Totgesagte streamen länger: Wie sich Kinos neu erfinden, um zu überleben

Pandemie und Streaming erhöhen den Druck auf traditionelle Kinos. Alles verloren ist für die Branche aber noch nicht, wie ein Blick in die USA zeigt.

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Haupteingang eines Multiplexkinos. Leuchtender Schriftzug „Cinema“ im Abendrot.

Die Sixth Avenue in New York an einem Sonntagmorgen. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, im Foyer einer Bank übernachtet eine Gruppe Obdachloser. Ein Pub ist mit Sperrholzplatten vernagelt, Plastiktüten wehen durch die Luft.

Auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie leidet die Metropole unter den Folgen. Betroffen ist auch das IFC Center, ein Programmkino, das an der Sixth Avenue liegt. Fast ein Jahr lang hatte es komplett geschlossen.

Im Mai 2021 wagte es den zaghaften Neustart: Nur ein Viertel aller Sitze durften belegt werden, statt Cola und Popcorn bekamen Gäste eine Maske ausgehändigt. Aufs gastronomische Angebot verzichtete das Kino komplett, ebenfalls wegen Corona. Später kontrollierte ein Sicherheitsdienst die Impfpässe.

Inzwischen läuft der Betrieb wieder halbwegs normal, wenngleich viele Besucherinnen und Besucher noch immer freiwillig eine Maske tragen. Auch wirtschaftlich haben amerikanische Kinos die Krise keineswegs überstanden.

Kinos mussten Insolvenz anmelden

AMC, die größte Kinokette der Welt, musste sich an der Börse 950 Millionen Dollar besorgen, um angehäufte Schulden zu tilgen. Selbst alternative Häuser wie „Alamo Drafthouse“, in denen man Burger und Bier zum Film serviert bekommt, mussten zwischenzeitlich Insolvenz anmelden.

Was in den USA passiert, schwappt früher oder später nach Europa über. Deshalb lohnt sich ein Blick über den Atlantik: Wie geht die Branche, die durch Streaming ohnehin unter Druck steht, mit der aktuellen Krise um? Werden Kinos überleben? Wie könnte ihre Zukunft aussehen?

Mit Sicherheit kann diese Fragen natürlich niemand beantworten. Wissenschaftlerinnen, Kinobesitzer und Film-Fans liefern aber schon heute Hinweise auf künftige Entwicklungen.

Kino in New York neben einem U-Bahn-Ausgang, davor ein Obdachloser, der auf seinem Fahrrad schläft
Film ab: Im „IFC Center“ in New York laufen die Projektoren wieder. Die Stadt leidet aber noch immer unter den Nachwehen der Pandemie.
Enzian-Kino mit angeschlossenem Biergarten, von Sonnenschirmen und Bäumen beschattet
Sicheres Standbein: Dank des angeschlossenen Restaurants samt Biergarten kann das Enzian-Kino fehlende Film-Einnahmen ausgleichen.
Ein älterer Herr und eine junge Frau stehen vor einem Kino
Philip Tiedke und seine Schwiegertochter Deanna blicken optimistisch in die Zukunft.
Blick in den leeren Filmsaal des Enzian-Kinos. Sofas und Tische mit mehreren Sitzplätzen bilden das Interieur.
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Ideen: Die klassische Sitzreihe hat im „Enzian“ ausgedient.
Ein Verkäufer, der eine Maske trägt, überreicht im Kino eine Tüte Popcorn.
Im Kino schmeckt Popcorn doch gleich viel besser. Doch große Leinwände allein locken heute niemanden mehr vom Sofa hoch.
Eine Verkaufstheke für Snacks und Getränke in einem Kino
Die Knabbereien sind oft teurer als der Film—da stehen amerikanische Kinos den europäischen in nichts nach,
Eine junge Frau mit Tattoo auf dem Unterarm lehnt an einer Wand
Das Kino hat schon viele Krisen mitgemacht und trotzdem überlebt, betont Filmwissenschaftlerin Jocelyn Szczepaniak-Gillece.
Eine Gruppe von jungen Leuten beim Bowling
Die Kinokette Evo Entertainment schreibt bisher schwarze Zahlen, weil sie an ihren Standorten nicht nur Filme zeigt, sondern auch Bowlingbahnen und Spielautomaten anbietet.
Mitch Roberts expandiert mit seiner Kinokette Evo Entertainment
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