Insekten in Naturschutzgebieten mit durchschnittlich 16 verschiedenen Pestiziden belastet

Deutsche Forscherinnen und Forscher setzen weltberühmte „Krefeld-Studie“ zum Insektenschwund fort. Ökotoxikologe Altenburger: Gegenwärtige Naturschutzmaßnahmen nicht effektiv

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
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Luftaufnahme von Traktor auf barem Feld mit Sprühdüsen

Insekten in deutschen Naturschutzgebieten sind mit einer Vielzahl von Pestiziden belastet. Das ist das Ergebnis einer im Wissenschaftsjournal „Scientific Reports" veröffentlichten neuen Studie, an der unter anderem der Entomologische Verein Krefeld beteiligt war. Der Untersuchung zufolge sind Insekten in deutschen Naturschutzgebieten mit durchschnittlich 16 verschiedenen Pestiziden kontaminiert. Da die Wirkstoffe Insektenbestände verringern und damit die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen beeinträchtigen können, plädieren die Forscherinnen und Forscher dafür, weiträumige Pufferzonen um Naturschutzgebiete einzurichten, in denen die Verwendung von Pestiziden drastisch eingeschränkt wird. Diese Forderung wird vom Umweltbundesamt unterstützt. „Das ist eine gute Idee“, sagte Dirk Süßenbach, UBA-Experte für Pflanzenschutzmittel, auf Anfrage.

Für die Untersuchung unter Leitung des Agrarforschers Carsten Brühl von der Universität Koblenz, an der auch das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, der Entomologische Verein Krefeld und ein Mitarbeiter der Umweltorganisation Nabu mitgewirkt haben, wurden zwischen Mai und August 2020 in 21 deutschen Schutzgebieten des sogenannten Natura2000-Netzwerks Insekten nach einer einheitlichen Methode gesammelt und anschließend auf 92 handelsübliche Pestizide hin untersucht.

Eintrag in Schutzgebiete aus Umkreis von zwei Kilometern

Insgesamt fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Naturschutzgebieten 47 verschiedene chemische Wirkstoffe, die eingesetzt werden, um im landwirtschaftlichen Anbau unerwünschte Wildpflanzen, Insekten und Pilze zu bekämpfen. Davon waren 13 Herbizide zum Einsatz gegen Wildpflanzen, 28 Fungizide gegen Pilze und 6 Insektizide. In 16 der 21 Gebiete wurde auch ein inzwischen verbotener Wirkstoff aus der Klasse der Neonikotinoide gefunden, was die Forscherinnen und Forscher auf einen verstärkten Einsatz kurz vor Inkrafttreten des Verbots zurückführen.

Der Entomologische Verein Krefeld sieht in den Ergebnissen eine Warnung, dass bisherige Anstrengungen zum Schutz der Insektenwelt nicht ausreichen. „Fortschreitende, regionale Artenverluste“ würden toleriert. Dass ausgerechnet Schutzgebiete, in denen sich Populationen der regional oder bundesweit vom Aussterben bedrohten Insektenarten befänden, mit derart vielen Wirkstoffen belastet seien, beurteilte Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld als alarmierend.

Eine Analyse der landwirtschaftlich genutzten Flächen rund um die Schutzgebiete ergab, dass die dort entdeckten Wirkstoffe nicht nur aus der unmittelbaren Nähe stammten, sondern aus einem Radius von zwei Kilometern.

Hauhechel-Bläuling – ein filigraner Schmettlering auf einer Blüte
Ein Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus).