Das (alles) ist Kunstkritik

Eine Umfrage zum Bedeutungsverlust einer Disziplin, auf die wir nicht verzichten können

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Das Foto zeigt einen mit Lattenkonstruktionen vollgestellten Raum.

Wenn große US-Kunstmagazine schwächeln, es nur noch spektakuläre Ausstellungen ins Blatt schaffen und die Sozialen Medien ohnehin jeden und jede zum Kritiker machen, ist die Diagnose eindeutig: Die klassische Kunstkritik hat ihren Stellenwert verloren. Aber tot ist sie nicht, im Gegenteil. Experten sind noch immer gefragt, sie besetzen die letzten verbliebenen Nischen oder schaffen selbst welche. Nach Thomas Wagners Plädoyer für hohe Standards in der Kunstkritik, liefern KunstkritikerInnen ihre Sicht der Dinge. Dank an Sarah Alberti, Ingo Arend, Michael Hübl, Anika Meier, Hans-Joachim Müller und Annika Wind.

Ortlos, austauschbar, ubiquitär, manipulier- und reproduzierbar. Was der „pictorial turn“ der 90er Jahre konstatierte, hat sich in der digitalen Revolution dramatisch zugespitzt. Bilder sind zum zentralen Medium und umkämpften Markt der globalen Kommunikation geworden. Ohne materielles Substrat sind sie aber keine feste Größe mehr, wandern, wechseln ständig ihre Gestalt. Genau deswegen braucht es Kunstkritik. Als Bildkritik im weiteren Sinne. Im Alltag der Kritik, eingekeilt zwischen Routine, prekärer werdenden Arbeitsbedingungen und der Flut der Laienkritik, droht dieser Impetus immer wieder unterzugehen. Aber Kunstkritik hat dann weiter eine Funktion, wenn sie den sozialen, ideologischen, historischen und ökonomischen Code der Bilder exemplarisch lesbar zu machen versucht. Nur wer lernt, sie zu befragen, kann sie gebrauchen.

Ingo Arend arbeitet für Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur, die taz, Kunstforum International und Süddeutsche Zeitung. Er ist Mitglied des Präsidiums der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK).

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Ich verstehe mich als ‚professionellen Betrachterin‘ der Kunstwerke und/oder Ausstellungen, die je nach Medium für interessierte Laien wie Fachleute beschreibt, einordnet und beurteilt. Der Text sollte bei den LeserInnen bestenfalls Bilder entstehen lassen, über Hintergründe, die kunsthistorische oder aktuelle Relevanz informieren und nah am Besprochenen nachvollziehbar machen, wie ich zu meinem Urteil komme. Kunstkritiker sind unweigerlich auch Kunstvermittler – eine klare und verständliche Sprache, die sich nicht hinter Fachbegriffen und unnötig komplizierten Satzkonstruktionen versteckt, ist mir wichtig. Die Wahl der Darstellungsform sollte sich dem Thema unterordnen: Interviews, Reportagen und Features sind sinnvolle Alternativen zu Rezensionsfriedhöfen.

Sarah Alberti schreibt für die Wochenzeitung Der Freitag, die taz, monopol – Magazin für Kunst und Leben, Artmapp – Das Kunstmagazin für Entdecker, die Sächsische Zeitung und die Freie Presse, ist Riffreporterin und lehrt Kulturjournalismus an der Universität Leipzig.