Wer schuf den Menschen – Gott oder die Evolution?

Wie Naturwissenschaft und Glaube die Existenz des Homo sapiens erklären

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Das Bild zeigt auf der linken Seite den nackten Adam. Lässig liegend, ein Knie angewinkelt und den linken Arm Richtung Bildmitte ausgestreckt. Auf der rechten Seite oben schwebt Gottvater in weißem Gewand, umgeben von kindlichen Engeln, und streckt seinen rechten Arm ich Richtung Adam aus, bis sich beider Zeigefinger fasst berühren. So stellte sich Michelangelo in seinem berühmten Gemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom vor, wie Gott Adam zum Leben erweckte.

Jahrtausende lang deuteten die Menschen ihre eigenes Dasein als das Werk einer höheren, göttlichen Macht. Dann ließ Darwins Evolutionstheorie die Entwicklung des Homo sapiens in einem völlig neuen Licht erscheinen. Aber noch immer sind viele Menschen überzeugt davon, dass unsere Existenz die Folge eines übernatürlichen Plans und Schöpfungsaktes ist. Und das, obwohl Forschende immer neue Belege dafür zusammengetragen haben, dass sich der Homo sapiens aus affenartigen Vorfahren entwickelte. Wer hat denn nun recht, und lässt sich das überhaupt entscheiden?

Seit 1982 nimmt das renommierte US-amerikanische Meinungsforschungs-Institut Gallup jährlich eine Umfrage zum Thema Kreationismus vor. Die Ergebnisse von 2019: 40 Prozent der Amerikaner glauben, dass Gott den Menschen – so wie er heute ist – innerhalb der letzten 10.000 Jahre geschaffen hat. Für weitere 33 Prozent hat sich der Homo sapiens zwar über Jahrmillionen aus primitiveren Formen entwickelt, jedoch habe eine göttliche Macht diesen Prozess gelenkt. Und nur 22 Prozent der Befragten sind von einer evolutionären Entwicklung überzeugt, die ganz ohne übernatürliche Eingriffe auskommt.

In Europa ist die Zahl der Evolutionsskeptiker zwar geringer, aber auch hier sind die Ansichten über den Ursprung des Homo sapiens geteilt: Eine Umfrage in Großbritannien aus dem Jahr 2006 ergab, dass dort 39 Prozent an eine göttliche Beteiligung glauben, während für 48 Prozent eine Evolution ohne übernatürliche Eingriffe stattgefunden hat.

40 Prozent der US-Amerikaner glauben nicht an die Evolution

Die Aussage „Die Menschen, wie wir sie heute kennen, haben sich aus älteren Tierarten entwickelt“ fand im Jahr 2005 in verschiedenen europäischen Ländern ganz unterschiedliche Zustimmung. 85 Prozent der Isländer, 79 Prozent der Briten und 69 Prozent der Deutschen, aber nur 50 Prozent der Bulgaren und lediglich 27 Prozent der Türken bejahten sie. Und einer deutschen Statistik aus dem Jahr 2009 zufolge waren 20 Prozent der Menschen überzeugt davon, dass der Mensch von Gott geschaffen wurde, so wie es in der Bibel steht.

Wie kann es sein, dass noch immer so viele Menschen an eine göttliche Lenkung glauben – haben Darwin und die nachfolgenden Generationen von Forschenden nicht eindeutige Beweise für die Evolutionstheorie vorgelegt? Wer hat denn nun den Homo sapiens hervorgebracht: Gott oder die Evolution?

Das Bild zeigt links Darstellungen von Adam und Eva, die Albrecht Dürer im Jahr 1507 malte. Die Figuren sind hellhäutig, nackt und die Geschlechtsteile sind von Zweigen bedeckt. Eva hält einen Apfel in der Hand und im Baum neben ihr lauert eine Schlange. Laut Bibel schuf Gott die beiden ersten Menschen. Charles Darwin, dessen Foto als älterer Mann mit Glatze und üppigem, weißen Bart auf der rechten Seite dieser Collage zu sehen ist, war sich dagegen sicher, dass die Evolution den Menschen in einem langwierigen Prozess hervorgebracht hat.
Adam und Eva – hier im Gemälde von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1507 – wurden laut Bibel von Gott erschaffen. Charles Darwin zufolge jedoch entwickelten sich die Menschen in einem langen Evolutionsprozess – und zwar aus Affen

Über Jahrtausende schien die Antwort klar: Selbstverständlich hatte ein Schöpfer, ein übernatürliches Wesen, den Menschen aus einem Guss und nach einem göttlichen Plan geschaffen. Für die Menschen bis weit ins 19. Jahrhundert gab es keine Zweifel: Aus einem Ei, das ein Huhn legte, schlüpfte immer nur ein Huhn, eine Kuh gebar ein Kälbchen, aus einer Eichel wuchs ein Eichenbaum. Jede Art brachte nur ihresgleichen hervor, das lag doch auf der Hand. Da gab es keinen Wandel und keine Entwicklung.

