Lernen, einfach mal die Welt zu retten

Interview mit Forschungsstaatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen zum Start von „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
6 Minuten
Ein Junge sitzt auf trockenem Boden vor einer Pfütze.

Die Deutschen halten sich für besonders umweltbewußt, aber sie fahren ungehemmt Auto, essen Billigfleisch, fliegen wie die Weltmeister und erzeugen jede Menge Müll. Wissen wir noch immer nicht genug über Umwelt und Nachhaltigkeit? Ja, meint Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), unter deren Vorsitz der „Nationale Aktionsplan zur Bildung für nachhaltige Entwicklung“ entstanden ist, der heute verabschiedet wird.* Im Interview erklärt sie, was es damit auf sich hat.

Frau Quennet-Thielen, am Dienstag verabschiedet ein Kongress den Nationalen Aktionsplan zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Seit 2015 haben Hunderte von Bildungsakteuren in sechs Fachforen, zehn Partnernetzwerken und bei einem „Agendakongress“ zusammengearbeitet. Das klingt fürchterlich abstrakt und abgehoben. Was steckt dahinter?

Was wir heute tun, geht auf den Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro zurück. Damals sind die Staaten der Welt aufgewacht und haben vereinbart, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss, um die großen Probleme der Menschheit zu lösen – Klima, Artenvielfalt, Wasser, Bodenschutz, Ressourcenknappheit, Armut, Hunger, Kriege. Es sind jetzt 25 Jahre vergangen und wir haben viele Fortschritte auf vielen Feldern gemacht. Aber es gibt mindestens noch einmal so viel zu tun. Das wird aktuell in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen formuliert. Ein Thema verbindet alle Ziele: die Bildung. Sie ist zentral, damit Menschen wissen, was in der Welt passiert, wie sie mit ihrem Verhalten im Alltag zu den Problemen beitragen, vor allem aber auch, wie sie etwas positiv verändern können.

Und was soll der Aktionsplan dazu beitragen?

Es geht darum, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit strukturell wirklich alle Formen von Bildung durchdringt– von der Kita über Schulen und Berufsausbildung bis zur Erwachsenenbildung und auch die sogenannte informelle Bildung, also zum Beispiel das Lernen im städtischen Raum.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Früher war der Prozess stärker von der Unesco und der Zivilgesellschaft getragen, weniger vom Staat. Aber in den vergangenen zwei Jahren haben wir dafür gesorgt, dass es in Deutschland einen gemeinsamen Prozess von Staat und Gesellschaft gibt. In der von Bundesministerin Wanka eingesetzten Nationalen Plattform unter meinem Vorsitz arbeiten deshalb 38 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Die Kultusministerkonferenz, die Umweltministerkonferenz, die Jugend- und Familienministerkonferenz sowie die kommunalen Spitzenverbänden haben die Texte beraten. Wir haben den Aktionsplan auch in einem Online-Beteiligungsprozess entwickelt. Die Mitwirkung war überwältigend: Mehr als 600 Menschen und Institutionen haben 8000 Bewertungen zu den Vorschlägen und 700 konkrete Ideen eingebracht.

Ist es denn wirklich so, dass in Deutschland zum Beispiel in den Schulen zu wenig über Klimawandel und andere Nachhaltigkeitsthemen geredet wird? Das nimmt doch schon breiten Raum ein, das Umweltbewusstsein ist hoch.

Aber noch nicht hoch genug, sonst hätten wir viele Probleme nicht mehr. Es gibt Bundesländer, die haben schon flächendeckend Nachhaltigkeit in den Unterricht integriert, zum Beispiel Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin. In Baden-Württemberg treten die entsprechenden Lehrpläne seit 2016 schrittweise in Kraft. Aber in anderen Ländern ist Nachhaltigkeit noch nicht wirklich strukturiert in die Arbeit der Schule eingebunden.