Tote Tiere, schöne Tiere

Filmkritik zu Karten Krauses Filmessay „Arrangement of Skin“

4 Minuten
Kopf einer Wildkatze, frontal vor dunklem Hintergrund

Eingesperrte Tiere, ausgestopfte Tiere, das geht eigentlich gar nicht angesichts des Trends zu vegetarischer Ernährung, zu Tierschutz und Tierethik. Dennoch besuchen Millionen Eltern mit ihren Kindern Zoos und Naturkundemuseen und sind auch selbst von der Tierwelt fasziniert. Im Sommer in den Zoo, im Winter ins Naturkundemuseum, wo die Szenen noch dramatischer inszeniert sind. Löwen streiten sich mit Hyänen um eine gerissene Antilope, eine Gruppe Gemsen klettert vor Bergkulisse über Geröll. Doch sind die auf Zweigen sitzenden vielfarbigen Tropenvögel für immer verstummt. Weich sind die Federn und das Fell der präparierten Tiere, doch ihr Blick ist starr.

Der Hamburger Künstler Karsten Krause wollte wissen, woher diese Faszination rührt. Sein 23-minütiger Film Arrangement of Skin läuft nicht im Staatlichen Naturkundemuseum Stuttgart, wo er seine Bilder aufgenommen hat, sondern im Programm der Videobox der Staatsgalerie Stuttgart. Dort geht es in diesem Jahr um Museum Matters , gezeigt wird Filmkunst, die sich mit verschiedenen Aspekten der Institution Museum, meist aber mit Kunstmuseen, auseinandersetzt. Krause wagte sich auf ein neues Terrain, das Naturkundemuseum. Er fragte nicht nach der Herkunft der Exponate, die aus den ehemaligen Kolonien stammen könnten, oder beschäftigt sich mit Genderfragen oder Migration. Der Absolvent der Hochschule für bildende Künste Hamburg schlüpfte in die Rolle des Ethnologen, des Beobachters und schaute mit der Kamera den Präparator*innen bei der Arbeit zu.

Präparatoren bei der Arbeit

Wer eine Doku „Naturkundemuseum. Backstage“ erwartet, wird bei Krauses langen Einstellungen ohne Text aus dem Off unruhig werden. Die minimalistische Bildregie zwingt den Betrachter genau hinzusehen, etwa wie der Präparator ein Paket aus dem Kühlraum nimmt, mehrere Verpackungsschichten löst und vorsichtig den starren Leichnam eines Menschenaffen auf seine Unversehrtheit prüft. Das ist nicht schockierend inszeniert, sondern sachlich beobachtend. Selbst als einem Vogel mit Hilfe eines Seziermessers die Kopfhaut vom Schädel gelöst wird, stellt sich kein Ekel und kein Entsetzen ein. Vielmehr überträgt sich die Konzentration des Präparators auf den Betrachter, sein fast liebevoller Umgang mit dem organischen Material lässt vergessen, was er da eigentlich tut. Die Zuschauer*innen der Films gleiten widerstandslos tiefer hinein in die Unterwelt des Museums, das Keller,geschoß, wo ein Millionen Jahre alter Ammonit im Gang auf einem Rollwagen steht. Spinde, Regale, Gerät. Die Kamera gewährt uns Blicke durch geöffnete Türen auf Museumsmitarbeiter*innen, die in engen Büros an Computern sitzen. Sie schauen nicht auf.

Blick in ein aufgeräumtes Labor
Blick in die Präparatoren-Werkstatt im Stuttgarter Naturkundemuseum. Still aus: Karsten Krause, Arrangement of Skin, 2016.
Präparierte Gemsen vor gemaltem Alpenpanorama
Für seinen Künstler-Film „Arrangement of Skin“ filmte Karsten Krause in den Werkstätten der Präparatoren, im Keller und in den Ausstellungsräumen des Stuttgarter Naturkundemuseum.