Leb wohl, Lagerfeuer!

Seit einer Million Jahren haben Lagerfeuer uns Menschen gewärmt und die Nächte erhellt. Jetzt ist es Zeit für einen Abschied…

von Gerhard Richter
7 Minuten
Auf einem verschneiten Acker steht eine Feuerschale. Darin Holzscheite und eine Flamme aus Pappe. Field-Writer Gerhard Richter sitzt daneben an einen Klappschreibtisch und tippt an der Hermes-Baby-Resieschreibmaschine einen Feldreport über den Abschied vom Lagerfeuer. Schont die Umwelt und wirkt gegen Klimakrise

Ein Acker am Stadtrand von Wittstock. Eisig fegt der Wind über die kahle zugeschneite Fläche. Hier nehme ich Abschied vom Lagerfeuer. Vor meinem Klappschreibtisch baue ich eine Feuerschale mit echten Holzscheiten auf. Anstatt das Holz zu entzünden, stecke ich Flammen aus bemalter Pappe zwischen die Holzstücke. Komischerweise sieht das fast echt aus. Das Grundmuster eines Lagerfeuers ist auch wirklich sehr schlicht. Trockenes Holz, unten Glut, oben Flammen. Licht und Wärme gegen Dunkelheit und Kälte. Ein Lagerfeuer ist DAS Symbol für menschliche Gemeinschaft. Aber muss das noch sein? Ich finde nicht. Hier auf dem Acker will ich allein an meinem letzten Feuer sitzen und niederschreiben, warum dieser Abschied sein muss.

Rehe staksen durch die Moderne

Vom vergangenen Herbst sind noch die Stoppeln der Maispflanzen übriggeblieben und ragen aus der Schneedecke. Ich erkenne noch die schnurgeraden Reihen. Kreuz und quer führen Spuren darüber. Lange parallele Linien von Schlittenkufen, dazwischen ovale Fußstapfen von Moonboots. Die Abdrücke von Hasenpfoten mit ihrem Rösselsprung-Muster kreuzen die Schlittenspuren. Hunde rannten durch den Schnee. Langbeinige Rehe sind paarhufig über den Acker gestakst und haben ihre Fährte hinterlassen. Auf diesem abgeernteten Maisacker kreuzen sich die Wege von wilden Tieren, Erholungssuchenden und Haustierhaltern.