Ein Haus wird durchgelüftet

Mit Ayşe Erkmen und Mona Hatoum startet das Museum der bildenden Künste Leipzig in eine neue Ära

6 Minuten
farbiger Lichtraum

Kurz vor Beginn des Presserundgangs stand er noch selbst auf der Leiter, um einen Beamer zum Laufen zu bringen. Ein Geschenk sei diese Ausstellung für ihn, sagt Alfred Weidinger, seit August 2017 Direktor des Museums für bildende Künste in Leipzig. Die Ausstellung Displacements/Entortungen von Ayşe Erkmen und Mona Hatoum ist seit 2015 geplant, wurde aber mehrfach verschoben. Vermutlich auch, weil sie Weidingers Vorgänger, Hans-Werner Schmidt, nicht so richtig in den Kram, sprich ins Programm passte. Mit Alfred Weidinger an der Spitze soll sich das nun ändern: Der 1961 geborene und zuletzt als Kurator am Belvedere in Wien tätige Kunsthistoriker will die Digitalisierung der Sammlung vorantreiben und neue Besuchergruppen erschließen. Auch sollen Künstlerinnen mehr im Fokus stehen und internationale Kunst sich intensiver im Programm niederschlagen. Ja, es sei Kunst wie die von Mona Hatoum und Ayşe Erkmen, der er künftig in Leipzig „eine Heimstätte“ bieten wolle.

Die Werke der beiden reagieren oft direkt auf den Ort – Identität, Selbstbestimmung und Macht sind ihre Themen. Sie greifen Überlegungen der Konzeptkunst und der Postminimal Art auf, würden deren Selbstreferenzialität jedoch auch durchbrechen, so Kurator Frédéric Bußmann. Besonders Hatoum ergänze um persönliche Narrationen und politische Metaphern. So treffen Besucher_innen im Untergeschoss auf einen schwebenden Kubus: Dünne Metallstangen hängen an Angelschnüren über dem Boden, geometrisch-mathematisch schön ist Hatoums „Impenetrable“, dessen Material – feiner Stacheldraht – jedoch an Zäune, Grenzen und Gefangenschaft denken lässt.

Von Draht umschlossene Kohlestücke formen nebenan Tisch, Stühle und ein Nudelholz, zeugen von ihrer einstigen Funktion wie von dramatischen Ereignissen. „Remains oft the Day“, Überreste des Tages, wurde für die Ausstellung neu produziert und ging, so verrät das begleitende Booklet, aus einer Arbeit hervor, die Hatoum in Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gefertigt hat. Ihre Arbeiten verhandeln Überwachung, soziale Kontrolle und Krieg: Neonfarbene Schnüren durchziehen eine im wahrsten Sinne des Wortes vernetzte Weltkugel, 13 Stahlgerüste erinnern an Stockbetten in Lagern, ein Werbemotiv aus dem Jahr 1988 zeigt die Künstlerin mit einem Spielzeugsoldaten auf der Nase.

verkohlter Tisch und Stühle
Die künstlerische Arbeit „Remains oft the Day“, Überreste des Tages, von Mona Hatoum erinnert an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.
Eine rot erleuchtete Weltkugel: Die Umrisse der Kontinente leuchten weiß.
Die vernetzte Welt steht unter Strom: Mona Hatoums Werk „Hot Spot III“ aus dem Jahr 2009.
grüne Objekte aus Keramik auf weißen Podesten
Wohl die wenigstens Besucher werden bei die realen Vorbilder dieser Keramikobjekten erkennen: Handgranaten sind der Ausgangspunkt für Ayşe Erkmens Projekt „PFM-1 and others“.