ORGANISCHES GITTER

Bastian Muhr zeichnet auf 200 Quadratmeter im Museum der bildenden Künste in Leipzig

11 Minuten
Ein Mann kniet auf dem Boden und malt mit einem weißen Stift ein Netzmuster auf den Boden.

Bastian Muhr, Jahrgang 1981, lebt und arbeitet in Leipzig, wo er von 2004 bis 2010 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte. Neben Malereien und Zeichnungen realisiert der Künstler ortsspezifische Werke, die nur begrenzte Zeit sichtbar sind. Für seine Einzelausstellung „Kante“ füllte er eine 200 Quadratmeter große Fläche auf den Fußboden im Museum der bildenden Künste in Leipzig. Die Kreidezeichnung ist nicht fixiert, der Reaktionen der Besucher ausgesetzt und wird spätestens mit dem Ende der Ausstellungslaufzeit wieder entfernt. Ein Gespräch über schmerzende Hände, interpretierende Besucherfragen und Besenreinigungsfahrzeuge.

Sarah Alberti: Ihre Zeichnung auf dem Boden des Lichthofes im Leipziger Museum der bildenden Künste umfasst über 200 Quadratmeter. Wie lang haben Sie daran gearbeitet? Bastian Muhr: Ich habe knapp zwei Wochen gebraucht, war da fast jeden Tag im Museum, immer von 10 Uhr bis zum Abend, so gegen 18, 19 Uhr. Wenn ich den ganzen Tag durchgearbeitet habe, mit wenigen Gesprächen und einer längeren Pause, dann habe ich 20 Quadratmeter am Tag geschafft.

Sarah Alberti: Das bedeutete auch, den ganzen Tag auf dem Boden zu knien – wie anstrengend war das? Bastian Muhr: In den Knien ging es, ich habe so Unterlegkissen für Fliesenleger gehabt. Aber nach drei Tagen habe ich es tatsächlich in der Hand gemerkt und dann auch mal einen Tag Pause gemacht.

Sarah Alberti: Bei einer früheren, ähnlich aufwendigen Zeichnung, einer Wandarbeit in der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, haben Sie sich von einer Assistentin unterstützen lassen. Bastian Muhr: Das kam hier nicht infrage. Die Wandarbeit damals war formal sehr streng, was es mir erlaubt hat, mit einer Assistentin zu arbeiten. Die neue Bodenarbeit ist freier angelegt, betont die individuelle Ausführung. Es wäre unmöglich, das mit einem Assistenten zu machen, weil man dann zwei verschiedene Handschriften nebeneinander sehen würde.

Sarah Alberti: Die Linienführung lässt an imitierte Schreibversuche von Kindern denken, die ja oft an ein Zickzack-Muster erinnern. Bastian Muhr: Auf dieses Zickzack bin ich gekommen, weil ich eine Form gesucht habe, die ich einfach wiederholen kann, die sehr reduziert ist aber doch genügend handschriftliche Variation ermöglicht. Bei einem geraden Strich würde weniger passieren. Ich habe mir die Gesamtfläche in 20 Einzelflächen unterteilt und dann ganz banal eine Zickzacklinie unter die nächste gesetzt und versucht, dass sich die Spitzen jeweils treffen, sodass eine Art Gitter entsteht. Weil ich die gesamte Zeichnung per Hand ausführe und ich relativ schnell arbeite, variiert die Musterung teilweise sehr stark.

Ein großer Raum auf dessen Boden ein Netzmuster gemalt ist. Links steht jemand an einer Tür. Am Ende des langen Raumes kniet eine Person auf dem Boden.
Der Arbeitsprozess wurde von Besuchern wie Mitarbeitern verfolgt
Aufnahme eines großen, hellen Raumes von oben. Darin befinden sich zwei Menschen die im Vergleich sehr klein erscheinen.
Kunst auf Zeit – nach dem Ausstellungsende verschwindet auch die Bodenzeichnung
Foto eines Bodens aus glatten Steinplatten. Darauf ist ein Netzmuster mit weißer Kreide gemalt. Links im Bild sieht man eine Hand mit Kreide, welche das Muster weiterführt.
Aus Zickzack-Muster ergibt sich ein Gitter – für manche Besucher ein Auffangnetz