sagen.
Zwischendurch gab es auch den Vorwurf
wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen Keck
Ein von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) eingeleitetes Verfahren "zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft im Fall Professor Keck" stellte der Untersuchungsausschuss Ende 2017 ein. Keck habe "kein bewusstes oder grob fahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden können", teilte die LMU-Pressestelle damals mit, fügte jedoch laut Süddeutscher Zeitung hinzu, der Ausschuss habe sehr wohl "einen Verstoß gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis festgestellt." Angesichts des konkreten Sachverhalts und der individuellen Umstände könne das Keck Verhalten jedoch nicht als "grob fahrlässig" eingestuft werden.
Konkret ging es in dem Verfahren, das in keinem Zusammenhang zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen stand, um die Habilitationsschrift von Keck – also die zentrale Voraussetzung für seinen Professorentitel. Vorwürfe gegen den Klinikdirektor existierten seit längerem. Die Online-Plattform Vroniplag Wiki hatte dann Anfang Oktober ihre Untersuchung der von 2004 stammenden Arbeit veröffentlicht, ihr Ergebnis: Auf 72 der insgesamt 174 Seiten seien Plagiatsfundstellen dokumentiert worden. 43 Seiten bestünden zu mehr als 75 Prozent aus Plagiatstext, ist bis heute auf Vroniplag Wiki nachzulesen.
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