Code Noir

Über die museale Aufarbeitung des Sklavenhandels in Nantes

6 Minuten
Ein aufgeschlagenes Buch aus dem 17. Jahrhundert.

Information ist nicht immer gleichbedeutend mit Wissen. Auch wenn klar ist, dass es den Sklavenhandel gab, auch wenn sich heute die meisten Menschen einig sind, dass der Dreieckshandel eine erschreckende Tatsache war, und erwiesen ist, dass über vier Jahrhunderte 13 Millionen Menschen von Afrika nach Nord- und Südamerika zwangsverschifft wurden, entzieht sich die Tragweite dieser historischen Tatsache und ihrer Folgen dem Bewusstsein. Mag sein, dass der eine oder die andere Besucher der documenta 14 den in der Neuen Galerie ausgestellten Code Noir zur Kenntnis genommen hat. Das Gesetzbuch sollte seit 1685 den Umgang mit den Sklav*innen in den Kolonien regeln. Auf der documenta 14 in Kassel ist aktuell ein Exemplar ausgestellt, umgeben von zeitgenössischer afrikanischer Kunst. Das Gestern und das Heute wurden kurzgeschlossen – allerdings ohne große Resonanz.

Im Sommer 2017 ist in Deutschland mit etwas Verspätung die Kolonialismusdebatte entbrannt. Anlass war die in vielen Punkten widersprüchliche Konzeption des Humboldt-Forums in Berlin, wo ab 2019 die ethnologischen Sammlungen der Staatlichen Museen Berlin gezeigt werden sollen. Die Politik ergeht sich in Absichtserklärungen, Geschichte aufzuarbeiten. Aber wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit dem kolonialen Erbe überhaupt erreicht werden? In Frankreich dauerte die gesellschaftliche Aufarbeitung viele Jahre und ist bis heute eine Herausforderung der Museen.

Beispiel Nantes: Im Shop des Stadtmuseums gibt es für drei Euro den Code Noir im Miniaturformat zu kaufen, mit einer Einführung von Christiane Taubira, zwischen 2012 und 2016 französische Justizministerin. Sie stammt aus Französisch-Guayana und ist Namensgeberin des Loi Taubira, in dem Frankreich 2001 die Sklaverei und den Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannte. Ein in Leder gebundenes Exemplar des Code Noir aus dem 17. Jh. gehört auch zur Dauerausstellung des Stadtmuseums in Nantes. Hier stimmt der Kontext. Von der Stadt an der Loiremündung starteten 43 Prozent aller französischen Sklavenschiffe mit Ziel Westafrika. Dort nahmen sie die von Einheimischen gejagten und an die Europäer verkauften Gefangenen an Bord, um sie als Arbeitskräfte zu den Plantagen in den Kolonien zu transportieren.

Zeichnung, die vorgibt, wie der Platz unter Deck eines Schiffes für den Transport von Sklaven optimal genutzt werden kann.
Ladeplan des Sklavenschiffs Marie-Séraphique, deren Fahrt am 25. August 1769 begann und am 16. Dezember endete. (Detail) Musée d'histoire de Nantes
drei Bücher auf einem Tisch
Die Miniaturausgabe des Code Noir enthält neben der Einleitung von Christiane Taubira mehrere Versionen des Code Noir, deshalb der Titel Codes Noirs.
Grafik mit verschiedenen Tabellen
Zeitgenössische Darstellung der Finanzen und des Handels im französischen Teil von St. Domingo im Dezember 1790. Danach umfasste die Bevölkerung damals 38 360 freie Weiße, 8 370 befreite Schwarze und 455 000 Sklaven.
Die Abbildung zeigt eine getuschte Zeichnung. Zu erkennen ist ein Segelboot vor dem Strand mit Palmen und Menschen, die in ein Ruderboot am Strand einsteigen.
Die lavierte Zeichnung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt eine Szene an der afrikanischen Küste. Nach dem Verbot des Sklavenhandels nahmen die Schiffe nur noch kleinere Gruppen von gefangenen Menschen an abgelegenen Stellen auf und mieden die großen Forts.
Ein floraler Stoff und die dazugehörigen Druckstöcke in einer Wandvitrine.
In Nantes hergestellte bedruckte Stoffe dienten im Sklavenhandel als Tauschware.
Blick in einen mit Holz vertäfelten Raum mit Vitrinen und Bilderrahmen für Archivmaterial.
Auf den in das Ausstellungsdisplay eingebetteten Monitoren laufen animierte Filme oder Audio-Beiträge – wählbar entsprechend Thema und Sprache.