Die Neuen auf der Straße

E-Tretroller können Autofahrten ersetzen. Bis das sicher und nachhaltig funktioniert, gibt es noch viel zu tun

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Eine junge Frau mit Helm und heller Strickjacke fährt auf einem E-Scooter an einem Gebäude mit hoher Fensterfront vorbei.

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

An das Spielgerät für Grundschulkinder erinnert nur noch die Silhouette des schwarzen Mietrollers. In seinem Vorderrad ist der Motor versteckt, im Trittbrett der Akku und über den Daumenhebel am Lenker dosiert der Fahrer während der Fahrt das Tempo. Ein kurzer Kick zum Start reicht aus, dann übernimmt der Motor die Arbeit. Mit 20 km/h und mehr gleitet der Fahrer dann über den urbanen Asphalt – schweißfrei und ohne jede Anstrengung. Das kommt bei Städtern so gut an, dass mehrere Start-ups ein großes Geschäft wittert.

Vor zwei Jahren haben Sharing-Firmen namens Bird und Lime die ersten E-Kick-Scooter-Flotten in San Francisco auf die Straßen gestellt. Seitdem verteilen sie ihre Modelle in den Großstädten Amerikas und breiten sich immer weiter nach Europa und Asien aus. Millionen Menschen sind bereits auf den Elektrozwergen durch die Metropolen gerollt. Bald sollen sie auch in Deutschland zugelassen werden. Verkehrsminister Andreas Scheuer will sie per Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung möglich schnell in die Stadtzentren bringen. „Zusammen mit dem ÖPNV sind sie eine echte zusätzliche Alternative zum Auto, ideal etwa für die letzte Meile von der U-, S-Bahn oder Bushaltestelle nach Hause oder zur Arbeit“, sagt der Minister.

Die Neuen auf der Straße sind Spaßfahrzeuge. Laut den Sharing-Anbietern Lime und Bird fahren ihre Kunden damit vor allem Kurzstrecken zwischen 1,5 und 3 km. In der Stadt sind das die klassischen Fahrraddistanzen. Aber anstatt in die Pedale zu treten, gleiten viele Menschen anscheinend lieber lautlos ans Ziel.

Bequem und komfortabel

„Gerade die fehlende Bewegung, das Ankommen ohne zu schwitzen, macht für viele Pendler den Reiz des E-Kick-Scooters aus“, sagt Fabian Edel, Experte für Mikromobilität am Fraunhofer Institut. Ein weiteres Plus der Elektrozwerge: Sie sind faltbar. Autofahrer haben ihren E-Kick-Scooter immer im Kofferraum und ÖPNV-Pendler können sie zu jeder Tageszeit in Bus und S-Bahn mitnehmen.

Fahren bis zum Schreibtisch

Die große Flexibilität für die Privatleute und die hohe Verfügbarkeit über die Flotten der Sharing-Anbieter machen es Autofahrern leicht, den Wagen stehen zu lassen. „Der Elektrotretroller schließt Lücken im Wegenetz und außerdem ist es bequem mit ihm unterwegs zu sein, sagt der Mobilitätsexperte. Diese Faktoren beeinflussen die Entscheidung am Morgen für das Verkehrsmittel zur Arbeit. „Die erste und die letzte Meile am Tag entscheiden über unser Mobilitätsverhalten für die ganze Wegestrecke“, sagt Edel. „Und mit dem E-Kick-Scooter fahre ich gefühlt bis an den Schreibtisch.“ Mehr Komfort geht kaum.

Das Potenzial für die Elektrozwerge im Stadtverkehr ist groß. Um nicht von dem Hype überrollt zu werden, reagieren die ersten Städte jetzt mit klaren Rahmenbedingungen auf die Sharinganbieter. Viele haben in der ersten globalen Sharing-Welle mit Billigleihrädern in den vergangenen zwei Jahren Lehrgeld bezahlt. Die Erfahrung zeigt: Ohne Regeln droht Chaos.

Fiasko in San Francisco

In ihrer Heimatstadt San Francisco haben die Pioniere der Branche Bird, Lime und Spin anfangs für viel Ärger gesorgt. Quasi über Nacht fluteten sie mit riesigen Flotten die Straßen – ohne Ankündigungen und Absprachen. Schnell stapelten sich die neuen E-Scooter am Straßenrand, landeten im Wasser oder versperrten die Wege. Das kam bei den Stadtoberen nicht gut an. Es geht jedoch auch anders. In Wien verlief der Start von Lime und Bird reibungslos. Die Experten aus der Verkehrsbehörde hatten sich vorbereitet und den Spielraum der neuen Mobilitätsanbieter klar definiert.

Die Regeln in Wien sind einfach: E-Kick-Scooter gelten hier als Fahrräder und müssen Radinfrastruktur nutzen. Gehwege und Fußgängerzonen sind die Fahrer tabu – eigentlich. Eine Ausnahme ist die neue Mariahilfer Straße. Seit ihrer Umgestaltung 2013 herrscht hier Marktplatz-Flair. Die Fußgänger schlendern kreuz und quer über den breiten Boulevard, sitzen plaudernd in den Straßencafés oder bahnen sich per Fahrrad einen Weg durch die Menge.

Tempolimit per Software

Radfahren in Schrittgeschwindigkeit ist in Wien erlaubt. Damit sich auch die Rollerfahrer an das vorgeschriebene Tempolimit halten, hat der Sharing-Anbieter Bird eine Geschwindigkeitsbegrenzung für diese Zone in seine Software integriert. „Fährt jemand mit einem Bird in die Mariahilfer Straße, wird er langsam abgebremst“, sagt Yenia Zaba, Bird-Sprecherin. Über die Software soll auch das Falschparken unterbunden werden. In bestimmten Zonen können die Kunden die Ausleihe nicht beenden.

Schwarze E-Scooter mit roten Applikationen werden vor einer Hauswand aufgereiht präsentiert.
Bald geht es los. Sharing-Unternehmen wie Bird oder Lime warten noch auf die Zulassung für Deutschland. Dann werden sie ihre E-Kick-Scooter-Flotten in den Städten verteilen
Eine Frau und ein Mann mittleren Alters mit jeweils einem E-Scooter sind in der Stadt unterwegs und lächeln sich an. Sie tragen beide einen Helm.
Für E-Kick-Scooter gelten in vielerlei Hinsicht die Fahrradregeln: Sie dürfen auf Radwegen und der Straße fahren. Das Parken ist auf Gehwegen erlaubt – sofern sie die Wege nicht versperren (Symbolbild).
Blick auf den Lenker des E-Scooters mit Display. Die rechte Hand einer Frau hält den Griff des Lenkers, während sie in der linken Hand ein Smartphone mit einer geöffneten Navi-App hält.
Die Ausleihe, das Parken und die Rückgabe der Scooter funktionieren per App.
Nahaufnahme eines Displays von einem grün-schwarzen E-Scooter.
In Wien ist das Parken der Elektrozwerge mancherorts unerwünscht. Die App sorgt dafür, das die Rückgabe oder auch kurzes Parken dort nicht möglich sind (Symbolbild).
Ein weißer Scooter steht an einem Flussufer.
In Bamberg sind die ersten 15 E-Kick-Scooter von Bird seit Mitte März per Sondergenehmigung unterwegs. Ausgewählte Buspendler können sie im Alltag in testen.