Charles Darwin beobachtete, dass Arten sich verändern

Doch dann begann der britische Gelehrte Charles Darwin in akribischer Forschungsarbeit genauer hinzusehen und er stellte fest: Die Individuen einer Art unterscheiden sich ein wenig; es gibt Variationen. Das ist auch von der Haustierhaltung bekannt: Egal ob Hunde, Rinder oder Tauben – Züchtende wählen Tiere mit bestimmten, gewünschten Merkmalen aus, kreuzen sie und erhalten so Nachkommen, die diese Merkmale verstärkt in sich tragen. Warum sollte das nicht auch in der Natur so sein? Nur dass hier nicht ein Züchter am Werk ist, sondern schlicht diejenigen Tiere überleben, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind.

Als Darwin ab 1831 eine fast fünfjährige Weltreise mit dem Vermessungsschiff „Beagle“ unternahm, konnte er vor allem an den Küsten Südamerikas eine riesige Vielfalt von Arten beobachten, entdeckte aber auch Fossilien und sammelte Exemplare verschiedenster Pflanzen und Tiere. Darunter waren die heute als Darwinfinken bekannten Vögel, die auf den Galapagosinseln leben. Sie gehören zwar zu unterschiedlichen Arten, sind sich aber so ähnlich, dass Darwin vermutete, sie würden alle von einer gemeinsamen Finkenart abstammen, die einst vom Festland auf die Inseln geraten war.

Das Prinzip der natürlichen Auslese

Als Darwin später eine Abhandlung des britischen Ökonomen und Sozialphilosophen Thomas Robert Malthus las, in der es um das Bevölkerungswachstum ging, kam ihm eine frappierende Idee: Wenn Lebewesen – egal ob Tiere oder Pflanzen – mehr Nachkommen in die Welt setzen als überleben können, dann werden sich nur diejenigen durchsetzen und fortpflanzen, die besonders vorteilhafte Merkmale besitzen, die optimal an ihre Umwelt angepasst sind. Charles Darwin hatte das Prinzip der „Natürlichen Auslese“ entdeckt.

Damit hatte der Forscher – zeitgleich mit dem ebenfalls britischen Pflanzen- und Tiersammler Alfred Russel Wallace, der auf ganz ähnliche Ideen kam – die Grundpfeiler der Evolutionstheorie gefunden. Lebewesen produzieren eine Fülle von Nachkommen, die zudem unterschiedlich sind. Und nur die am besten Angepassten von ihnen überleben. Wenn diese sich selbst fortpflanzen, geben sie ihre besonderen Merkmale wiederum an die nächste Generation weiter. So wandelt sich eine Art allmählich, passt sich immer besser an die Umwelt an – und verändert sich irgendwann so sehr, dass sie zu einer neuen Art geworden ist.

