„Tyrannei ist nie komplett, solange es Wildnis gibt“

Donald Trump versucht, die Welt vor sich herzutreiben. Jetzt kommt es auf die richtige Reaktion auch bei uns an.

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Durch Erosion entstandende Steinformationen im Badlands National Park in South Dakota.

Es ist auf den ersten Blick überraschend, woher der Widerstand gegen Donald Trump kommt: Aktive und frühere Nationalparkranger widersetzen sich der Anweisung des Weißen Hauses, in sozialen Medien zu schweigen. Sie stellen sich damit gegen ihre Dienstherren. Binnen weniger Stunden folgen eine Million Menschen auf Twitter den Mitteilungen einer selbsternannten Widerstandgruppe mit dem Logo des National Park Service, die anonymen Renegaten werden zu digitalen Helden.

Im Badlands National Park, einer Verwitterungslandschaft im Südwesten von South Dakota, die nicht allzu weit von den in Stein gemeißelten Präsidentenportraits von Mount Rushmore liegt, fing das Aufbegehren an. Ein früherer Angestellter tat das, was bis zum 20. Januar noch selbstverständlich war: Er informierte sachlich über den Klimawandel. Das ist nun verboten. Und weil dieses Verbot den aggressiven, kommandantenhaften Stil der ersten Präsidententage von Trump symbolisiert, facht es den Widerstand gegen ihn kräftig an.

Es ist auf den zweiten Blick gar nicht so überraschend, dass dieser Widerstand aus der Naturschutzszene kommt. In den Nationalparks der Vereinigten Staaten fließen die traditionelle Liebe der Amerikaner zur Natur und die traditionelle Liebe zur Wissenschaft in gleichen Teilen zusammen. Nationalparkranger wissen über Artenvielfalt und Klimawandel bestens Bescheid, im Badlands Nationalpark und anderswo ist die tiefe Erdgeschichte mit bloßen Händen zu begreifen. Sie erleben vor Ort vor allem auch, welche Schönheit es zu bewahren gilt und wie gefährdet sie ist.

Nationalparks sind nicht einfach nur Wildnisgebiete, sondern zugleich auch Forschungszentren. Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Emma Marris hat dies kürzlich in ihrem Artikel „Berührte Natur“ auf RiffReporter eindrucksvoll geschildert. Zugleich haben die Ranger tagein, tagaus mit wilden Lebewesen zu tun, die es gewohnt sind, die Schwächeren zu sein und doch zu überleben. Der Umgang mit wilden Tieren kann befreien: Ranger bekommen ein Leben in Gefahr und Freiheit jeden Tag gezeigt – samt der Würde, die in ihm steckt. „Tyranny can never be complete as long as there’s wilderness“, hat der US-Umweltaktivist Tim DeChristopher bereits 2011 gesagt. Der Satz taugt zum Motto für die Twitter-Bewegung.

Alle bisherigen Selbstverständlichkeiten sind bedroht

Doch ein Twitteraccount mit Hunderttausenden Followern allein ist noch keine politische Kraft. Wenn dagegen Donald Trump tweetet, zittert die Welt, denn er gebietet auch über fast 9.000 Atomsprengköpfe, hat seine Soldaten rund um die Welt stationiert, kann mit wenigen Worten die Menschheit ins Verderben stürzen. Der neue, hochemotionale Präsident hält mit nichts hinter dem Berg – auch nicht damit, dass er zum Angriff auf die Wissenschaft ansetzt. Hektisch versuchen Klimaforscher, ihre über Jahre und Jahrzehnte mühsam gewonnenen Daten vor Reinigungs- und Löschversuchen der Trump-Regierung in Sicherheit zu bringen.

Es besteht die reale Gefahr, dass Fakten nicht nur geleugnet, sondern auch physisch gelöscht oder unzugänglich gemacht werden. Die ersten Budgetkürzungen sollen die Nationalstiftungen für die Künste und für die Geisteswissenschaften treffen. Das ist konsequent, sind die Geisteswissenschaften doch so etwas wie die Nationalparks der Wissenschaft, in denen sich freie, wilde Wesen ausleben. Nichts könnte einem kontrollsüchtigen Narzissten wie Trump mehr zuwider sein als ein gebildeter Historiker, ein smarter Konstruktivist oder eine charakterstarke Künstlerin, die ohne Macht, aber mit umso mehr Wissen sein Spiel durchschauen.

Aufnahme von Donald Trump bei einer Rede.
Der heutige US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im Dezember 2015 in Las Vegas.
Blumen vor dem Weißen Haus
Das Gelände des Weißen Hauses wird vom National Park Service verwaltet.