Coronakrise in Peru: Die Regierung handelt entschlossen und schnell
Doch was passiert mit den Tagelöhner*innen?

Lima, 6. April 2020
Peru war wohl selten so präsent in deutschen Medien wie in diesen Tagen: Kaum ein deutsches Online-Portal, auf dem nicht eine verzweifelte deutsche Rucksack-Touristin per Whatsapp-Video über ihre Zwangs-Quarantäne in einem peruanischen Hostel klagt.
So tragisch und beängstigend die verordneten Maßnahmen im Einzelfall sein mögen: Die peruanische Regierung hat das einzig Richtige getan und das Land sehr schnell unter "obligatorische soziale Isolierung" gestellt, wie es im offiziellen Jargon heißt.
Seit 15. März darf man, sofern man nicht in einem strategisch wichtigen Bereich arbeitet, das Haus nur verlassen, um Lebensmittel einzukaufen oder den Hund Gassi zu führen. Von 18 Uhr abends bis 5 Uhr morgens und den ganzen Sonntag gilt eine allgemeine Ausgangssperre. Flughäfen und Landesgrenzen sind gesperrt. Auf den Straßen patrouilliert das Militär.
Ob diese drastischen Maßnahmen fruchten, wird sich erst in ein bis zwei Wochen zeigen. Bis zum 5. April gab es in Peru 2281 registrierte Infizierte und 83 Todesfälle, mit immer noch steigender Tendenz. Die allermeisten Infizierten sind in der Hauptstadt Lima gemeldet, aber bereits den zweiten Platz belegt die Amazonas-Region Loreto. Bisher ist die Zwangs-Quarantäne bis 12. April vorgesehen.
Peru baut eigene Beatmungsgeräte
Die Bevölkerung unterstützt bisher das beherzte Vorgehen der peruanischen Regierung. Präsident Martín Vizcarra, der als Vizepräsident vor zwei Jahren für den wegen Korruption abgesetzten Präsidenten Pedro Pablo Kucyznski nachrückte, erweist sich als guter Krisenmanager und Kommunikator. Jeden Mittag wird seine Pressekonferenz, die er zusammen mit seinem Kabinett abhält, im Fernsehen übertragen.

Gleichzeitig mit den Eindämmungsmaßnahmen rüstet Peru sein äußerst prekäres Gesundheitswesen auf: Die Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsgeräten für 32 Millionen Peruaner*innen soll von 276 auf 500 aufgestockt werden. Gesundheitsminister Víctor Zamora hat berichtet, wie schwierig es für ein Land wie Peru ist, auf dem internationalen Markt an Beatmungsgeräte oder Schutzkleidung zu kommen. Peru hat deswegen findig reagiert: Das Militärspital und eine Universität werden Not-Beatmungsgeräte bauen, hat Präsident Vizcarra verkündet.
Hilfsmaßnahmen nur für die eigenen Landsleute
Zeitgleich hat Peru ein ehrgeiziges Hilfspaket für die bedürftige Bevölkerung auf den Weg gebracht. Dank voller Kassen aus den Zeiten des Rohstoffbooms kann die Regierung hier auf Reserven zurückgreifen.
70 Prozent der Peruaner*innen sind im informellen Sektor tätig, haben also keinen festen Arbeitsvertrag oder Sozialleistungen. Die von der Quarantäne am meisten betroffenen Menschen dürften die 850.000 Venezolaner*innen sein, die hier als Flüchtlinge leben. Sie arbeiten in der Regel im informellen Sektor, haben keine Reserven und kommen nicht in den Genuss der staatlichen Hilfsmaßnahmen.
Ebenfalls bedroht sind die Menschen außerhalb der großen Städte, insbesondere die indigenen Gemeinschaften im Amazonasgebiet und den Anden. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Virus auch dort auftauchen wird. Verschiedene indigene Dörfer haben ihre Gebiete inzwischen selber isoliert und lassen keine Fremden mehr hinein.
Wenn man nicht gerade in einem Acht-Bett-Zimmer in einem Hostel sitzt oder in einer Großfamilie auf beengtem Raum, sind die Quarantäne-Maßnahmen bisher gut auszuhalten. Anders als in Deutschland ist auch Spazierengehen oder Spielen im Park nicht erlaubt. Das ist natürlich eine Geduldsprobe für Eltern kleiner Kinder.
Als Pressevertreterin gehöre ich zu einem strategisch wichtigen Sektor und darf mich mit Sondererlaubnis in der Stadt bewegen. Vorgestern war ein herrlicher Sommertag, strahlend blauer Himmel. Ich nahm mein Fahrrad und fuhr am Pazifik entlang zu einem Interview. Normalerweise ist Fahrradfahren in Lima ein einziger Guerrillakampf gegen Autos und Motorräder. Vorgestern dagegen waren die Straßen menschenleer, statt Autolärm hörte ich Möwen kreischen. Dennoch wollte bei mir kein Gefühl der Idylle aufkommen. Die menschenleere Promenade an der Steilküste wirkte auf mich geradezu unheimlich.
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