Auf dem Bild sind zwei Beispiele von Finkenarten zu sehen, die Charles Darwin auf den Galapagosinseln erforschte und die der Zeichner John Gould filigran und detailgetreu vor gelblichem Hintergrund darstellte. Der linke sitzt auf einem Zweig und hat einen kurzen, dicken Schnabel. Der rechte sitzt auf einem Kaktus; sein Schnabel ist viel länger und spitzer. Ansonsten sehen sich beide recht ähnlich mit braunem Rücken, beiger Brust und dunklen Punkten. Darwin erkannte, dass beide sich aus demselben Vorfahren entwickelt haben müssen
Als Charles Darwin während seiner Weltreise mit dem Schiff „Beagle“ die Galapagosinseln erreichte, fiel ihm auf, dass dort Finkenarten leben, die sich ein wenig unterscheiden – etwa in ihrer Schnabelform – sich aber doch sehr ähnlich sehen. Ihm wurde klar: Sie entwickelten sich einst aus einem gemeinsamen Ahn
Das Foto zeigt den 1947 in Südafrika gefundenen, fossilen Schädel eines Wesens, das als Australopithecus africanus bezeichnet wird. Der Schädel hat mächtige Knochenwülste über den Augen und bietet Raum für ein nur kleines Gehirn. Insgesamt erinnert er deutlich mehr an einen Schimpansen als an einen Menschen. Dennoch können Forschende an Details erkennen, dass Australopithecus den aufrechten Gang beherrschte. Mit dem Wesen war ein Bindeglied zwischen Mensch und Affe gefunden worden, das Darwins Theorie von der Evolution bestätigte.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckten Forscher die Fossilien eines seltsamen Wesens: Australopithecus africanus – hier der 1947 in Südafrika gefundene, als „Mrs. Ples“ bekannte Schädel – besaß einen Körper ähnlich dem eines Schimpansen, konnte aber aufrecht gehen wie ein Mensch. Das erste Bindeglied zwischen beiden war gefunden und bestätigte Darwins Theorie
Das Foto zeigt die in Blautönen gehaltene Illustration eine DNA-Spirale – dem Träger der Erbinformation. Heutzutage können Forschende deren komplette Buchstabenfolge entziffern und herauslesen, wer von wem abstammt und ob es gemeinsame Vorfahren gab.
Seit es möglich ist, die Erbsubstanz – hier eine Illustration der DNA-Doppelhelix – Buchstabe für Buchstabe zu entziffern, vermögen Forschende darin auch Verwandtschaftsbeziehungen zu erkennen und Rückschlüsse auf die Evolution ziehen
Das Foto zeigt ein weiteres Gemälde von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle. Gott ist auf der rechten Seite mit Rauschebart und in ein rotes Gewand gekleidet zu sehen, wie er mit dem rechten ausgestreckten Arm die Sonne und mit dem linken ausgestreckten Arm den Mond erschafft. Auf der linken Seite sieht man den Allmächtigen von hinten – mit nacktem Gesäß – wie er offenbar davonschwebt, unter sich die gerade geschaffenen Pflanzen.
Gott, so sahen es die Menschen früher, machte nicht nur den Menschen, sondern auch alles andere. Michelangelo stellt die Schöpfung in der Sixtinischen Kapelle als anstrengenden, dynamischen Akt dar: Mit der rechten Hand weist der Allmächtige auf die Sonne, mit der linken auf den Mond. In der linken Bildhälfte ist er nochmals und von hinten zu sehen, wie er die Pflanzen erschafft und dann davonschwebt
Das Foto zeigt die schwarze Silhouette eines Bergmassivs im Gegenlicht der gerade dahinter verschwundenen Sonne. Darüber erstreckt sich der tiefblaue Himmel, vor dem eine graue, an ihren Rändern hell angeleuchtete Wolke schwebt. Dort, wo die Sonne hinter dem Bergmassiv liegt, ist es gleißend hell und einige Strahlen der Sonne erstrecken sich von diesem Punkt aus in den Himmel. Viele Menschen werden von solchen Naturschauspielen berührt und manche fragen sich, ob da noch mehr existiert, als wissenschaftlich erklärbar ist.
Wenn die sinkende Sonne eine Wolke geheimnisvoll anleuchtet und Strahlen über den Himmel schickt, sind die meisten Menschen berührt. Selbst rationale Denker können dabei eine Ebene spüren, die sich mit naturwissenschaftlicher Logik nicht greifen lässt
Zu sehen ist ein schwarzweißes Porträtfoto des Physikers Max Planck, der – von links beleuchtet – den Betrachter mit festem Blick durch seine Nickelbrille ansieht. Planck lebte von 1858 bis 1947 und begründete im Jahr 1900 die Quantentheorie. Damit löste er in der Physik eine Revolution aus. Zwischen Religion und Naturwissenschaft sah der Physiker keinen Widerspruch. Für ihn waren es zwei unterschiedliche Ebenen der Wirklichkeit: Die eine beschrieb die objektiven Vorgänge in der realen Welt, während die andere, die christliche Religion, für die Grundlagen der Ethik sorgte
Der deutsche Physiker Max Planck begründete im Jahr 1900 die Quantentheorie – und revolutionierte damit die Physik. Mit der Religion hatte er keine Probleme: Für ihn waren Glaube und Naturwissenschaft zwei völlig unterschiedliche Ebenen der Wirklichkeit