Bienen retten – aber richtig

Immer noch denken viele Leute beim Insektenschutz an die Honigbiene. Dabei greift das viel zu kurz

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Bienen schwirren vor einer Wand von bunt bemalten Bienenstöcken herum.

„Rettet die Bienen“ – wer das hört, denkt oft automatisch, die Honigbiene brauche dringend Unterstützung. Denn Honigbienen sind nunmal die häufigsten Bienen. Anders als viele Wildbienenarten jedoch sind sie nicht bedroht. Ihre Zahl hängt stark von der Zahl der Imker ab, denn die Honigbiene ist vor allem ein Nutztier.

Doch diese Zusammenhänge sind vielen nicht klar, auch Verantwortliche in Firmen tappen in die Honigbienen-Falle: Vor kurzem hat der britische Einzelhandelskonzern Marks & Spencer gemeldet, er platziere mehr als 30 Millionen Bienen auf Bauernhöfen, mit denen das Unternehmen kooperiert, um „die Zukunft dieser wichtigen Bestäuber und den Planeten zu schützen“. Das hat scharfe Kritik ausgelöst, zum Beispiel beim Wildbienenexperten Dave Goulson von der University of Sussex. Er twitterte: „Kommt schon, @marksandspencer, macht eure Hausaufgaben.“ Deutsche Imker ärgern sich über eine Bienenkiste, die gerade in der Sendung „Höhle der Löwen“ vorgestellt wurde. Sie soll Bienenhaltung geeignet für jedermann machen.

Die Sache hat nur einen Haken: Den Honigbienen geht es hierzulande ziemlich gut. Laut Deutschem Imkerbund wächst die Zahl der Honigbienenvölker in Deutschland seit Jahren stetig. Fünf Fragen dazu an die Biologin Dr. Claudia Garrido, Fachfrau für Bienengesundheit.

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und Brille blickt in die Kamera.
Dr. Claudia Garrido ist Expertin für Bienengesundheit.

Joachim Budde: Welche Probleme sehen Sie, wenn sich der Insektenschutz oder der Bestäuberschutz auf Honigbienen beschränkt?

Claudia Garrido: Was mich bei diesem ganzen „Rettet die Bienen und fangt alle mit der Imkerei an“ am meisten stört, ist: Viele Leute fangen mit der Imkerei an, ohne dass sie wissen, worum es eigentlich geht. Auch beim Imkern muss man lernen, was man tut. Problematisch wird es vor allem dann, wenn Leute sich Bienenvölker in den Garten stellen und sich dann nicht weiter um die Tiere kümmern, weil sie denken, damit handeln sie besonders natürlich. Honigbienen sind Nutztiere, man muss sich um ihre Gesundheit kümmern. Denn wir haben eben das Problem der Varroa-Milbe. Sie gefährdet einerseits die Bienenvölker selbst, weil sie Viren einschleppt – vor allem das Verkrüppelte Flügelvirus (Deformed Wing Virus). Andererseits übertragen kranke Honigbienen diese Viren dann beim gemeinsamen Blütenbesuch auf andere Insekten.

Honigbienen sind nicht die einzigen Bestäuber

Viele Leute machen ja diese Gleichung auf: mehr Bienen – mehr Bestäuber – gesündere Natur. Was gibt es an dieser Schlussfolgerung auszusetzen?

Hauptsächlich, dass Honigbienen nicht die alleinigen und nicht die wichtigsten Bestäuber sind. Also egal ob das nun landwirtschaftliche Kulturen sind oder Wildpflanzen sind: Es sind die Bestäubergemeinschaften – also Honigbienen gemeinsam mit Hummeln, mit Solitärbienen, mit Schwebfliegen und was da sonst noch unterwegs ist als Bestäuber –, die die Qualität der Bestäubung ausmachen.

Wie ändert sich denn die Bestäubung, wenn verschiedene Bienenarten daran mitarbeiten?

Gerade bei Mandeln und anderen Frühblühern ist es so: Richtig bestäubt werden die Mandeln erst, wenn sie mit Pollen nicht nur von einem anderen Mandelbaum, sondern von einer anderen Mandelsorte bestäubt werden. Wenn die Bestäubung nicht vernünftig ist, dann sind die Früchte nicht gleichmäßig und haben einen geringeren Marktwert. Meistens stehen in einer solchen Kultur zwei Reihen mit der Sorte, die man ernten will, und eine Reihe mit einer Sorte, die als Pollenlieferant fungiert. Und dann müssen die Bienen halt wechseln. Das tun Honigbienen viel häufiger, wenn da noch Wildbienen und Hummeln unterwegs sind.

Alle Bienen brauchen zwei Dinge: genügend Nahrung und einen Nistplatz.

Forscher vom Bieneninstitut in Celle haben vor ein paar Jahren geschaut, welche Auswirkungen Honigbienen in Naturschutzgebieten haben, wo es seltene Wildbienenarten gibt. Warum ist das ein Problem, dass sie sozusagen den anderen Bienen den Nektar wegfressen?

Eine Pflanze stellt Nektar nicht für die Bienen her, sondern weil sie bestäubt werden will. Sobald sie bestäubt ist, hört die Nektarproduktion auf. In Naturschutzgebieten gibt es seltene Wildbienenarten, die also auf einzelne Pflanzenarten spezialisiert sind. Wenn eine Masse von Honigbienen kommt und bei diesen Pflanzen den Nektar ausschöpft, dann bleibt halt nichts mehr für die Wildbienen übrig. Man muss sich fragen: Was ist der Zweck eines Naturschutzgebiets? Da geht es zum Beispiel in der Lüneburger Heide darum, die Heidelandschaft zu erhalten. Wenn man da traditionelle Heideimkerei macht mit einer relativ geringen Dichte, dann mag das okay sein, aber wenn dann plötzlich jemand ein paar hundert Völker in so ein Gebiet bringt, dann kann es Probleme geben. Eine neue Studie hat die Konkurrenz von Honigbienen und Wildbienen in Dänemark untersucht.

Wer Bienen helfen will, sollte etwas Unordnung zulassen

Wie geht denn Bienen retten richtig?

Alle Bienen brauchen zwei Dinge: genügend Nahrung und einen Nistplatz. Bei Honigbienen sorgt für den Nistplatz der Imker, aber für die Nahrung müssen auch bei Honigbienen drumrum genügend Blüten sein. Das heißt, wer jetzt wirklich was für Bienen tun will, muss zuallererst genügend Nahrung zur Verfügung zu stellen. In vielen Stadtgärten oder auch im landwirtschaftlichen Raum ist ja häufig nur sehr, sehr wenig zu holen. Man kann Haufen toter Zweige liegen lassen oder Nisthilfen aufstellen, aber nicht diese Riesenhotels aus dem Baumarkt, in denen dann nach ein paar Jahren mehr Parasiten als Bienen zu finden sind. Und man muss auch mal einen Haufen toter Äste oder ein bisschen nackte Erde zulassen, damit Wildbienen Platz für ihre Nester finden.

Also ein bisschen Unordnung zulassen …

Ja genau. Ein bisschen Unordnung zulassen. Wobei ich das auch gar nicht so unordentlich finde. Aber es ist natürlich immer eine Frage der Perspektive.

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