Wohin geht unsere Reise im All?

Die Visionen, den Weltraum auch für jedermann zugänglich zu machen, werden mit den jüngsten Höhenflügen von Blue Origin, Virgin Galactic und Co. immer konkreter. Simulationen von Habitaten auf Mond oder Mars nehmen mehr und mehr Form an. Aber machen wir woanders alles besser?

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Auf dieser künstleriscehn Darstellung sind Menschen im Astronautenanzug und ein Habitate auf dem Mars zu sehen. Das gesamte Bild ist in rot-braunen Tönen gehalten.

Um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, müssten wir auf andere Planeten, etwa den Mars, übersiedeln – so sah es jedenfalls der theoretische Physiker Stephen Hawking. Er gab der Menschheit nur noch 100 Jahre bis zu ihrem Niedergang auf der Erde. Klimawandel, mögliche Asteroideneinschläge, Bevölkerungswachstum oder Pandemien würden unsere Spezies gefährden. Aussichten, die nichts Gutes verheißen.

Auch Elon Musk beruft sich darauf. Sein Ansinnen, als Menschheit in den Weltraum zu streben, klingt jedoch weitaus verheißungsvoller: “You want to wake up in the morning and think the future is going to be great – and that’s what being a spacefaring civilization is all about. It’s about believing in the future and thinking that the future will be better than the past. And I can’t think of anything more exciting than going out there and being among the stars.“ (- Elon Musk) so liest es sich auf der Webseite des Unternehmens SpaceX, dessen Geschäftsführer Musk ist. Nun ist Musk bekanntlich ein Freund großer Worte, aber eben auch ein Macher. Bei einem ersten Testflug der Falcon Heavy, der derzeit leistungsstärksten Trägerrakete, hat er im Jahr 2018 seinen ausgedienten Tesla Roadster mit einem Astronauten-Dummy in eine Umlaufbahn geschickt, die auch jene des Mars kreuzt.

„Wir erleben jetzt ein New Space Age: Das hat viel mit dem Zustand der Erde zu tun, dem Klimawandel“, sagt der Zukunftsforscher Bernd Flessner vom Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Das ist natürlich kontextualisiert mit Ängsten und Hoffnungen.“

Raumfahrt als Utopie

Dabei ist die Utopie, sich von der Erde wegzuträumen, keineswegs neu, ja nicht einmal neuzeitlich. In der Spätantike, um 200 n. Chr., ließ der griechisch-syrische Satiriker Lukian in seinen „Wahren Geschichten“ Menschen auf dem Mond landen: Schiffsreisende wurden von einem tagelangen Sturm erfasst und bis zum Mond gewirbelt. Zu jener Zeit hatte sich gerade das Weltbild des Ptolemäus in Gelehrtenkreisen etabliert, in dem die Himmelskörper – Sonne, Mond und Planeten – als Kugeln an Sphären haftend um die Erde kreisen. Recht konkret wurde das Vorhaben Mondfahrt dann bei Jules Vernes: In seinem Science-Fiction-Roman „Von der Erde zum Mond“ liefert er ingenieurstechnische Vorschläge für die Reise ins All und lässt seine Passagiere berechnen, wie die Kanone die zweite Kosmische Geschwindigkeit erreichen, also der Erde entkommen kann.

Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Ingenieurskunst weiter ausreifte und die Menschheit begonnen hatte, sich auch den Luftraum zu eigen zu machen, gingen die Utopie, den Weltraum zu erobern, und technischer Fortschritt Hand in Hand. Nahezu zeitgleich in verschiedenen Ländern fanden sich um 1930 Weltraumenthusiasten in Vereinen zusammen. Bemerkenswert: Während im Verein für Raumschifffahrt in Deutschland vornehmlich Ingenieure zusammentrafen, wurde die American Interplanetary Society von Science-Fiction-Autoren gegründet. Es ist bezeichnend, dass aus letzterem, einem Verein der Fantasten und Träumer, bald die American Rocket Society wurde, die sich später mit dem Institute of the Aerospace Sciences zum American Institute of Aeroautics and Astronautics zusammenschloss, der heutigen amerikanischen Vertretung der Internationalen Astronautenvereinigung.

Und tatsächlich setzte der Mensch schließlich seinen Fuß auf den Mond. Wird er also auch seinen Weg zum Mars machen?

Für Bernd Flessner scheint die Antwort klar: „Das wird natürlich stattfinden. Es dreht sich dabei nur um die Frage: Wann? Und nicht um die Frage: Ob? – Das ist so eine Art visionäre Kontinuität. Das basiert auf einer Leitvision, wie der Traum vom Fliegen“, so Flessner. „Anthropologisch und zivilisatorisch kommen wir aus der Nummer gar nicht raus. Ob das jetzt Elon Musk umsetzt oder jemand anderes, das ist gar nicht so relevant.“