Elterntaxi-App soll Autofahrten vermeiden
Fahrgemeinschaft statt Solofahrt. Eine App soll Eltern helfen, die Fahrten ihrer Kinder besser zu bündeln
Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft
Mit ihrem Umzug von New York ins kleinstädtische Connecticut wollten Stefanie Lemcke und ihr Mann mehr Ruhe in den Familienalltag bringen. Aber die Vorstadt-Idylle hatte auch Nachteile: In der US-Provinz fahren kaum Busse. Anders als in New York bringen hier die Eltern ihre Kinder mit dem Auto zum Training oder zur Orchesterprobe. Gegen den Fahrstress hat Stefanie Lemcke ein Mittel erfunden: Die App GoKids. Für den Verkehrsclub Deutschland ist die App jedoch ein falsches Signal.
In einem Meeting erhielt Stefanie Lemcke die kurze Nachricht einer Nachbarin: „Ich kann deine Tochter heute nicht mitnehmen“, Für die Deutsche war das ein Schock. Innerhalb kürzester Zeit musste sie aus der Ferne eine Alternative organisieren. „Wir kommunizierten noch per SMS“, sagt sie und schüttelt fassungslos den Kopf.
Die Unternehmensberaterin lebt seit zehn Jahren in den USA. Sie leitete unter anderem die Online-Videoabteilung bei Sky Deutschland, die Rechtsabteilung beim Disney-Kanal in Deutschland und gründete schließlich ihre eigene Unternehmensberatung. Nun brauchte sie ein Tool, das die Abstimmung zwischen den Eltern erleichtert. So entstand die Idee für eine Fahrdienst-App über die Eltern die gemeinsamen Fahrten ihrer Kinder leicht organisieren und koordinieren können. Das Ergebnis ist GoKid.
Das Prinzip ist einfach: Ein Elternteil muss ein Team in der App anlegen und alle Eltern einladen, die bei der Fahrgemeinschaft mitmachen wollen. Wenn kein Bus fährt, können die Eltern ihre Kinder abwechselnd zum Sport, zur Lerngruppe oder zur Orchesterprobe bringen und sich online über die Fahrdienste abstimmen. Über die App wissen alle Beteiligten immer genau, wer gerade welches Kind im Auto hat und wer welche Fahrten übernimmt. Fällt ein Fahrer aus, werden alle Gruppenmitglieder sofort informiert und können einspringen. Die App ist kostenlos. Mit dem Upgrade für 4,99 Dollar im Monat sehen die Eltern zudem live, wo das Auto mit ihren Kindern gerade unterwegs ist.
„Voraussetzung für eine Fahrt ist immer, dass der Fahrer sein eigenes Kind im Auto hat“, sagt die Startup-Gründerin. Schließlich wollen sie kein Uber für Kinder sein, mit externen unbekannten oder gar bezahlten Fahrern. GoKid schaffe keinen neuen Fahrdienst. Die App mache es Eltern nur leichter, die wiederkehrenden Fahrten zum Training besser zu koordinieren und bei Ausfällen den Ersatz unkompliziert regeln.
„Für den amerikanischen Markt kann das durchaus Sinn machen“, sagt Anika Meenken, die beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) seit Jahren verschiedene Jugendkampagnen zur aktiven Mobilität koordiniert. Für Deutschland dagegen sieht sie keinen Bedarf. Im Gegenteil: „Jedes Auto vor der Schule ist eine Gefahr für die Kinder, die zu Fuß kommen oder mit dem Fahrrad“ sagt sie. Außerdem sieht sie die Gefahr, dass derartige Fahrdienste, das Schulbus-Angebot untergraben. Fahren immer weniger Schüler mit den Linienbussen, werde das Angebot irgendwann abgeschafft. Gerade auf dem Land seien jedoch auch ältere Menschen, Jugendliche und andere, die kein Auto haben, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.
Vier-Tage-Woche für Schüler soll Buskosten reduzieren
„Wir wollen nicht mit Schulbussen konkurrieren“, hält Stefanie Lemcke dagegen. „Aber viele Schulen in Amerika haben heute gar keine Busse mehr“, sagt sie. Ihnen fehlt das Geld, weil die Gemeinden und Regionen Etats kürzen. Einige Schulen dünnen die Buslinien aus, streichen sogar ganze Schultage. In der Kleinstadt Brighton in Colorado hat der Bezirk für 18.000 Kinder die vier-Tage-Woche eingeführt. Dafür bleiben die Kinder an diesen Tagen länger in der Schule. Die eingesparten Buskosten von rund 700.000 Dollar (etwa 620.000 Euro) sollen teilweise in das Budget der Schule fließen.
Mit dieser Entscheidung ist Brighton nicht allein. Rund 13 Prozent der Schüler aus Colorado gehen nur noch vier Tage in der Woche zur Schule. Nach Angaben der National Conference of State Legislatures, die Gesetzgeber und Mitarbeitern der 50 US-Staaten berät, haben sich mittlerweile etwa 560 Bezirke in 25 Staaten für eine vier-Tage-Woche entschieden. Mehr als die Hälfte dieser Bezirke befindet sich Colorado, Montana, Oklahoma und Oregon.
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